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Supernova glüht im Titan-Licht

Astronomie. - Gestern vor zehn Jahren ist der Esa-Satellit Integral ins All gestartet. Integral beobachtet das Geschehen im Kosmos bei höchsten Energien. Europas Weltraumorganisation feiert das Jubiläum mit einer einwöchigen Tagung in Paris. Zeitlich passend stellen heute Integral-Forscher Beobachtungen einer berühmten Supernova in der Fachzeitschrift "Nature" vor.

Von Dirk Lorenzen | 18.10.2012
    Sterne, die mehr als zehnmal so schwer sind wie unsere Sonne, beenden ihr Dasein in einer gewaltigen Supernova. Die Astronomen registrieren jedes Jahr Hunderte solcher Explosionen in den Tiefen des Alls – doch nur alle paar 100 Jahre findet so ein Ereignis vor unserer Haustür statt. Dann lassen sich die Explosion und später die auseinander fliegenden Überreste genau untersuchen. Die wissenschaftliche Karriere von Sergei Grebenev, Astrophysiker am Institut für Weltraumforschung in Moskau, ist mit der letzten sehr nahen Explosion untrennbar verbunden:

    "Kurz nach dem Aufleuchten der Supernova 1987A vor 25 Jahren habe ich meine Doktorarbeit über dieses Objekt geschrieben. Damals habe ich modelliert, wie sich die Überreste der Explosion entwickeln und welche radioaktiven Elemente dort vorkommen – anfangs viel Kobalt, später vor allem Titan. Jetzt haben wir in der Explosionswolke tatsächlich Titan-44 entdeckt. Es prägt die Supernova seit 20 Jahren."

    Ein Stern explodiert als Supernova, wenn in seinem Innern der Brennstoff verbraucht ist. Für einige Tage überstrahlt der sterbende Riesenstern ganze Galaxien. Doch auch Jahrzehnte später leuchten die Supernova-Überreste noch. Die entscheidende Energiequelle ist dann der Zerfall großer Mengen radioaktiver Elemente, die während der Explosion entstanden sind, erklärt Sergei Grebenev.

    "Wir nutzen den Integral-Satelliten der Europäischen Weltraumorganisation Esa. Er beobachtet das Universum im Bereich der energiereichen Gamma- und Röntgenstrahlung. Wenn das Titan zerfällt, leuchtet es charakteristisch im harten Röntgenlicht. Das haben wir jetzt gesehen – allerdings mussten wir Integral für fünf Millionen Sekunden auf diese Stelle am Himmel richten."

    Integral kreist auf einer stark elliptischen Bahn, die fast bis zum Mond reicht, in drei Tagen einmal um die Erde. Tages- und Nachtrhythmen spielen im Gamma- und Röntgenbereich keine Rolle – die Astronomen messen hier die Beobachtungsdauer traditionell in Tausenden oder Millionen von Sekunden. Integral hat also fast zwei Monate lang auf die Überreste der Supernova gestarrt, um das direkte Leuchten des Titans zu erfassen. Die Daten zeigen, dass dort Titan in einer Menge vorkommt, die 100 Mal größer ist als die Masse unserer Erde.

    "Diese Titan-Menge ist an der oberen Grenze dessen, was noch zu den Modellen einer Supernova passt. Dieser Befund hilft uns, die Theorie zu verbessern. Er ist auch ein weiteres Indiz dafür, dass die Explosion einer Supernova nicht schön kugelförmig in alle Richtungen abläuft, sondern sehr asymmetrisch. Wir sehen jetzt, dass die Natur viel komplizierter ist als bisher angenommen."

    Die Supernova 1987A ist erst das zweite Objekt, bei dem sich die Titan-Strahlung nachweisen lässt. So eine Messung ist ein ganz wichtiger Baustein, um genauer zu verstehen, welche Stoffe in welchen Mengen bei einer Supernova entstehen. Diese Explosionen sind für uns sehr wichtig, haben sie doch alle schweren Elemente produziert, ohne die es heute keine Erde und kein Leben gäbe. Das jetzt von Integral beobachtete radioaktive Titan zerfällt allmählich zu Calcium – auch das Calcium in unseren Knochen hat zum Teil einst als Titan in einer Supernova geleuchtet.