Samstag, 27. April 2024

Verkehrspolitik
Darum stehen SUVs in der Kritik

In Paris werden die Parkgebühren für SUVs verdreifacht. Damit soll die Zahl der Stadtgeländewagen reduziert werden. Doch warum werden die Fahrzeuge eigentlich kritisiert? Und welche Maßnahmen gegen sie sind in anderen Ländern im Gespräch?

05.02.2024
    Ein SUV fährt auf der Straße vor dem Centre Pompidou in Paris entlang.
    Paris stimmt über besonders hohe Parkgebühren für SUVs ab. (AFP / DIMITAR DILKOFF)
    Paris macht Ernst im Kampf gegen SUVs: Nach einer Bürgerbefragung werden die Parkgebühren für die Stadtgeländewagen verdreifacht. Eine knappe Mehrheit stimmte für die Erhöhung, die ab September greift. Auch in anderen Städten der Welt werden Maßnahmen gegen die XXL-Fahrzeuge diskutiert.

    Inhalt

    Was genau ist ein SUV?

    Unter dem Begriff „SUV“ (die Abkürzung steht für „Sports Utility Vehicle“) versteht man Autos, deren Form an Geländewagen erinnert, die aber den Komfort einer Limousine bieten sollen. Ob ein SUV tatsächlich geländetauglich ist, hängt nicht zuletzt vom jeweiligen Modell ab.
    Als „Geländewagen“ darf ein Fahrzeug laut ADAC erst bezeichnet werden, wenn es bestimmte Mindestanforderungen bei Kriterien wie der Steigfähigkeit am Berg oder der Bodenfreiheit unter und zwischen den Achsen erfüllt.

    Wie verbreitet sind SUVs?

    Insgesamt stark und zunehmend. Der Internationalen Energieagentur zufolge war – global betrachtet – fast jeder zweite Neuwagen im Jahr 2022 ein SUV. Auch in Deutschland fallen die meisten neuen Autos in dieses Segment.
    Nach Angaben des Kraftfahrtbundesamtes hatten SUVs im Jahr 2023 einen Anteil von etwa 30 Prozent bei den Neuzulassungen.
    Das Diagramm zeigt die Verteilung der Neuzulassungen von Pkw in Deutschland im Jahr 2023 – unterteilt nach Fahrzeug-Segmenten.
    Das Diagramm zeigt die Verteilung der Neuzulassungen von Pkw in Deutschland im Jahr 2023 – unterteilt nach Fahrzeug-Segmenten. (Kraftfahrt-Bundesamt (statista))

    Warum werden SUVs so häufig gekauft?

    Mehrere Faktoren dürften hier eine Rolle spielen:
    Platz: Nicht nur der Kofferraum von SUVs bietet ein höheres Fassungsvermögen als das der meisten anderen Autos – verhältnismäßig viel Platz und Beinfreiheit gibt es meist auch in der Fahrgastzelle.

    Erhöhte Fahrersicht: Die Sitzposition von Fahrerin oder Fahrer ist höher als die vieler anderer Verkehrsteilnehmer. Besitzer von SUVs loben deswegen gerne einen verbesserten Gesamtüberblick der Verkehrssituation. Auch das Einsteigen empfinden manche Menschen als angenehmer.
    Laut einer Untersuchung für den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft verletzen sich bei einer starken Kollision zwischen herkömmlichem Pkw und SUV die SUV-Fahrer außerdem seltener und weniger schwer als die Fahrer der anderen Pkw-Arten. Für die Fahrer der wuchtigen Wagen wird es im Straßenverkehr sicherer. Für ihre Unfallgegner sieht das bei einem Zusammenstoß brenzliger aus.

    Warum stehen SUVs in der Kritik?

    Größe: Manche SUV-Modelle sind breiter und länger als die vorgesehenen Parkbuchten. „Viele Menschen in Basel ärgern sich über die immer größeren Autos, die ohne Not die Straßen versperren und die über Parkfelder hinausragen“, sagt der Schweizer Regionalpolitiker Jean-Luc Perret. In seiner Heimat Bern soll es bald eine SUV-Steuer geben.
    Treibstoffverbrauch und Emissionen: Im Schnitt verbrauchen SUVs 20 Prozent mehr Treibstoff als herkömmliche Autos. Weltweit "stoßen die 330 Millionen SUVs, die heute auf den Straßen unterwegs sind, fast eine Milliarde Tonnen CO2 aus", hat die Internationale Energieagentur (IEA) in einer Studie ermittelt. Das ist ungefähr so viel wie der CO2-Ausstoß von Großbritannien und Deutschland zusammen.
    Gefährliche Unfallgegner: Bei einem Crash mit einem SUV besteht für Personen in einem herkömmlichen Auto ein höheres Risiko, sich schwer oder sogar tödlich zu verletzen, als wenn sie mit einem ähnlich großen Auto zusammengeprallt wären.

