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Syrien
Präsident Assad tritt als Beschützer der Christen auf

Am 3. Juni will der syrische Präsident Assad sich für weitere sieben Jahre im Amt bestätigen lassen – obwohl die Hälfte der Bevölkerung auf der Flucht ist und weite Teile des Landes in Trümmern liegen. Aber Assad präsentiert sich als Retter der Nation vor Terrorismus und als Beschützer der religiösen Minderheiten, ganz besonders der Christen. Dennoch lehnen die meisten syrischen Christen im Exil das Assad-Regime ab.

Von Martina Sabra |
    Syriens Präsident Baschar al-Assad (Foto vom 13. April)
    Syriens Präsident Baschar al-Assad will sich erneut wählen lassen - auch mit Unterstützung der Christen im Land. (dpa / picture-alliance / Sana Handout)
    Das christliche Dorf Maaloula ist berühmt für seine Klöster und Kirchen. Es gilt als einer der wenigen Orte, wo noch Aramäisch gesprochen wird, mutmaßlich die Muttersprache von Jesus Christus. Monatelang ließ der syrische Präsident Baschar al-Assad den Ort beschießen; vor wenigen Wochen siegten die syrischen Regimetruppen.
    Am Ostersonntag kam Baschar al-Assad höchstpersönlich, um die Schäden vor Ort zu besichtigen. Das syrische Staatsfernsehen war dabei und filmte jeden Schritt: Der Präsident mit zerbrochenen Ikonen in der Hand; der Präsident, der sich bei wackeren Männern in Uniformen bedankt: "Danke für Euer Durchhaltevermögen im Kampf gegen den Terror".
    Eine perfekte Inszenierung: Baschar al-Assad als Beschützer der Christen. Am Abend desselben Tages liefen dieselben Bilder im öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehen, dazu Statements von syrischen Bürgern, und immer wieder die Aussage: Unter Assad haben wir Christen besser gelebt. Kritik war nicht zu hören. Aber ist das wirklich so? Der in Deutschland lebende Arzt Marwan Khoury ist syrischer Christ. Er sieht es anders.

    "Es ist die Propaganda, die wir vom syrischen Regime schon lange kennen. Es ist aber schlimm anzusehen, wenn die Christen in Maaloula benutzt werden, vom Assad-Regime, um seine Macht zu sichern, während Kinder und Frauen in verschiedenen Städten von Syrien mit TNT-Fassbomben umgebracht werden."

    Christen in Syrien sind keine gleichberechtigten Staatsbürger. Auch Samir Matar ist syrischer Christ. Er arbeitet beim Arabischen Dienst des Deutschen Auslandssenders Deutsche Welle. Als Journalist verfolgt Samir Matar aufmerksam die Berichterstattung über sein Heimatland. Die Darstellung des Assad-Regimes als Beschützer der Christen stört ihn schon lange. Doch Assads Oster-Auftritt in Maaloula hatte für ihn eine besondere Qualität.
    "Ich war schockiert. Erst vor ein paar Tagen, die UNO bestätigt hat, dass die Bilder der 11.000 Folteropfer in Syrien authentisch sind. Und dann kommen solche Berichte. Unverständlich."
    Schon der Vater ließ sich als Beschützer feiern
    Rund acht bis zehn Prozent der syrischen Bevölkerung sind heute Christen. Schon Hafez al-Assad, der Vater des jetzigen Präsidenten, ließ sich gern als Beschützer der Christen feiern. Tatsächlich garantiert die aktuelle syrische Verfassung der christlichen Minderheit im regionalen Vergleich weitgehende Rechte: unter anderem bezahlt der Staat den christlichen Religionsunterricht an Schulen. Doch gleichberechtigte Staatsbürger sind die Christen deshalb nicht. Der Staatspräsident muss in Syrien laut Verfassung ein Muslim sein. Und über die extremen Menschenrechtsverletzungen des Assad-Regimes, über Willkürhaft und Folter in den Gefängnissen mussten die geistlichen Oberhäupter der syrischen Christen immer schweigen. Marwan Khoury:
    "Insgesamt gibt es leider viele Bischöfe und christliche Würdenträger, die Teil des syrischen Regimes sind. Das sind Leute, die vom Regime profitieren."
    Samir Matar geht noch weiter: Alle Geistlichen in Syrien seien direkt mit dem Geheimdienst verbandelt gewesen. Wer sich dem Assad-Regime nicht beugte, der riskierte seine Existenz und sein Leben – auch als Christ, betont der Journalist:

