Stürmer: Ein solcher Bildersturm ist natürlich spontan und inszeniert. Das ist offenkundig die neueste Statue gewesen, die noch aus dem Jahr 2002 stammt. Dies ist eine gigantische Statue. Das sieht man ja auch an dem Bild, das um die Welt herum gegangen ist. Ein relativ kleiner GI knüpft da gerade das riesige Seil um den Hals des Saddam Hussein, der dann geruckt, halb umgestürzt wird und schließlich ganz zusammenfällt. Es ist eine symbolische Hinrichtung. Das ist völlig klar. Solche Dinge geschehen auch spontan, auch das wurde gezeigt. Wieweit die Bilder, die wir sehen, spontan sind, ist beim Fernsehen noch schwieriger zu sagen als beim Hörfunk. Hier sah es schon nach einer Inszenierung aus, was ja auch wichtig ist. Die arabische Welt denkt und spricht vielmehr als wir Westler in Bildern. Saddam Hussein war ja eine grausame Ikone, die überall war. Er beinhaltete ja auch ein Big-Brother-Element, weil er alles hörte und alles sah. Er ist gigantisch groß und bedroht die Menschen Tag und Nacht. Dieses Gefühl ist ja auch von vielen Irakern ausgedrückt worden. Es sind ja Hunderttausende bis Millionen ins Exil gegangen. Dieses nun mit aller Gewalt zu zerschmettern, sichtbar vor den Kameras der Welt, ist in der Tat eine symbolische Hinrichtung.
Purk: Wer das vor dem Fernseher verfolgt hat, hat zunächst einmal eine etwas unklare Situation gesehen. Es war nämlich nicht ganz klar, wer da eigentlich stürzt. Waren das jetzt die GIs oder die Irakis selbst?
Stürmer: Am Ende war es wohl ein Panzer, denn diese Statue war außerordentlich schwer verankert. Das sah man ja. Es waren zwei Eisenträger und darüber war diese ganze Bronzestatue gestülpt. Das war so gigantisch. Die Statue konnte nicht von ein paar Männern mit dem Tau heruntergezogen werden. Dazu brauchte es schon ganz andere Kräfte. Da ist dann ein Tank dazugekommen. Sie haben es vielleicht auch gesehen. In den Farbfotos jedenfalls sah man das deutlich. Um den Hals wurde der Statue eine amerikanische Flagge gebunden, so als wäre es eine Krawatte. Ob das nun sehr sinnvoll und geschmackvoll war, darüber wird noch lange gestritten werden. Die amerikanischen Truppen hatten ja eigentlich Anweisung, keine Fahnen zu zeigen. Hier haben Sie wiederum die hohe Symbolik, die aussagt: 'Wir kommen hier nicht als Eroberer, sondern als Befreier. Dann zeigt man nur ganz bescheidene Flaggen, und vielleicht nicht in einem solchen Moment.
Purk: Gibt es eigentlich eine Tradition, solche Ikonen zu stürzen. Steht das Ganze dann auch in einer Bildergeschichte, die auch im arabischen Raum bekannt ist?
Stürmer: Ja, natürlich gibt es eine solche Tradition. Solange es Bilder gibt, wird das auch gemacht. Die arabische Welt hat ja eigentlich keine Bilder. Es gibt ein Bilderverbot. Das ist wie bei den Juden. Saddam ist ein weltliches Regime. Das ist etwas ganz anderes als ein islamistisches Regime. Er hat mit dem Heiligen Krieg gespielt, aber das war nicht genuin. Er wählt dieses Regime und daher waren diese Bilder ja sowieso schon für einen guten Muslim eine Ketzerei. Trotzdem steht er in einer großen Tradition. Nehmen Sie die Figuren von Notre Dame. Die können Sie heute im Museum, soweit sie wieder ausgegraben worden sind, sehen. Diese sind 1792 vom Pöbel von der Kathedrale heruntergerissen worden. Das sind wunderbare mittelalterliche Statuen. Dann hat man ihnen die Nasen und die Köpfe abgeschlagen und sie ganz tief vergraben. Die sind dann im 20. Jahrhundert wieder ausgegraben worden. Heute können Sie sie im Musée de Cluny besichtigen. Dasselbe finden Sie in ägyptische Grabkammern. Der unerwünschte Vorgänger wird natürlich mit einer so genannten 'Deletio Memoriae', der Zerstörung der Erinnerung, überantwortet. Die Erinnerung soll tot sein. Gleichzeitig soll dem Volk klar gemacht werden, dass es an diesen Menschen nicht mehr zu glauben braucht, weil der neue Herr da ist. Deswegen werden ja auch die Münzen ständig umgeprägt. Wenn Liebespaare auseinandergehen, dann werden auch nicht gerade die Bilder zärtlich aufgehoben und in den Silberrahmen gestellt, sondern manche werden in aller Form zerrissen. Da sind Ikonen und Reaktionsweisen von ganz magischen Zeiten in uns drin, lange bevor die Buchstaben und Schrift erfunden wurde.
Purk: Wir gehen noch mal zurück zur Gegenwart. Halten Sie die Würdigung dieses Vorganges in deutschen Zeitungen für ausreichend?
Stürmer: Nein, ich glaube, da herrscht ein Mangel an Verständnis. Wir selber haben nämlich für solche Symbole kaum noch einen Sinn. Weil bei uns dieses natürliche und ursprüngliche Verhältnis zu Bildern durch die Bilderüberflutung verschwunden ist, haben, glaube ich, viele Redakteure nicht begriffen, um was es sich handelt. Das war ja eigentlich das zentrale Bild für den Zustand des Krieges, für den Zustand des Regimes und auch natürlich für das ganze gewalttätige Durcheinander gegenwärtig im Irak und in Bagdad.
