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Superhelden-Politik von frustrierender Schönheit

Große Filmstudios setzen gerne auf Bewährtes, das die Kinokassen füllt. Also schickt Regisseur James Mangold wieder den Superhelden "Wolverine" in den Kampf. Außerdem starten Robert Redfords Politthriller "Die Akte Grant" sowie der italienische Film "Die große Schönheit" von Paolo Sorrentino.

Von Jörg Albrecht | 24.07.2013
    "Was für eine Art Monster sind Sie nur? – Ich bin Wolverine."

    Für alle Nicht-Comic-Fans: Wolverine ist der Mann mit den Scherenhänden, der zur Mutanten-Truppe der "X-Men" gehört. Ein militärisches Experiment hat ihn unverwundbar gemacht und damit nahezu unsterblich. Statt sich nun aber darüber zu freuen, lässt die Aussicht auf ein ewiges, heroisches Leben Wolverine in eine Sinnkrise stürzen. Ein Einzelgänger ist er ohnehin schon lange. Das schreit fast nach einer Charakterstudie. Zumal der Titelheld auch noch mit den Geistern seiner Vergangenheit konfrontiert wird, als er zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg wieder japanischen Boden betritt.

    "Mein Auftraggeber wird sterben. Er möchte Dir danken, dass Du ihm das Leben gerettet hast vor so vielen Jahren. Es ist eine Ehre, Wolverine kennenzulernen. – Der bin ich nicht mehr."

    Es ist die Zerrissenheit des Hybriden aus Mensch und Monster, die Hugh Jackman zum wiederholten Male an der Rolle des Wolverine gereizt haben dürfte. Gut – der Gehaltsscheck dürfte ein noch dringlicheres Argument gewesen sein. Aber ein charismatischer Star – das hat schon Robert Downey Jr. als "Iron Man" bewiesen – kann selbst eindimensionale Comicverfilmungen aufwerten. Natürlich ist "Wolverine: Weg des Kriegers" keine subtile Charakterstudie geworden. Aber es ist auch nicht das x-te seelenlose und laute Actionspektakel. Zumindest nicht nur.

    "Wolverine: Weg des Kriegers": Akzeptabel.

    "Keine Bewegung! Die Hände hoch! Sharon Solarz, Sie sind verhaftet wegen Mordes an Hugh Crosney. Sie haben das Recht die Aussage zu verweigern."

    30 Jahre liegt dieser Mord zurück, den Sharon Solarz begangen haben soll. Sie ist Mitglied der Weathermen gewesen, jener linksextremen Untergrundorganisation in den USA, die von Ende der 1960er- bis Mitte der Siebziger Jahre Anschläge auf staatliche Behörden verübt hat. Die Verhaftung von Sharon Solarz könnte nur der Anfang sein. Das jedenfalls befürchtet der von Robert Redford gespielte Anwalt Jim Grant. Er war ebenfalls bei den Weathermen aktiv und hat sich unter falscher Identität eine neue Existenz aufgebaut. Grant gerät nicht nur ins Visier des FBI. Auch ein ehrgeiziger Journalist wittert die Story seines Lebens.

    "Sie sympathisieren mit deren Sache, deren Vorgehensweise? – Anscheinend haben Sie sich irgendwas zurechtgelegt. Ich habe aber keine Zeit für den Blödsinn. – Das ist gar nicht so. Mir sind beide Seiten egal. – Und das macht Sie fair und unparteiisch? Ist schon komisch. Vor 30 Jahren wäre ein kluger Kopf wie Du vermutlich selbst in der Bewegung aktiv gewesen."

    Dass Robert Redford, der hier auch Regie führt, aus dem Stoff keinen atemlosen Thriller gemacht hat, verwundert nicht. Dass er aber mit seiner ambitionierten Geschichte über ehemalige politische Aktivisten kaum zu fesseln weiß, überrascht dagegen schon. So viele spannende Themen hätte "The Company You Keep – Die Akte Grant" geboten: Vom Wandel der Wertvorstellungen und politischen Überzeugungen, vom Weg in die Bürgerlichkeit und Verleugnen der eigenen Identität bis hin zu Gewissensfragen und der ständigen Angst enttarnt zu werden. Doch all das verwässert Redford in einem lahmen, mit viel zu vielen Charakteren vollgestopften Film. Was hätten wohl Sydney Pollack oder Alan J. Pakula, die mit Redford die Politthriller-Meilensteine "Die drei Tage des Condor" und "Die Unbestechlichen" gedreht haben, aus diesem Stoff gemacht?

    "The Company You Keep – Die Akte Grant": Enttäuschend.

    "Als ich nach Rom kam mit 26 Jahren, stürzte ich mich ziemlich schnell ... in das, was man den Sog der mondänen Welt nennen könnte. Ich wollte jedoch nicht einfach nur mondän sein. ... Ich wollte der König der mondänen Welt sein. Und es ist mir auch gelungen."

    Jep Gambardella hat es geschafft. Als König der mondänen Welt ist er nicht nur mit dabei, wenn sich die römische Gesellschaft selbst feiert. Er, der auf die 65 zugeht, habe sogar die Macht, so gesteht Jep genüsslich, jede Party sprengen zu können. Doch nach 40 Jahren Dolce Vita und zelebrierter Dekadenz ist der Journalist gelangweilt und findet offene Worte für den Lebensstil der Reichen und Schönen.

    "Das sind Deine Lügen und deine Verletzlichkeiten. Stefania, Frau und Mutter, Du bist 53 Jahre alt und hast ein kaputtes Leben. Wie wir alle."

    Hier spricht nicht nur der Zyniker. Jep, der von Tony Servillo gespielt wird, ist auch ein Desillusionierter. Das Fazit eines nicht ewigen Lebens in der Ewigen Stadt fällt ernüchternd aus. Solche Selbstbespiegelungen sind oft schon Stoff für Dramen, Komödien und gern auch beides in einem gewesen. Der italienische Filmemacher Paolo Sorrentino ist weder an dem einen noch an dem anderen und erst gar nicht an der dritten Variante interessiert. Sein "La Grande Bellezza – Die große Schönheit" ist eine kunstvoll arrangierte Bilderfolge, die das Leben des Jep Gambardella Leben lose skizziert und hin wieder hübsche kleine Spitzen zur italienischen Gegenwart setzt. Ein mäandernder, existenzialistischer Trip mit Anklängen an Fellini – anfangs hypnotisch, später anstrengend und am Ende – nach 140 Minuten – nur noch frustrierend.

    "La Grande Bellezza – Die große Schönheit": Zwiespältig.