    Welche Maßnahmen gegen SUVs sind im Gespräch?

    Paris: Höhere Parkgebühren

    Parkgebühren in Höhe von 18 Euro pro Stunde – darauf müssen sich ab dem 1. September 2024 Besucher einstellen, die mit SUVs in die französische Hauptstadt fahren. Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo hatte die Pariser über die Verdreifachung der Parkpreise für diese Fahrzeugkategorie abstimmen lassen. Ergebnis: Eine knappe Mehrheit sprach sich für die Verdreifachung der Gebühren von sechs auf 18 Euro pro Stunde aus. In den Außenbezirken werden zwölf statt vier Euro fällig. Sechs Stunden Parken im Zentrum sollen gar 225 statt bislang 75 Euro kosten. 
    In einem Video auf ihrem Instagram-Kanal hatte die Politikerin SUVs als zu schädlich für Umwelt und Gesundheit angeprangert. „Und sie verursachen mehr Unfälle als ein normales Auto“, sagte sie.

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    Im Vorfeld der Abstimmung gab es durchaus auch Kritik an Hidalgos Verkehrspolitik.
    „Da werden nur Menschen abstimmen, die nicht betroffen sind“, sagte Pierre Chasseray von einem Autofahrerverband. Denn nur die Pariser durften abstimmen. Pendler, die in die Stadt hineinfahren und eventuell auf einen Wagen angewiesen sind, aber nicht. Ein moderner SUV oder Geländewagen sei nicht umweltschädlicher als ein kleines altes Dieselauto, sagte Chasseray außerdem.
    Die Opposition im Stadtrat warf der Bürgermeisterin vor, nicht weit genug zu gehen. „Wenn es wirklich darum geht, die Umweltverschmutzung zu verringern, dann sollte grundsätzlich zwischen Verbrenner- und E-Autos unterschieden werden“, sagte Maud Gatel von der Partei MoDem.
    Hidalgo hatte seit Beginn ihrer Amtszeit die Seine-Ufer für den Autoverkehr sperren lassen und zahlreiche verkehrsberuhigte Zonen eingerichtet. Jeweils am ersten Sonntag des Monats ist die mehrspurige Prachtstraße Champs-Elysées autofrei.

    Hannover und Tübingen: Parkgebühren und in Zukunft eine autofreie Innenstadt

    Auch Belit Onay, Oberbürgermeister von Hannover, hat sich dafür ausgesprochen, Parkgebühren für SUVs zu erhöhen – gestaffelt nach der Länge der Fahrzeuge. Schließlich halte der Trend zu immer mehr und immer schwereren Autos an, sagte der Grünen-Politiker dem „Tagesspiegel“.
    Bis 2030 möchte der Oberbürgermeister die Innenstadt Hannovers dann überwiegend autofrei machen.
    Gewissermaßen deutscher Vorreiter bei SUV-Sanktionen ist Tübingen. Die Stadt in Baden-Württemberg hatte bereits 2021 eine drastische Erhöhung der Parkgebühren beschlossen - und dabei Fahrer von großen Wagen extra zur Kasse gebeten.

    Basel: Höhere Besteuerung

    Auch der Schweizer Kanton Basel-Stadt macht ernst mit einer Geländewagensteuer. Initiator ist der Grünen-Politiker Raphael Fuhrer. In seinen Augen widersprechen die wuchtigen Gefährte den Zielen des Kantons, klimaneutral zu werden. Außerdem wolle man den öffentlichen Raum auch für andere Fortbewegungsarten oder den Aufenthalt und die Begrünung nutzen.
    In einer Eingabe an das Kantonsparlament forderte Fuhrer eine höhere Besteuerung für SUVs. Gewerbetreibende, die von Berufs wegen auf größere Autos angewiesen sind, bleiben aber von der neuen Steuer ausgenommen. Auch Elektro-SUVs sollen, so Fuhrer, nicht so stark besteuert werden wie Verbrenner-SUVs, aber stärker als kleinere Elektroautos.
    Die erste Hürde zur Einführung ist genommen: Im Großen Rat, dem Kantonsparlament von Basel-Stadt, erhielt die Eingabe eine Mehrheit.

    Washington: Erhöhte Anmeldegebühren

    Auch die US-Hauptstadt bittet die Fahrer der XXL-Wagen stärker zur Kasse. Im Oktober 2023 wurden in Washington die Anmeldegebühren für Autos erhöht, die mehr als 2,7 Tonnen wiegen – um das Siebenfache.

    JMA