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Super-PC aus der Steckdose

Geld ist gerade in der Wissenschaft ein knappes Gut und so wandert der Forscherblick schnell auf kostengünstige PC-Grids, um so teuere Rechenzeit zu verbilligen. Doch nicht immer können vernetzte PCs den Superrechner völlig ersetzen. Neue Vernetzungs-Technologien sollen den Ausweg bringen.

    Die ambitionierte Suche nach Aliens zwischen den Sternen fand zwar bislang nicht ET, doch eröffnete die "Search for Extraterrestrial Intelligence - SETI" mit einem Schlag ein neues Zeitalter in der Höchst-Rechenleistung zum kleinen Preis. Denn ein kleines Programm nutzt bei Seti@home als Bildschirmschoner brachliegende Rechenzeit von Heim-PCs, um damit Radiosignale aus dem All zu untersuchen. Motiviert durch den Gedanken, der eigene Computer könnte ferne Zivilisationen aufspüren, spenden Privatleute quasi Hardware nebst Strom und Internetanschluss für das hehre Ziel und schufen so einen verteilten Rechner von gewaltiger Leistung. Davon beflügelt, entwickelten Forscher neue Konzepte, um viele herkömmliche Rechner vor Ort zu verkabeln und so teuere Großcomputer zu ersetzen - die Idee des Grid nahm Form an.

    Doch nicht alle Anwendungen lassen sich wie bei SETI in kleine Häppchen aufdröseln, die dann von einzelnen Computern abgearbeitet werden. Überdies stellen die langsamen Internetverbindungen einen Flaschenhals dar, wenn Ergebnisse schnell zusammengefügt werden sollen. Viel schneller arbeiten dagegen Prozessoren, die über spezielle Hardware miteinander verknüpft sind, beispielsweise in modernen Multiprozessor-Grids. Doch die Zukunft solcher Netzwerke aus vielen Klon-Rechnern sieht anders aus, schildert Guy Lonsdale von den NEC Forschungslabors in Sankt Augustin bei Bonn:

    "Bei den Grids der nächsten Generation stehen die Virtualisierung und Anbindung von Ressourcen sowie Möglichkeiten zu dynamischen Kooperationen per Internet im Vordergrund. Dabei wird der Zugriff auf Rechner, die dann Daten produzieren, über Rechnerdienste und Datenservices bereitgestellt."

    Wie Strom aus der Steckdose

    Damit soll es möglich werden, Rechenleistung oder auch teuere Spezialsoftware quasi so einfach wie Strom aus der Steckdose zu beziehen. Wer sich einen Superrechner oder -Programme nicht leisten möchte oder kann, soll sie als Dienstleistung über die neuen Dienste via Internet beziehen können, ohne dazu selbst in aufwändige Hardware investieren zu müssen. Ein anspruchsvolles Beispiel dazu liefert einmal mehr die europäische Forscherschmiede CERN: Die Europäische Organisation für Teilchenforschung kann die gewaltigen Datenmengen, die ihr 27 Kilometer langer Teilchenbeschleuniger "Large Hadron Collider - LHC" produziert, alleine gar nicht verarbeiten. Nur die europaweite Vernetzung vieler Rechenzentren erschließt Forschen aus aller Welt den Zugriff auf die neuesten Erkenntnisse aus der Teilchenphysik. Dabei rauschen die LHC-Informationen ständig mit flotten 600 Megabytes in der Sekunde durch die Breitbandnetze der Universitäten.

    Für den Anbieter der Datenflut stellt sich dabei allerdings das Problem, dass er Rechenleistung und Übertragungskapazität sehr flexibel und vor allem schnell auf die sich ständig ändernden Bedürfnisse seiner Nutzer anpassen muss. Protokolle wie sie bei SETI verwendet werden, sind damit überfordert. Um Zeitscheiben von Hochleistungs-Gridrechnern zu verwalten und zu verteilen, müssen daher völlig neue Lösungen entwickelt werden, schildert Professor Ulrich Trottenberg von Fraunhofer Institut für wissenschaftliches Rechnen in Sankt Augustin:

    "Der Anwender möchte eine partielle Differentialgleichung lösen und gibt sie in einer Sprache ein, die das Netz versteht. Und innerhalb des Netzes wird dann die Software bereitgestellt, die für die Lösung des Problems nötig ist. Entsprechend wird die Rechenleistung automatisch bereitgestellt. Dazu muss aber ein Verständnis da sein, worin das eigentliche Problem liegt."

    Daten-Sicherheit ist oberstes Gebot

    Ein anderer Punkt von verknüpften Rechnern ist stets auch die Sicherheit der Information - vor allem, wenn sie um den Globus reist. Beispielsweise wird ein Automobilhersteller, der ein neues Fahrzeug von vielen unterschiedlichen Entwicklungsabteilungen in aller Welt gemeinsam entwerfen lässt, alles tun, um dieses Netz abzuschotten. Schwierig wird dies indes, wenn auch fremde Zulieferunternehmen in diesen Prozess eingebunden werden sollen. Um zu solchen Fragestellungen angemessene Lösungen zu erarbeiten, vergibt die Europäische Union eigens Forschungsmittel, berichtet Max Lemke:

    "Sicherheit ist eines unserer wichtigsten Themen im nächste Projektaufruf, der jetzt heraus kommt. Wir sehen allerdings drei Aspekte dabei. Einmal den Sicherheitsaspekt, dann den Aspekt des Schutzes der Privatsphäre und auch den Aspekt des Vertrauens."

    Dabei gilt es, Informationen einerseits zu sichern, andererseits aber auch den Aufwand dafür gering zu halten, um die kostbare Rechenzeit damit nicht zu verschwenden. Doch bislang treiben auch weit banalere Probleme die Wissenschaftler um: So scheiterte ein Testgrid zwischen dem Fraunhofer-Institut in Sankt Augustin und dem benachbarten Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt schlicht daran, dass die gegenseitigen Firewalls die Verbindungen kappten.

    [Quelle: Wolfram Koch]