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Supercomputer für wenig Geld

Nicht nur in der UNIX-Welt bewirkte Linux einige Veränderungen. Auch bei Höchstleistungsrechnern sorgt das freie und offene Betriebssystem für frischen Wind, denn gerade das offene Konzept der gemeinsamen Fortentwicklung in unterschiedlichsten Internet-Gruppen brachte inzwischen erstaunliche Anwendungen zu Tage. So entstand etwa durch das Beowulf-Projekt eine neue Klasse von Supercomputern - die Linux-Cluster. Solch eine Höchstleistungsmaschine zum Discountpreis steht zum Beispiel an der Universität Magdeburg: Für gerade 230.000 Euro bekam die Uni einen Rechner mit 15 Milliarden Fließkomma-Operationen pro Sekunde, fünf Tonnen Gewicht und dem niedlichen Namen TINA.

Mirko Smiljanic | 12.01.2002
    Fast wäre es zwei Wissenschaftlern der Universität Magdeburg gelungen, sich mit ihrem jüngst in Betrieb genommen Rechner in die Liste der 500 leistungsstärksten Computer der Welt zu katapultieren. Gerade 15 Gigaflops - 15 Milliarden Rechenoperationen pro Sekunde - fehlten für einen Platz in der Hitliste der Rechenknechte. Dennoch ist den Forschern ein Rekord sicher, denn ihr Parallelrechner kostete gerade rund 453.000 Mark und ist damit einer der kostengünstigsten Hochleistungscomputer überhaupt. Ein Grund hierfür ist der Aufbau aus handelsüblichen Komponenten. Der Supercomputer des Institutes für Physik an der Universität Magdeburg heißt "Tina", er misst in seiner Länge sechs Meter, wiegt insgesamt fünf Tonnen und verrichtet seinen Dienst in einem handelsüblichen Industrieschrank. Der Name steht indes nicht für seine Architektur oder ähnliche zusammengekürzte Informationen - hinter Tina verbirgt sich das Akronym «Tina is no acronym».

    "Im Beowulf-Projekt werden einfach handelsübliche PC's mit leistungsfähiger Netzwerktechnik zusammengeschlossen und mit entsprechender Software koordiniert betrieben", erläutert Alexander Schinner vom Institut für Physik an der Universität Magdeburg das Konzept. Sein Kollege Stephan Mertens geht tiefer in die Details von Tina: "Tina vereint 72 PC's mit jeweils zwei CPU's. Zu diesen insgesamt 144 CPU's kommen noch einmal vier Prozessoren, die in den zwei Servern stecken." Dabei sind die Einzelkomponenten durchaus nicht extravagant: Jeder Rechner verfügt über zwei Pentium III Prozessoren mit jeweils 800 Megahertz Taktfrequenz und einem Arbeitsspeicher von 512 MegaByte. Sehr viel außergewöhnlicher sind aber die Anwendungsprogramme, die die 144 Prozessoren dirigieren. "Weil das eigentliche Programm diese Aufgabe selbst weitgehend übernehmen soll, muss der Wissenschaftler, der hier ein Problem lösen will, über seine Programmierung zu einem guten Teil selber für die optimale Verteilung der Rechenkraft sorgen", so Mertens. Die Server starten dann die Software auf mehreren einzelnen Prozessoren und verwalten noch ungenutzte Einheiten für weitere Anwender.

    Die bestmögliche Ausnutzung aller Recheneinheiten ist ein grundsätzliches Problem parallelen Rechnens, das durch geschickte Programmierung zwar teilweise gelöst werden kann, doch bei genauem Hinsehen aber doch noch eine Menge ungelöster Fragen aufwirft. So ist beispielsweise eine optimale Kombination von Parallelität und Adaptivität noch immer nicht gewährleistet. Bei adaptiven Rechenoperationen verändert sich die Zuordnungen zu einzelnen CPU's dynamisch, etwa weil der Programmierer lokal Rechenschwerpunkte setzt. In der Praxis führt dies zu einer sich dynamisch ändernden Lastverteilung auf die einzelnen Prozessoren, was aber die Gesamtleistung des Rechtners reduziert. Ein Problem, mit dem Klimaforscher ständig kämpfen. Sind die CPU's gleichmäßig ausgelastet, verlieren sie nur noch wenig Leistung für die Kommunikation untereinander und können ihre digitalen Muskeln spielen lassen: Tina berechnete bei ihrem ersten Einsatz Bitsequenzen für physikalische Untersuchungen und lieferte sofort einen Weltrekord. Noch schneller wäre Tina mit einem Hochleistungsnetzwerk, worauf die Magdeburger Wissenschaftler aber aus Kostengründen verzichteten.

    Weiterhin reduzierten sie die Kosten, indem der gesamte Rechner nur über eine Festplatte verfügt. Dazu Stephan Mertens: "Der Vorteil liegt darin, dass die einzelnen Knoten weniger Strom verbrauchen, weniger Lärm erzeugen und auch weniger Fehlerquellen besitzen." Noch günstiger kam die Supercomputer-Eigenbauer das Betriebssystem: "Mit Linux erhalten wir nicht nur ein völlig kostenfreies Betriebssystem, sonder auch sämtliche Software, um paralleles Rechnen zu ermöglichen", erklärt Mertens. Während engagierte Programmierer weltweit Linux ständig aktualisieren oder neue Werkzeuge zum Nulltarif hinzufügen und Tina so immer weiter dazulernt, erlaubt die Hardwarearchitektur des Systems ein stetes Wachsen mit den Anforderungen. Dabei können einzelne Rechenknoten Stück für Stück mit neuen Komponenten aufgerüstet werden.