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Syrische Oppositionelle: Assad ist nur mit Gewalt zu besiegen

Das syrische Regime kann nur mit Gewalt zum Einlenken gebracht werden, sagt die Exil-Syrerin und Oppositionelle Pelican Mourad. Der Westen müsse signalisieren, dass es ihm ernst sei. Assad versuche mit den diplomatischen Verhandlungen lediglich, Zeit zu gewinnen.

Pelican Mourad im Gespräch mit Mario Dobovisek | 12.09.2013
    Mario Dobovisek: Wir bleiben beim Thema. Mitgehört hat Pelican Mourad, sie ist Syrerin, war bis zum vergangenen Jahr Mitarbeiterin des Goethe-Instituts in Damaskus und gehört der syrischen Opposition an. Gemeinsam mit ihrem Mann, Riad Seif, einem der prominentesten syrischen Oppositionellen, ist sie nach Berlin ins Exil gegangen. Dort begrüße ich Sie am Telefon. Guten Morgen, Frau Mourad!

    Pelican Mourad: Guten Morgen!

    Dobovisek: Und sie drehen sich weiter im Kreis, die Diplomaten, wie wir hören. Was denken Sie, wenn Sie dem Zögern der westlichen Welt zuhören und zusehen müssen?

    Mourad: Ehrlich gesagt, wir sind tief enttäuscht, weil ich habe den Eindruck, dass die internationale Gemeinschaft nicht so viel gelernt hat durch die Geschichte mit diesem Regime. Dieses Regime hat bis jetzt alle Vereinbarungen nicht durchgesetzt, hat versucht, die ganze Zeit nur Zeit zu gewinnen, und warum soll er jetzt alle seine Waffen abgeben. Das glaube ich überhaupt nicht, dass das stattfinden wird. Es gibt außerdem keine Garantie, ob er wirklich alle Waffen abgeben wird, ob er nicht welche verstecken soll, ob er nicht jetzt schon an die Hisbollah oder den Iran welche überliefert hat.

    Dobovisek: Was würden die Kontrollen der Chemiewaffen also bringen?

    Mourad: Das ist sehr, sehr schwierig. Ich würde eher die internationale Gemeinschaft und die großen Kräfte in dieser Welt warnen: Das ist nicht das erste Mal, dass dieses Regime lügt, und sein Hauptziel ist nur, Zeit zu gewinnen. Während unseres Gespräches jetzt und während dieser Gespräche überhaupt wird weiter viel getötet. Massen von Leuten werden getötet, auch mit klassischen Waffen. Es soll sich nicht nur auf die chemischen Waffen konzentriert werden. Eigentlich benutzt es alle möglichen Waffen gegen ihr eigenes Volk und bis heute haben wir über 100.000 Tote dadurch.

    Dobovisek: Wie könnte das Assad-Regime Ihrer Meinung nach gestoppt werden?

    Mourad: Nur mit Gewalt.

    Dobovisek: Mit Gewalt der internationalen Gemeinschaft?

    Mourad: Genau.

    Dobovisek: Das heißt, Sie wünschen sich einen Angriff auf Syrien?

    Mourad: Kein Syrer wünscht einen Angriff. Nur wie ernsthaft die internationale Gemeinschaft damit umgeht, das ist entscheidend. Jetzt hat dieses Regime und hat Russland mitbekommen, dass es wirklich ernsthaft klingt. Deswegen machten sie einen Schritt nach hinten. Aber ohne diesen ernsthaften Ton würden sie nie positiv reagieren.

    Dobovisek: Haben Sie nach zwei Jahren des Bürgerkrieges noch Hoffnung auf eine friedliche Lösung für Syrien?

    Mourad: Nur, wenn dieses Regime schwächer ist. Nur, wenn Assad nicht an der Macht bleibt. Mit dieser internationalen oder amerikanischen Intervention auf wichtige Infrastrukturen, militärische Infrastrukturen für dieses Regime, das würde dieses Regime schwächen und dadurch könnte es zu einer politischen Lösung tatsächlich kommen.

    Dobovisek: Unter den syrischen Oppositionellen befinden sich auch Islamisten. Insgesamt ist die Opposition alles andere als geeint. So ist zumindest die Außenwirkung. Können Sie die Furcht des Westens vor einem unkontrollierbaren Chaos nach einem möglichen Sturz Assads nachvollziehen?

    Mourad: Das kann ich schon nachvollziehen. Allerdings sind diese Kräfte nicht so zahlreich. Die sind nicht begrüßt bei der normalen Bevölkerung. Die sind auch zum großen Teil Fremde. Das heißt, wenn wir von diesem Regime schon fertig sind, dann haben wir den zweiten Krieg oder zweiten Kampf, diese Fremden erst mal zu beseitigen, um dann die demokratische vernünftige Opposition zu etablieren und durchzusetzen.

    Dobovisek: Das ist aber keine besonders schöne Aussicht zu sagen, nach dem Bürgerkrieg folgt der Bürgerkrieg.

    Mourad: Ja, das ist eine Tatsache. Aber das wird kommen, egal ob das morgen oder übermorgen ist. Das wird kommen. Diese Haltung der internationalen Gemeinschaft, so lange zu warten, zweieinhalb Jahre einfach zuzugucken und dies zuzulassen - das hat zugelassen, dass diese Extremisten sich etablieren und nach Syrien kommen zu großen Teilen. Das hat diese Wirkung und wir sollen damit leben. Wir sind damit gar nicht zufrieden, aber wir sollen das irgendwann anfangen zu bekämpfen. Wenn wir heute damit anfangen, das ist natürlich viel schöner, als wenn wir in einem Jahr damit anfangen. Dann sind sie stärker und nicht mehr besiegbar.

    Dobovisek: Pelican Mourad gehört der syrischen Opposition an und lebt seit vergangenem Jahr im Berliner Exil. Ich danke Ihnen ganz herzlich für das Gespräch heute Morgen.

    Mourad: Vielen Dank – auf Wiedersehen.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.