Burgwinkel: Der Nachwuchs prägt den Dokumentarfilm. Das schon so oft totgesagte Genre lebt offenbar besonders gern unter den Studierenden der Filmhochschulen. Seit Donnerstag läuft im Kölner Filmhaus ein Symposium zum Thema, und einer der prominentesten deutschen Filmer und Produzenten ist zu uns ins Studio gekommen, Professor Thomas Schadt. Herzlich willkommen.
Schadt: Hallo.
Burgwinkel: Sie unterrichten an der Filmakademie Baden-Württemberg und erleben selber das Interesse der Studierenden. Womit erklären Sie sich das?
Schadt: Ich glaube, die Ergebnisse täuschen vielleicht ein bisschen darüber hinweg, dass das Interesse am Dokumentarfilm bei den Studenten nicht von vornherein da ist. Das hängt sicherlich damit zusammen, dass jemand, der sich überlegt, Film zu studieren, natürlich immer zuerst an Spielfilm denkt und nicht gleich an Dokumentarfilm; das war bei mir nicht anders als bei vielen Studenten, die wir aufnehmen. Allerdings ist festzustellen, dass viele Studenten, die doch mit der Erwartung kommen, im Laufe der Ausbildung Spielfilme machen zu können, merken, dass die dokumentarische Auseinandersetzung mit der Realität sehr spannend und sehr kreativ sein kann. Meistens ist es so, dass das Interesse am Dokumentarfilm erst während der Ausbildung tatsächlich geweckt werden und dann auch nachhaltig funktionieren kann.
Burgwinkel: Obwohl man bei dem Genre ja nicht so sehr mit den ganzen technischen Möglichkeiten spielen kann, die das Medium bietet - mit computergenerierten Tricks und Wackelkamera und so weiter?
Schadt: Die Wahl der Mittel hat sich sicherlich beim Dokumentarfilm und allem, was sich an Subgenres darunter mittlerweile subsumiert, erweitert. Das hat auch nicht mehr alles so puristisch zu sein wie vor vielleicht 20 oder 30 Jahren. In gewisser Weise ist es auch gut, dass hier mehr spielerische Elemente zugelassen werden, wobei aber natürlich - das gilt für jede Form von Film - immer gelten muss, dass die Mittel, die man wählt, immer vom Inhalt her motiviert sein müssen. Das kann dann natürlich bei unterschiedlichen Themen, Protagonisten und Studenten schon eine sehr erstaunliche kreative Vielfalt bedeuten. Vielleicht ist es auch das, was die Dokumentarfilme, die mittlerweile an den Schulen gemacht werden und die auch sehr stark von den Fernsehredaktionen beachtet werden, auszeichnet: dass sie sich vielleicht doch in der Breite spielerischer und mutiger, vielleicht ungewöhnlicher und überraschender mit Themen auseinandersetzen, als es im Fernsehen der Alltag ist.
Burgwinkel: Ist es denn tatsächlich so, dass es auch eher aus einer Hand kommt, das heißt wenn Ihre Studenten zu Ihnen kommen, dann wissen die, ich mache eine Art Drehbuch, zumindest habe ich die Idee und weiß, wie ich sie realisieren will. Ich muss mich aber auch um Kamera kümmern, um Schnitt, im Grunde genommen um alles, deshalb ist es ganz mein eigenes Teil. Ich muss nicht so viel weggeben?
Schadt: Das ist erst mal richtig, weil der Dokumentarfilm grundsätzlich immer noch eher als etwas ausgelegt ist, was man mal als den Autorenfilm bezeichnet hat. Das heißt also, dass der Regisseur Buch, Regie, manchmal auch Kamera, Ton und Schnitt, also mehrere Funktionen in einer Person ausübt, dass der Dokumentarfilm davon noch geprägt ist. Auf der anderen Seite ist es so, dass das oft eine Schwierigkeit für Studenten ist, dass sie sich um vielleicht zu viele Dinge gleichzeitig kümmern müssen. Sie unterschätzen ja auch zuerst die Komplexität des Filmemachens. Man hat vielleicht den Eindruck, wenn man den Film sieht, dass das vielleicht gar nicht so schwer ist, aber was da wirklich an Arbeit, Zeit und Entscheidungen dahintersteckt, das erfahren sie praktisch erst, wenn sie es das erste Mal machen, diesen Prozess durchlaufen. Da müssen die Studenten am Ende auch entscheiden, ob diese Arbeitsweise für sie die richtige ist oder eben vielleicht auch nicht.