    "Einige Kirchenvertreter waren mutig und trugen Verantwortung, doch leider wurden sie vom Regime bekämpft. Ein Beispiel dafür ist die Ermordung des Priesters Bassilius Nassar in Hama 2012. "
    Viele Christen sehen im Assad-Regime "das kleinere Übel"
    Die Liste christlicher Aktivisten und Würdenträger, die das Assad-Regime töten, foltern oder verbannen ließ, ist lang. Der engagierte Jesuitenpater Paolo Dall Oglio, wurde von Assad aus dem Land geworfen, bevor man ihn entführte. Dennoch möchten gegenwärtig viele Christen im Assad-Regime "das kleinere Übel" sehen. Jihad Nassif, ein maronitischer Geistlicher aus dem syrischen Lattakia, der in Deutschland studiert hat, drückte es unlängst so aus:
    "Bitte sagen wir nicht: Das Regime stürzen. Das hat zu dieser Katastrophe geführt. Wir sprechen von Regimeentwicklung, Regimeänderung. Mir wäre es lieber, 20 Jahre diese Regierung auszuhalten, als dieses Desaster in Syrien zu haben."
    Der gemeinsame Aufruf demokratischer syrischer Christen
    Assad-Diktatur oder islamistischer Terror? Die syrischen Christen Marwan Khoury und Samir Matar wollten sich nicht länger mit dieser Wahl zwischen Pest und Cholera abfinden. Im vergangenen Herbst begannen sie gemeinsam, demokratische syrische Christen zu kontaktieren – im Exil, aber auch in Syrien selbst. Mehrere persönliche Treffen, unter anderem in Istanbul, mündeten in einem gemeinsamen Aufruf demokratischer syrischer Christen, sich nicht vom Assad-Regime vereinnahmen zu lassen. In dem Manifest, das in sozialen Netzwerken auch auf Deutsch abrufbar ist, heißt es unter anderem:

    "Der Glaube an Christus ist für uns die Quelle der Unterstützung des Aufstandes gegen den syrischen Diktator und die Grundlage für den Kampf für Freiheit und Würde. Das Regime von Baschar al-Assad war und ist niemals der Beschützer der christlichen Minderheiten, sondern es schützt lediglich die Interessen der mafiösen Strukturen der Diktatur."

    Das Manifest der christlichen Syrer gegen Assad fordert einen demokratischen Rechtsstaat, in dem alle Bürger gleiche Rechte haben und in dem Religion und Politik tatsächlich getrennt werden. Mehr als 100 Unterstützer haben das Dokument unterzeichnet. Der Aufruf finde auch bei Christen innerhalb Syriens viel Zuspruch, sagen Samir Matar und Marwan Khoury, doch die meisten würden sich aus Angst vor der Rache des Regimes nicht öffentlich äußern. Für Samir Matar ist der Aufruf ein wichtiger erster Schritt.

    "Was wir machen wollen demnächst, bleibt Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung darüber, dass Assad der erste Verantwortliche für Hunderttausende Tote in Syrien ist. Und dass er wie einst Slobodan Milosevic für seine Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor den Internationalen Gerichtshof gestellt werden muss."

    Samir Matar wünscht sich, dass auch die katholische Kirche und der Papst die Menschenrechtsverletzungen des Assad-Regimes in Syrien deutlicher verurteilen.