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Synchronisation im Hörspiel

Während gedruckte Texte lediglich einen Übersetzer brauchen, um in einer anderen Sprache verständlich zu werden, muss bei der Übernahme fremdsprachiger Hörspiele eine gänzlich neue Realisation her. So sind die Möglichkeiten, die aktuelle Hörspielproduktion anderer Länder kennenzulernen für das breite Publikum eher begrenzt. Gleich zwei aus anderen Sprachen übersetzte Stücke hat der Südwestrundfunk im Mai im Programm. "Motel Texel" der niederländischen Autorin Marjolein Bierens, deren Monolog "Ich, Mädchen aus Seeland" im Jahr 2002 mit dem Prix Europa ausgezeichnet und ebenfalls vom SWR in deutscher Sprache produziert wurde, und "Besuch in der Nacht" von Kjell Lindblad. Mit SWR-Hörspielchef Ekkehard Skoruppa habe ich mich über die besonderen Schwierigkeiten und Chancen der Übernahme fremdsprachiger Hörspiele unterhalten.

Von Frank Olbert | 21.05.2005
    Frank Olbert: Herr Skoruppa, Sie haben in den nächsten Wochen zwei Übertragungen fremdsprachiger Hörspiele im Programm, "Motel Texel" von Marjolein Bierens und "Besuch in der Nacht" von Kjell Lindblad. Wie sind Sie denn auf die beiden Hörspiele aufmerksam geworden?

    Ekkehard Skoruppa: In beiden Fällen waren es internationale Wettbewerbe. "Motel Texel" ist beim Prix Europa in Berlin vorgestellt worden. Das schwedische Hörspiel "Besuch in der Nacht" beim Prix Italia in Catania. Das sind ganz wichtige Gelegenheiten für uns, andere Stücke mit ganz anderen Dramaturgien und anderen Produktionsweisen kennenzulernen. Diese beiden Stücke und noch zwei weitere haben mich vor Ort so begeistert, dass ich gesagt habe: Wir überlegen einmal, ob wir nicht eine deutsche Produktion machen können.

    Frank Olbert: Was war denn das Besondere an diesen Stücken?

    Ekkehard Skoruppa: Das ist jeweils unterschiedlich. "Motel Texel" zum Beispiel ist vom Thema her faszinierend. Es ist die Geschichte einer Exiliantin aus dem Iran, die mit ihrem Mann und ihren beiden kleinen Kindern nach Holland kommt, dort zunächst in einem Asylantenwohnheim lebt und nach kurzer Zeit feststellen muss, dass ihr Mann sich wieder nach Teheran abgesetzt und die Kinder mitgenommen hat. Das Schicksal dieser Frau ist wirklich sehr faszinierend. Bierens erzählt es in einem Monolog, der hautnah deutlich macht, welche Probleme ein Emigrant in einer ganz besonderen Situation durchleiden muss.

    Frank Olbert: Wird das niederländische Hörspiel bei uns genauso klingen wie im Original? Wird die Inszenierung eins zu eins übernommen oder wie funktioniert dieser Transformationsprozess?

    Ekkehard Skoruppa: In diesem Fall setzt es die Regisseurin Marlies Cordia um, die auch für das niederländische Radio die Erstsendung produziert hat und auch mit dem Soundtrack der Ursprungsversion arbeitet. Sie hat sich sehr eng an das Original gehalten und wir haben sozusagen die authentische Handschrift der Erstproduktion reproduziert. Im zweiten Fall, dem Stück aus Schweden, hatten wir zunächst auch die Idee, den Soundtrack aus Schweden zu verwenden. Das ließ sich aus technischen Gründen nicht machen. Auch da haben wir aber versucht, uns sehr nah an das Original heranzuwagen. Man muss dem Regisseur der deutschen Fassung, Stefan Hilsbecher, natürlich die Möglichkeit geben, sich auch davon zu entfernen, um seine eigene Handschrift zu finden.

    Frank Olbert: In den Sechziger Jahren gab es ein Hörspiel aus Japan, "Marathon", das praktisch synchronisiert wurde. Der deutsche Text wurde über das original drübergesprochen. Ist so etwas heute auch noch möglich?

    Ekkehard Skoruppa: Ja, und wir machen das auch mit einem der anderen beiden Stücke, die ich erwähnt habe, "Nachttarif", ein kurzes Stück aus Slowenien, das in einem Taxi spielt. Das ist in der Erstproduktion so überzeugend, dass mir sehr daran gelegen ist, diesen Originalton zu halten. Das werden wir sozusagen synchronisieren, over-voicen. Das heißt, es bleibt alles, wie es im Original ist. Wir werden nur versuchen, die deutschen Texte drüberzulegen. Das ist eine ganz spannende studentische Arbeit. Die Schauspieler haben nichts von einer Bühnen- oder Studioglätte. Es sind zum Teil Laien, die dort sprechen. Dieses hier wiederholen oder nachmachen zu wollen, schiene mit vergebliche Liebesmüh.

    Frank Olbert: Gibt es denn auch deutsche Stücke, die in anderen Ländern nachproduziert werden?

    Ekkehard Skoruppa: Das gibt es, allerdings nur in seltenen Fällen. Ich bedauere, dass wir keinen besser funktionierenden Austausch in der EBU, der European Broadcasting Union, haben. Es sind Ausnahmefälle. Die werden von solchen internationalen Wettbewerben natürlich befördert. Ich glaube die Hörspieldramaturgien der einzelnen Länder könnten voneinander durchaus profitieren. Außer den Wettbewerben gibt es noch die "Radio Drama Working Group" der EBU, die sich um einen Austausch bemüht. Dort werden immer auch Stücke vorgestellt. Ich kann nicht sagen, dass im internationalen Austausch ein ganz reger, lebendiger Übernahmeprozess tatsächlich stattfindet. Man darf das nicht einstellen. Mann müsste es sogar noch ein bisschen befördern. Man hat natürlich da immer die besonderen Aufwendungen, Übersetzungen eigens herzustellen. Aber es ist auf jeden Fall lohnend. Es wird ja am 16. Oktober diesen Jahres einen weiteren "Radio Day of European Cultures" geben, ein Tag, an dem sich sehr viele europäische Rundfunkanstalten zum Thema "Vielfalt der Kulturen" zusammenschließen. Das wäre eigentlich eine gute Plattform, um über einen solchen Programmaustausch neu nachzudenken. In diesem Jahr wird das noch nicht der Fall sein, aber möglicherweise kann das ja bei einer nächsten Ausgabe angeregt werden.