Burgwinkel: Wie sieht es denn aus, wenn die Leute mit dem Studium fertig sind? Ist ein Markt da? Sie sprachen vorhin von Fernsehanstalten, die an dem Genre interessiert sind. Aber sonst? Festivals gibt es noch - wie schätzen Sie das ein?
Schadt: Grundsätzlich ist der größte Produzent für Dokumentarfilme, auch für den Autorendokumentarfilm mit künstlerischer Handschrift sowie für alle anderen Dokuformate in Deutschland das Fernsehen. Wer in Deutschland Dokumentarfilme machen will, selbst fürs Kino, der kommt eigentlich am Fernsehen nicht vorbei. Insofern haben wir in Deutschland eine sehr günstige Situation, weil bei uns sehr viel mehr Dokumentarfilme produziert werden, auch in den Öffentlich-Rechtlichen als in anderen Ländern.
Auf der anderen Seite gibt es dann schon den Konflikt zwischen dem, was das Fernsehen braucht oder als Markt für sich beanspruchen möchte - es gibt da ja Vorstellungen wie Filme auszusehen haben, es gibt die ganzen Dokuformate, die vom Inhalt wie auch von den Protagonisten formatiert werden - und es gibt eben das individuelle Bedürfnis der Autoren oder vielleicht auch das Anliegen der Schulen, die Studenten zu eigenständigen Persönlichkeiten zu entwickeln, die sich nicht vom Fernsehmarkt quasi auffressen lassen. In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Ausbildung letztlich. Da ist sicher auch die Bruchstelle zwischen Schule und Markt, vielleicht die schwierigste Stelle, wo der Student sehen muss, wie er mit den Bedürfnissen, aber eben auch mit den zahlreichen Angeboten, die das Fernsehen macht, klar kommt. Denn es gibt innerhalb der öffentlich-rechtlichen Sendeastalten in Deutschland unglaublich viele Möglichkeiten, dokumentarisch zu arbeiten, das ist unbestritten.
Related Links
'Der Junge Dokumentarfilm - Zwischen Ausbildung und Markt' ist ein Symposium der dfi - dokumentarfilminitiative im Filmbüro Nordrhein-Westfalen und findet vom 6. bis 8. Juni 2002 im Kölner Filmhaus statt. Einige der Film-Aufführungen sind öffentlich, näheres erfährt man im Filmhaus-Programm.
Schadt: Hallo.
Burgwinkel: Sie unterrichten an der Filmakademie Baden-Württemberg und erleben selber das Interesse der Studierenden. Womit erklären Sie sich das?
Schadt: Ich glaube, die Ergebnisse täuschen vielleicht ein bisschen darüber hinweg, dass das Interesse am Dokumentarfilm bei den Studenten nicht von vornherein da ist. Das hängt sicherlich damit zusammen, dass jemand, der sich überlegt, Film zu studieren, natürlich immer zuerst an Spielfilm denkt und nicht gleich an Dokumentarfilm; das war bei mir nicht anders als bei vielen Studenten, die wir aufnehmen. Allerdings ist festzustellen, dass viele Studenten, die doch mit der Erwartung kommen, im Laufe der Ausbildung Spielfilme machen zu können, merken, dass die dokumentarische Auseinandersetzung mit der Realität sehr spannend und sehr kreativ sein kann. Meistens ist es so, dass das Interesse am Dokumentarfilm erst während der Ausbildung tatsächlich geweckt werden und dann auch nachhaltig funktionieren kann.
Burgwinkel: Obwohl man bei dem Genre ja nicht so sehr mit den ganzen technischen Möglichkeiten spielen kann, die das Medium bietet - mit computergenerierten Tricks und Wackelkamera und so weiter?
Schadt: Die Wahl der Mittel hat sich sicherlich beim Dokumentarfilm und allem, was sich an Subgenres darunter mittlerweile subsumiert, erweitert. Das hat auch nicht mehr alles so puristisch zu sein wie vor vielleicht 20 oder 30 Jahren. In gewisser Weise ist es auch gut, dass hier mehr spielerische Elemente zugelassen werden, wobei aber natürlich - das gilt für jede Form von Film - immer gelten muss, dass die Mittel, die man wählt, immer vom Inhalt her motiviert sein müssen. Das kann dann natürlich bei unterschiedlichen Themen, Protagonisten und Studenten schon eine sehr erstaunliche kreative Vielfalt bedeuten. Vielleicht ist es auch das, was die Dokumentarfilme, die mittlerweile an den Schulen gemacht werden und die auch sehr stark von den Fernsehredaktionen beachtet werden, auszeichnet: dass sie sich vielleicht doch in der Breite spielerischer und mutiger, vielleicht ungewöhnlicher und überraschender mit Themen auseinandersetzen, als es im Fernsehen der Alltag ist.