Purk: Wird das das Bild sein, das von diesem Krieg in den Geschichtsbüchern bleibt?
Stürmer: Ich glaube, das wird so ein Bild sein wie der Tanz auf der Mauer, der sich ja auch allen eingeprägt hat. Da gibt es auch ein, zwei Fotos vom Morgen des 10. November, auf denen wirklich auf der Mauer getanzt wird. Das wird eines der Bilder, vielleicht das Bild, sein, was sich einprägt.
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Purk: Wer das vor dem Fernseher verfolgt hat, hat zunächst einmal eine etwas unklare Situation gesehen. Es war nämlich nicht ganz klar, wer da eigentlich stürzt. Waren das jetzt die GIs oder die Irakis selbst?
Stürmer: Am Ende war es wohl ein Panzer, denn diese Statue war außerordentlich schwer verankert. Das sah man ja. Es waren zwei Eisenträger und darüber war diese ganze Bronzestatue gestülpt. Das war so gigantisch. Die Statue konnte nicht von ein paar Männern mit dem Tau heruntergezogen werden. Dazu brauchte es schon ganz andere Kräfte. Da ist dann ein Tank dazugekommen. Sie haben es vielleicht auch gesehen. In den Farbfotos jedenfalls sah man das deutlich. Um den Hals wurde der Statue eine amerikanische Flagge gebunden, so als wäre es eine Krawatte. Ob das nun sehr sinnvoll und geschmackvoll war, darüber wird noch lange gestritten werden. Die amerikanischen Truppen hatten ja eigentlich Anweisung, keine Fahnen zu zeigen. Hier haben Sie wiederum die hohe Symbolik, die aussagt: 'Wir kommen hier nicht als Eroberer, sondern als Befreier. Dann zeigt man nur ganz bescheidene Flaggen, und vielleicht nicht in einem solchen Moment.
Purk: Gibt es eigentlich eine Tradition, solche Ikonen zu stürzen. Steht das Ganze dann auch in einer Bildergeschichte, die auch im arabischen Raum bekannt ist?
Stürmer: Ja, natürlich gibt es eine solche Tradition. Solange es Bilder gibt, wird das auch gemacht. Die arabische Welt hat ja eigentlich keine Bilder. Es gibt ein Bilderverbot. Das ist wie bei den Juden. Saddam ist ein weltliches Regime. Das ist etwas ganz anderes als ein islamistisches Regime. Er hat mit dem Heiligen Krieg gespielt, aber das war nicht genuin. Er wählt dieses Regime und daher waren diese Bilder ja sowieso schon für einen guten Muslim eine Ketzerei. Trotzdem steht er in einer großen Tradition. Nehmen Sie die Figuren von Notre Dame. Die können Sie heute im Museum, soweit sie wieder ausgegraben worden sind, sehen. Diese sind 1792 vom Pöbel von der Kathedrale heruntergerissen worden. Das sind wunderbare mittelalterliche Statuen. Dann hat man ihnen die Nasen und die Köpfe abgeschlagen und sie ganz tief vergraben. Die sind dann im 20. Jahrhundert wieder ausgegraben worden. Heute können Sie sie im Musée de Cluny besichtigen. Dasselbe finden Sie in ägyptische Grabkammern. Der unerwünschte Vorgänger wird natürlich mit einer so genannten 'Deletio Memoriae', der Zerstörung der Erinnerung, überantwortet. Die Erinnerung soll tot sein. Gleichzeitig soll dem Volk klar gemacht werden, dass es an diesen Menschen nicht mehr zu glauben braucht, weil der neue Herr da ist. Deswegen werden ja auch die Münzen ständig umgeprägt. Wenn Liebespaare auseinandergehen, dann werden auch nicht gerade die Bilder zärtlich aufgehoben und in den Silberrahmen gestellt, sondern manche werden in aller Form zerrissen. Da sind Ikonen und Reaktionsweisen von ganz magischen Zeiten in uns drin, lange bevor die Buchstaben und Schrift erfunden wurde.
Purk: Wir gehen noch mal zurück zur Gegenwart. Halten Sie die Würdigung dieses Vorganges in deutschen Zeitungen für ausreichend?
Stürmer: Nein, ich glaube, da herrscht ein Mangel an Verständnis. Wir selber haben nämlich für solche Symbole kaum noch einen Sinn. Weil bei uns dieses natürliche und ursprüngliche Verhältnis zu Bildern durch die Bilderüberflutung verschwunden ist, haben, glaube ich, viele Redakteure nicht begriffen, um was es sich handelt. Das war ja eigentlich das zentrale Bild für den Zustand des Krieges, für den Zustand des Regimes und auch natürlich für das ganze gewalttätige Durcheinander gegenwärtig im Irak und in Bagdad.
Purk: Wird das das Bild sein, das von diesem Krieg in den Geschichtsbüchern bleibt?
Stürmer: Ich glaube, das wird so ein Bild sein wie der Tanz auf der Mauer, der sich ja auch allen eingeprägt hat. Da gibt es auch ein, zwei Fotos vom Morgen des 10. November, auf denen wirklich auf der Mauer getanzt wird. Das wird eines der Bilder, vielleicht das Bild, sein, was sich einprägt.
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