Donnerstag, 25. April 2024

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Syrien-Mandat
"Die Linke war immer eine Stimme der Friedensbewegung"

Die Linke im Bundestag wird sich beim Bundeswehreinsatz zur Vernichtung von Chemiewaffen aus Syrien nicht geschlossen enthalten. "Ich finde das bemerkenswert", sagte die Abgeordnete Sevim Dagdelen im DLF, sie sorge sich aber auch um die Glaubwürdigkeit ihrer Partei.

Sevim Dagdelen im Gespräch mit Martin Zagatta | 08.04.2014
    Christine Heuer: Morgen bricht die Linke im Bundestag ein Tabu. Erstmals werden Abgeordnete der Partei Ja sagen zu einem Auslandseinsatz der Bundeswehr: konkret zur Entsendung einer deutschen Fregatte, die vor der italienischen Küste helfen soll, syrische Chemiewaffen auf einem US-amerikanischen Spezialschiff zu vernichten. Weil die Linke bislang geschlossen gegen deutsche Militäreinsätze im Ausland war, hat die Fraktion nun ein dickes politisches Problem. Mein Kollege Martin Zagatta hat dazu gestern Abend die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen interviewt.
    Martin Zagatta: Frau Dagdelen, Ihr Fraktionschef Gregor Gysi, der hatte ja vorgeschlagen, die Linkspartei solle sich geschlossen enthalten. Warum kommt das jetzt nicht zustande?
    Sevim Dagdelen: Nun ja, weil das Parteiprogramm und auch das Wahlprogramm der Linkspartei klar und unmissverständlich ist. Auslandseinsätze der Bundeswehr werden abgelehnt, und das ist ganz eindeutig: ein Antrag der Bundesregierung auf den Einsatz bewaffneter Streitkräfte. Das heißt, das ist auch ein Kampfeinsatz. Deshalb haben ganz viele auch gesagt, eine Enthaltung kommt nicht in Frage.
    Zagatta: Jetzt würden aber erstmals auch Abgeordnete der Linkspartei absehbar einem solchen Einsatz zustimmen. Ist das schlimm, dass die Linkspartei da nicht geschlossen abstimmt? Ist das schlimm für Sie, oder ist das kein Problem?
    Dagdelen: Für mich persönlich ist das nicht schlimm. Aber ich finde es insoweit bemerkenswert, weil es war immer so, dass Die Linke auch eine glaubwürdige Stimme der Friedensbewegung war, und ich hoffe, diese Glaubwürdigkeit wird davon keinen Schaden nehmen.
    "Es ist kein Einsatz der Vereinten Nationen"
    Zagatta: Auf der anderen Seite: Diese Aktion zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen ist ja von der UNO gebilligt worden, selbst von China und Russland und vom syrischen Regime ebenfalls. Stellt man sich da mit einer Ablehnung nicht völlig ins Abseits?
    Dagdelen: Nein. Zunächst einmal muss man sagen, dass die Vernichtung von diesen Massenvernichtungswaffen, auch der syrischen, richtig und wichtig ist, und es ist auch so, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht unbeteiligt ist, sondern die Bundeswehr leistet hierzu mit ihrer Anlage im niedersächsischen Munster einen wertvollen Beitrag, einen zivilen Beitrag, den ich sehr begrüße und unterstütze. Richtig glaubwürdig wird man aber in der Abrüstungspolitik, wenn man aufhört, weltweit Rüstungsgüter zu exportieren. Wir sind der drittgrößte Waffenexporteur der Welt. Der andere Grund ist: Es gibt wirklich keinen erkennbaren Grund, den zwischen Syrien und den Vereinten Nationen beziehungsweise der OPCW ausgehandelten Abzug des gesamten syrischen Chemiewaffenarsenals und dessen Vernichtung mit einer militärischen Komponente von Seiten der Bundesrepublik Deutschland zu begleiten, und man muss auch dazu sagen: Es ist kein Einsatz der Vereinten Nationen. Die UN-Resolution, die damals getroffen wurde mit China und Russland, beinhaltet keinen militärischen Einsatz. Dieser Einsatz ist ein Einsatz der Koalition der Willigen unter der Führung der USA. Das muss man natürlich auch mit berücksichtigen, wenn man möchte, dass die Glaubwürdigkeit der Institution Vereinte Nationen gewahrt wird. Und die Neutralität.
    "Brandstifter wird hier zum Feuerwehrmann gemacht"
    Zagatta: Frau Dagdelen, auf der anderen Seite geht es ja bei diesem Begleitschutz der Bundeswehr eindeutig um einen Einsatz mit dem Ziel der Abrüstung. Kann man das ernsthaft ablehnen?
    Dagdelen: Nein, es ist kein abrüstungspolitischer Einsatz mit Militär. Das ist so, wie wenn Sie sagen, der Brandstifter wird hier zum Feuerwehrmann gemacht. Die Bundesrepublik Deutschland kann wie in Munster zivil helfen, aber es ist hier ein Einsatz im größten Einsatzgebiet der Geschichte der deutschen Bundeswehreinsätze zum Schutz der organisierten Kriminalität, zum Schutz vor Terrorismus und zum Schutz der Piraterie laut Antrag der Bundesregierung, und ich muss sagen, es ist doch wirklich dubios, wenn man sich anguckt, dass das Mittelmeer voll ist von NATO-Kriegsschiffen, von Awacs-Flugzeugen, von der Operation Active Endeavour, vorgeblich zur Terrorabwehr. Der einzige Grund, der hier eine Rolle spielen könnte, warum dieser Einsatz stattfindet, ist, dass wir nahezu jede Woche einen Bundeswehreinsatz im Ausland beschließen mittlerweile. Das heißt, militarisierte Außenpolitik wird vorangetrieben. Und das Zweite ist: Die Bundesrepublik Deutschland möchte ihre NATO-Bündnisfähigkeit hier in dieser Koalition der Willigen unter Beweis stellen.
    Zagatta: Glauben Sie nicht, dass es der Bevölkerung, der Öffentlichkeit schwerfallen wird, wenn Sie als Linke dafür sind, die syrischen Chemiewaffen zu vernichten, das ausdrücklich gefordert haben, und sich jetzt diesem Begleitschutz verweigern? Haben Sie da keine Angst, dass die Bevölkerung das nur schwer nachvollziehen kann?
    Dagdelen: Nein, ich habe da überhaupt keine Angst. Die Bevölkerung ist weitaus weiser als die veröffentlichte Meinung in Deutschland, und die Mehrheit der Bevölkerung weiß auch, dass auch zivil Vernichtung von Chemiewaffen vonstattengehen kann und dass es keine militärische Begleitung eigentlich hier braucht.
    Heuer: Die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen im Gespräch mit meinem Kollegen Martin Zagatta.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.