Burgwinkel: Ist es denn tatsächlich so, dass es auch eher aus einer Hand kommt, das heißt wenn Ihre Studenten zu Ihnen kommen, dann wissen die, ich mache eine Art Drehbuch, zumindest habe ich die Idee und weiß, wie ich sie realisieren will. Ich muss mich aber auch um Kamera kümmern, um Schnitt, im Grunde genommen um alles, deshalb ist es ganz mein eigenes Teil. Ich muss nicht so viel weggeben?
Schadt: Das ist erst mal richtig, weil der Dokumentarfilm grundsätzlich immer noch eher als etwas ausgelegt ist, was man mal als den Autorenfilm bezeichnet hat. Das heißt also, dass der Regisseur Buch, Regie, manchmal auch Kamera, Ton und Schnitt, also mehrere Funktionen in einer Person ausübt, dass der Dokumentarfilm davon noch geprägt ist. Auf der anderen Seite ist es so, dass das oft eine Schwierigkeit für Studenten ist, dass sie sich um vielleicht zu viele Dinge gleichzeitig kümmern müssen. Sie unterschätzen ja auch zuerst die Komplexität des Filmemachens. Man hat vielleicht den Eindruck, wenn man den Film sieht, dass das vielleicht gar nicht so schwer ist, aber was da wirklich an Arbeit, Zeit und Entscheidungen dahintersteckt, das erfahren sie praktisch erst, wenn sie es das erste Mal machen, diesen Prozess durchlaufen. Da müssen die Studenten am Ende auch entscheiden, ob diese Arbeitsweise für sie die richtige ist oder eben vielleicht auch nicht.
Burgwinkel: Wie sieht es denn aus, wenn die Leute mit dem Studium fertig sind? Ist ein Markt da? Sie sprachen vorhin von Fernsehanstalten, die an dem Genre interessiert sind. Aber sonst? Festivals gibt es noch - wie schätzen Sie das ein?
Schadt: Grundsätzlich ist der größte Produzent für Dokumentarfilme, auch für den Autorendokumentarfilm mit künstlerischer Handschrift sowie für alle anderen Dokuformate in Deutschland das Fernsehen. Wer in Deutschland Dokumentarfilme machen will, selbst fürs Kino, der kommt eigentlich am Fernsehen nicht vorbei. Insofern haben wir in Deutschland eine sehr günstige Situation, weil bei uns sehr viel mehr Dokumentarfilme produziert werden, auch in den Öffentlich-Rechtlichen als in anderen Ländern.
Auf der anderen Seite gibt es dann schon den Konflikt zwischen dem, was das Fernsehen braucht oder als Markt für sich beanspruchen möchte - es gibt da ja Vorstellungen wie Filme auszusehen haben, es gibt die ganzen Dokuformate, die vom Inhalt wie auch von den Protagonisten formatiert werden - und es gibt eben das individuelle Bedürfnis der Autoren oder vielleicht auch das Anliegen der Schulen, die Studenten zu eigenständigen Persönlichkeiten zu entwickeln, die sich nicht vom Fernsehmarkt quasi auffressen lassen. In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Ausbildung letztlich. Da ist sicher auch die Bruchstelle zwischen Schule und Markt, vielleicht die schwierigste Stelle, wo der Student sehen muss, wie er mit den Bedürfnissen, aber eben auch mit den zahlreichen Angeboten, die das Fernsehen macht, klar kommt. Denn es gibt innerhalb der öffentlich-rechtlichen Sendeastalten in Deutschland unglaublich viele Möglichkeiten, dokumentarisch zu arbeiten, das ist unbestritten.
Related Links
'Der Junge Dokumentarfilm - Zwischen Ausbildung und Markt' ist ein Symposium der dfi - dokumentarfilminitiative im Filmbüro Nordrhein-Westfalen und findet vom 6. bis 8. Juni 2002 im Kölner Filmhaus statt. Einige der Film-Aufführungen sind öffentlich, näheres erfährt man im Filmhaus-Programm.