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SWR gegen Daimler vor Gericht
Manipulation oder Dokumente des Missstandes?

Ein Journalist recherchiert über Dumping-Löhne in der deutschen Industrie, er arbeitet und filmt undercover in einem Daimler-Werk. Für den SWR war der Film "Hungerlohn am Fließband" ein Erfolg - Daimler versucht, dagegen vorzugehen. Das Oberlandesgericht Stuttgart stärkt dem SWR nun den Rücken.

Von Michael Brandt |
    Es geht bei diesem Rechtsstreit in Stuttgart längst nicht mehr nur um die Sache. Sondern es geht ums Prinzip. SWR Sprecher Wolfgang Utz sagte nach dem Urteil der Vorinstanz, der Konflikt sei von
    "großer Bedeutung auch für die Rundfunkfreiheit, denn es sagt a letztendlich, die Rundfunk-, Pressefreiheit endet nicht an Werkstoren."
    Und Daimler Unternehmenssprecher Jörg Howe will klargestellt haben, dass es so nicht geht. Dass auch der Autobauer Anspruch auf Schutz der sogenannten Unternehmenspersönlichkeit hat, in deren Rechte durch den Dreh mit versteckter Kamera eingegriffen wurde.
    "Ich glaube es ist für viele Unternehmen wichtig dass nicht einfach illegal irgendjemand auf das Unternehmensgelände kommt und etwas dreht und dann behauptet, dass etwas zustande gekommen sei."
    Und weil die Positionen so unterschiedlich sind, spricht nun einiges dafür, dass die Sache am Ende vor dem Bundesgerichtshof und gegebenenfalls auch vor dem Bundesverfassungsgericht landet.
    In der Verhandlung hatte der Vorsitzende des OLG-Senats Matthias Haag einerseits erkennen lassen, dass sein Senat die Unterlassungsklage von Daimler voraussichtlich zurückzuweisen werde. Dass es aber eine ausgesprochen knappe Entscheidung würde.
    Andererseits schrieb er dem SWR einige sehr deutliche Sätze ins Stammbuch. Erstens, so OLG-Sprecher Stefan Schüler:
    "Der Senat hat die auf dem Werksgelände gemachten Filmaufnahmen als illegal eingestuft."
    Zweitens seien die Aufnahmen aus dem Werk, die am Ende in der ARD gezeigt wurden, - so wörtlich – belanglos. Nach dem sogenannten Wallraff-Urteil des Bundesverfassungsgerichts stehe aber fest, dass ein Eingriff wie das Filmen mit versteckter Kamera nur dann als nicht rechtswidrig durchgehen könne, wenn eine von zwei Bedingungen erfüllt sind.
    Ausnahmsweise sind solche illegalen Aufnahmen zulässig wenn rechtswidriges Verhalten offenbart wird, und die zweite mögliche Ausnahme: wenn Missstände von erheblichem Gewicht offenbart werden.
    Legal qua Werkvertrag
    Rechtswidrig, so das Gericht, so das Verhalten des Daimler nicht, denn die gezeigte Beschäftigung qua Werkvertrag sei legal.
    Also müsse mit dem Film ein erheblicher Missstand aufgezeigt werden und das ist nun eine zentrale Frage in dem Rechtsstreit. Ist die Tatsache, dass Daimler 2013 das Verpacken von Zylinderköpfen, also eine Handlangertätigkeit in der Motorenherstellung ausgliederte und per Werkvertrag an ein Logistikunternehmen vergab, ein Missstand, bzw. ein erheblicher Missstand?
    Und die zweite große Frage heißt: Warum die Filmsequenzen überhaupt nötig, um diesen Missstand aufzuzeigen, denn am Ende zeigen sie ja nur das Verpacken von Zylinderköpfen.
    Und vor allem hier sind die Positionen der Beteiligten weit auseinander. Daimler Sprecher Howe sagt:
    "Im Text wird etwas behauptet, was ich Bild gar nicht sehen kann. Und ich glaube insgesamt, dass der Beitrag manipulativ ist."
    Der SWR weist den Vorwurf der manipulativen Berichterstattung empört zurück und sagt, ohne die Bilder hätte der Film nicht funktioniert. Und daran, dass es bei den Werksverträgen um einen erheblichen Missstand gehe, hat der Sender ohnehin keinen Zweifel, das zeige allein die politische Diskussion in der Folge des Films.
    Das Gericht war in der Verhandlung deutlich zurückhaltend bei der Frage, ob die illegal aufgenommen Bilder nun nötig waren oder nicht. Eher ja, sagte Berichterstatter Ralf Klier am Ende, die Bilder seien keine reine Illustration, sondern hätten - Zitat - schon Elemente des Missstands deutlich gemacht.
    Und an dieser Stelle zeigt sich, dass vielleicht tatsächlich noch rechtlicher Klärungsbedarf besteht. Das derzeit maßgebliche Wallraff-Urteil des Bundesverfassungsgerichts sagt nichts über bewegte Bilder. Aber das Filmen mit versteckter Kamera gehört inzwischen fast zum Standard in tatsächlich oder angeblich investigativen Fernsehformaten.
    Insofern hätte es, auch wenn der aktuelle Fall am Ende ziemlich klar ist, vielleicht doch etwas Gutes, wenn am Ende in Karlsruhe entschieden wird.
    Das OLG Stuttgart hat dem SWR und Daimler eine letzte Frist zur Einigung gegeben, wenn nicht will der Senat seine Entscheidung am 8. Juli verkünden.