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Tabubruch Museumsschließung

Die Bochumer Stadtverwaltung hat vorgeschlagen, das städtische Kunstmuseum zu schließen, um Kosten zu sparen. "Wenn wir ein Museum finanziell auf den Prüfstand stellen wollen, dann müssen wir es vorab aber kultur- und kunstpolitisch auf den Prüfstand gestellt haben", betont Museumsdirektor Hans Günter Golinski. Sein Haus sei als Bürgermuseum von großer Bedeutung.

Hans Günter Golinski im Gespräch mit Christoph Schmitz | 28.02.2012
    Christoph Schmitz: Das Kunstmuseum Bochum ist eine renommierte Einrichtung. Seit Jahren macht es mit engagierten Ausstellungen auf sich aufmerksam. Die Stadtverwaltung und die Bezirksregierung hatten nun einen Sparplan für die finanziell angeschlagene Stadt entwickelt, ein Sparplan, der für das Museum nicht nur sparen bedeuten sollte, sondern direkt die Abwicklung. Im gebeutelten Ruhrgebiet wäre das nicht der erste Fall einer geplanten Radikalkur gewesen. Den Bochumer Museumsdirektor Hans Günter Golinski habe ich nach dem aktuellen Stand der Diskussion um das Bochumer Kunstmuseum gefragt.

    Hans Günter Golinski: Die Idee, die von Mitarbeitern des Regierungsbezirks Arnsberg und der Stadtverwaltung Bochum in den Raum gesetzt wurde, diese Idee ist vom Kulturausschuss der Stadt Bochum abgelehnt worden. Das heißt, im Grunde genommen sind die politischen Parteien hier eindeutig festgelegt.

    Schmitz: Das heißt, die Kuh ist vom Eis, sind Sie sich sicher, oder kann die Diskussion wieder aufflammen, ob man nicht doch das Museum schließt?

    Golinski: Natürlich die Entscheidung trifft letztendlich nicht der Kulturausschuss, die wird erst im April vom Haupt- und Finanzausschuss gefällt. Ich gehe aber mal davon aus, dass das Bochumer Kunstmuseum als Bürgermuseum so in der Stadt verankert ist, dass eine derartige Idee sich nicht umsetzen lässt.

    Schmitz: Wenn man schon nicht abwickelt, ist denn überhaupt der Gedanke einer Abwicklung ein Qualitätssprung in der Diskussion über die Bedeutung der Kultur in einer Stadt wie Bochum?

    Golinski: Dass dieser Tabubruch scheint salonfähig zu werden, ist etwas, wo man doch vehement sich gegen wenden muss. Denn ich meine, es ist ein gesellschaftlicher Konsens, dass wir Orte in dieser Gesellschaft haben, die der hochpolitischen Kommunikation dienen, und das ist für mich ein Bürgermuseum. Und wenn diese Orte in Diskussionen wegradiert werden, die vollkommen ohne Inhaltlichkeit geführt werden, dann ist da wirklich eine bedenkliche Situation entstanden.

    Schmitz: Herr Golinski, welche Hauptargumente für die Notwendigkeit des Kunstmuseums müssen Sie denn oder können Sie der Politik und der Bevölkerung gegenüber formulieren?

    Golinski: Wir sind ein städtisches Museum, wir sind kein privates Museum. Wir haben einen klaren Auftrag: Wir sammeln nicht, um zu spekulieren, wir sammeln nicht und stellen aus aus Liebhaberei, sondern - ich sage das mal ein bisschen pathetisch - in Zeiten von Bilderfluten herrscht visueller Analphabetismus, und wir können das Instrumentarium liefern zum selbstbestimmten Sehen. Das heißt visuelle Mündigkeit, und das ist eine Intention, die gerade hier im Ruhrgebiet eine Tradition seit Karl Ernst Osthaus hat. Karl Ernst Osthaus hat in diese industrialisierte Region mit seiner ästhetischen Erziehung Kunst hereingebracht. Nach dem zweiten Weltkrieg ist diese Region, die lange vernachlässigt wurde, erstmals in den Blick gekommen, es hat Universitätsgründungen gegeben, eine Reihe von Museumsgründungen. Und Bochum hat diese Chance wahrgenommen. Und jetzt wird in einer wirklich sehr kurz gegriffenen Spardiskussion das in Frage gestellt. Und das finde ich sehr, sehr bedenklich.

    Schmitz: Aber wie konnte es sein, dass dieser gesellschaftliche Auftrag, der ja sich über 100 Jahre entwickelt hat - Sie haben den Folkwang-Gründer Karl Ernst Osthaus angesprochen -, wie konnte der jetzt doch etwas ins Hintertreffen geraten, dieser fundamentale Gedanke des Museums?

    Golinski: Ja ich denke, weil einfach hier Diskussionsstränge zusammengebracht werden unter populistischen Aspekten, die so nicht zusammengebracht werden können. Wenn wir ein Museum finanziell auf den Prüfstand stellen wollen, dann müssen wir es vorab aber kultur- und kunstpolitisch auf den Prüfstand gestellt haben. Wir als Kulturschaffende leben nicht in Wolkenkuckucksheimen, wir sehen auch die Sparzwänge, und mit Sicherheit lassen sich Lösungen finden, die wirklich auch finanziell attraktiver und besser sind. Nur man muss bedenken: Unsere Strukturen sind teilweise, weil wir kommunale Museen sind, nicht mehr zeitgemäß. Wir sind im Vergleich zu privaten Museen weitaus weniger flexibel, was Arbeitsanfälle anbelangt, was technische Erneuerungen anbelangt. Da tun wir uns sehr schwerfällig von der Struktur her, und diese Strukturen gilt es erst mal zu hinterfragen, und dann kann man auch wirklich gezielte Einsparungen beziehungsweise gezielte Investitionen diskutieren.

    Schmitz: Hans Günter Golinski, Direktor des Kunstmuseums Bochum, über die mögliche Schließung seines Hauses.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.