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SXSW 2016 in Texas
Roboter und jede Menge Konzerte

Die SXSW Musik- und Technikmesse im texanischen Austin feiert 30. Jubiläum. Sie ist so wichtig, dass auch Präsident Barack Obama zu Besuch kam. Ein Trend in diesem Jahr: Roboter. Außerdem gab es natürlich auch wieder jede Menge Musik - auf über 2.000 Konzerten.

Von Florian Schairer | 21.03.2016
    Menschen stehen vor einem Stand auf der Konferenz South by Southwest in Austin. Darüber hängt ein Transparent mit der Aufschrift SXSW.
    Stand auf der SXSW in Austin. (Deutschlandradio / Marcus Schuler)
    "I like to read, listen to read, whatch a movie, go on a bike ride, hike in the mountains and walk in the garden. A bicyle is an acoustic version of a motorcycle."
    Der androide Roboter von Hiroshi Ishiguro von der Universität Osaka sitzt an einem Tisch, man kann sich mit ihm unterhalten und mit seinem beweglichen Gummigesicht sieht er wirklich aus wie ein Mensch, eigentlich genauso wie sein Erbauer.
    Auf dem South By Southwest, dem großen interdisziplinären Kultur- und Zukunftsfestival, waren im Vorjahr Wearables, Fitnesstracker und die Apple Watch das große Ding. In diesem Jahr sind es Roboter. Auch, wenn manche gar nicht sofort als solche zu erkennen sind – sie sind längst unter uns sagt Wendy Ju, Professorin an der Stanford University:
    "Für mich ist auch das selbstfahrende Auto ein Roboter. Man kann sich halt reinsetzen. Das Zeitalter der Roboter hat längst begonnen, die Menschen haben es nur noch nicht gemerkt, weil die Roboter in allen möglichen Formen kommen. Aber wir müssen uns jetzt wirklich mit ihnen beschäftigen. Wie interagieren wir mit ihnen? Woher können wir wissen, was sie als Nächstes tun?"
    Roboter mischen sich unter die Menschen
    In der Industrie gibt es schon lange Roboter, doch nun mischen sie sich unter die Menschen. Und das führt zu Konflikten.
    "Die Leute, die Roboter entwickeln, wissen von menschlicher Interaktion und sozialen Regeln oft zu wenig. Zum einen müssen Roboter Menschen verstehen lernen. Wenn man ein selbstfahrendes Auto hat, muss das nicht nur die Verkehrsregeln beherrschen, sondern auch Menschen auf der Straße einschätzen können: Wird der Menschen sich jetzt gleich bewegen und so weiter."
    Der Roboter muss signalisieren, was er als Nächstes tut, nur dann werden wir Menschen ihnen vertrauen. Ausgestattet mit künstlicher Intelligenz, träumt man von einer paradiesischen Zukunft in der Pepper, der Hausroboter von IBM, uns das Bier an die Couch bringt, während der Software Assistent Viv, den der Siri-Erfinder Dag Kittlaus gerade entwickelt, der perfekte Diener wird, weil er alles über uns weiß: Welchen Mietwagen oder welche Flugrouten wir bevorzugen, zu dem man nur sagen muss, bestell mir meine Lieblingspizza.
    Dabei werden natürlich riesige Mengen Daten gesammelt und verarbeitet. Aber was, wenn die Krankenkasse mitkriegt, wie viel Bier uns Pepper Abends so vorbei robotert? Solche Spitzfindigkeiten werden auf der SXSW als kleines Softwareproblem vom Tisch gewischt. Zumindest die Amerikaner geben sich auf dem Festival fast schon zwanghaft optimistisch. Aber zwischen all den abgehobenen Zukunftsgurus gibt es auch immer wieder Menschen, die im Hier und Jetzt wirklich etwas bewegen wollen:
    "Wir geben unterdrückten Menschen die Möglichkeit, zu dokumentieren, was passiert. Um ihnen eine Stimme zu geben. Wir bauen dafür technische Geräte und geben ihnen auch Sicherheitstrainings. Dann überprüfen wir die von ihnen gesammelten Aufnahmen und schauen, dass sie dort landen, wo sie wirklich was bewirken können."
    Oren Yakobovich kommt aus Israel. Seine NGO "Videre est Credere" stattet Aktivisten auf der ganzen Welt mit versteckten Kameras und anderen Überwachungsinstrumenten aus, um Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren. In vielen Ländern der Erde, in denen Menschen ermordet, gefoltert und vergewaltigt werden, geht das nur im Geheimen.
    "Klar, um etwas zu erreichen, muss man bereit sein, ein Risiko auf sich zu nehmen. Und ich habe sehr viele sehr mutige Menschen kennengelernt. An den dunkelsten Orten der Welt gibt es Menschen, die versuchen das Böse um sie herum zu bekämpfen."
    Jede Menge Musik auf 100 Bühnen
    Zur Wochenmitte verändert sich Austin plötzlich radikal: Die Laptoptaschen und Smartphone-Zombies verlassen die Stadt und machen Platz für Gitarrenkoffer und ausgefallene Outfits – die SX Music hat begonnen. Viele tausend Musiker strömen in die Stadt, in nur fünf Tagen spielen sie rund 2.000 Konzerte auf mehr als 100 Bühnen. Mit dabei: alte Haudegen wie Willie Nelson und 12-jährige Nachwuchsrapper, die auf der 6th-Street - der Partymeile im Herzen der Stadt - für den Hut spielen.
    Auf den Fachtagungen zur Zukunft der Musikindustrie ist vom Optimismus der Internetunternehmer nichts mehr zu spüren. Dass man von Musikaufnahmen nicht mehr leben kann, daran haben auch die kostenpflichtigen Streamingdienste nichts geändert. Die Diskussionsrunden laufen ins Leere. Da passt irgendwie der Titel von Iggy Pops Album "Post Pop Depression" ganz gut. Zusammen mit Josh Homme von den Queens of the Stone Age spielt er in Austin ein fulminantes Konzert. Sprung ins Publikum inklusive. Das soll ihm mit 68 erst mal einer nachmachen.
    - "Iggy hat gemeint, das könnte vielleicht das letzte Album seines Lebens sein. Wir sind also nicht alleine mit unserer Post Pop Depression."
    - Iggy: "Buhuu – no more Iggy!"
    Alles zum Heulen also? Keineswegs, denn die SX Music hat immer ihre magischen Momente: Wenn der neuseeländische Folk Elvis mit seiner unglaublich eingespielten Band in der Presbyterian Church einen Ghospel-Gottesdienst abfeiert, der die Zuhörer von den Bänken reist oder die drei israelischen Schwestern von A-Wa vor texanischen Rednecks, schwarzen R'n'B-Sängerinnen und chilenischen Rockern mit jemenitischen Chants eine Post-Balkan-Beatbox Party abhalten, dann ist einem Zukunft auch egal. Das Hier und Jetzt ist schon ganz gut.