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"Symbol des Bösen"

Die Gefühle nach der Tötung des Top-Terroristen gehen durcheinander, berichtet der Schriftsteller Stephan Wackwitz aus New York. Neben den Triumphgesten sei die Angst vor Vergeltung sichtbar - und die Traumata von 9/11 kämen wieder hoch.

Stephan Wackwitz im Gespräch mit Doris Schäfer-Noske | 02.05.2011
    Doris Schäfer-Noske: Frage an Stephan Wackwitz, Schriftsteller und Programmleiter des Goethe-Instituts in New York: Herr Wackwitz, was bedeutet denn bin Ladens Tod für die Amerikaner, das Ende des Traumas vom 11. September?

    Stephan Wackwitz: Ich glaube, es bedeutet zunächst mal das, was Obama eben auch gesagt hat, dass der Gerechtigkeit oder einem gewissen Gerechtigkeitsgefühl Genüge getan worden ist. Wenn man was gegen die USA unternimmt, dann wird das auf lange Sicht einem nicht gut bekommen. Es ist eine Art Triumphgefühl, in das sich aber auch nachdenkliche Töne mischen. Also es gibt auch Leute, die sagen, ich kann das nicht toll finden, dass noch jemand gestorben ist, auch wenn das Osama bin Laden ist. Das geht alles sehr stark durcheinander.

    Man kann aber sagen, dass es zeigt, wie stark nach zehn Jahren das Trauma von 9/11 eigentlich noch hier in den USA und vor allem eigentlich in New York verankert ist. Es gab heute Morgen um sechs Uhr in bestimmten Fernsehkanälen Warnungen, dass heute ein Vergeltungsanschlag in New York zu erwarten sei. Da hat man dann später am Tag nichts mehr davon gehört. Es ist aber trotzdem so gewesen, dass heute die U-Bahnen erstaunlich leer waren. Es ist auch Angst dabei.

    Schäfer-Noske: Also es ist schon dieses Bewusstsein, die Terrorgefahr ist damit nicht gebannt. – Inwieweit ist denn der Tod auch ein Tod einer Ikone?

    Wackwitz: So eine Art Symbol des Bösen. Dass der Tod Osama bin Ladens so was Ähnliches ist wie der Tod Stalins oder Hitlers, das erklärt sozusagen die Erleichterungs- oder auch Triumphgefühle. Gleichzeitig ist es aber auch so, dass die ganzen Traumata hochkommen. Ich habe heute Morgen im Fernsehen einen Firefighter gesehen, der sagte, ich habe Kollegen, die sind an drei verschiedenen Formen von Krebs gestorben, nachdem sie da bei den Aufräumarbeiten diesen ganzen Staub eingeatmet haben. Und alles das kommt hoch. Die Angst kommt hoch, es kommen eigentlich diese traumatischen Erlebnisse hoch, die, glaube ich, Amerika viel, viel stärker geprägt haben, und eigentlich ein traurigeres und ein vorsichtigeres Land gemacht haben, als es wahrscheinlich vorher war.

    Schäfer-Noske: In den USA haben sich ja bisher an Präsident Obama die Geister geschieden. Jetzt nach dem Tod bin Ladens sind alle im Freudentaumel, oder zumindest der große Teil der amerikanischen Nation. Hat jetzt die Stunde der Patrioten geschlagen?

    Wackwitz: Also die Stunde der Patrioten schlägt in den USA eigentlich immer. Insofern ist das eigentlich nichts Neues und es ist auch nichts Neues, dass Obama hier mit chirurgischen Einzelschlägen das zu erreichen versucht, was George W. Bush durch richtige Kriege versucht hat zu erreichen. Und insofern passt das eigentlich in eine Strategie von Obama, die vielleicht weniger große Fanfaren und Kriegsgeschrei verursacht, aber eben offensichtlich auch mehr Erfolg hat als Dinge, die wir bisher gesehen haben.

    Schäfer-Noske: Ist denn Präsident Obama jetzt der amerikanische Held, also ein Mann, der Böses besiegt, ohne lange zu fackeln?

    Wackwitz: Ich glaube, diese Rolle ist Obama, der ein unglaublich reflektierter und unglaublich intellektueller und intelligenter Stratege ist, nicht wirklich auf den Leib geschneidert, und ich glaube, dass er da auch nicht Interesse dran hätte, so gesehen zu werden. Ich glaube, wir starren auch so ein bisschen sehr auf die Tea Party-Bewegung und auf diese irgendwo auch so ein bisschen irren Auswüchse, wie sie Glenn Beck im Fernsehen und so inszeniert. Ich glaube, die Amerikaner wissen vielleicht ganz gut, was sie an Obama haben, und gerade solche Nachrichten wie die, die wir gestern Nacht gehört haben, die werden sie davon auch überzeugen, dass sie eigentlich einen super Präsidenten haben.