Was kommt eigentlich dabei heraus, wenn man einmal einen Roman aus Sicht eines Nazis schreibt, eines Massenmörders und Verbrechers, wenn man verstehen lernt, wie Gewalttäter handeln, wenn man sogar gezwungen wird mit Ihnen zu sympathisieren. Über die literarische Qualität von Jonathan Littells Roman "Die Wohlgesinnten" wurde in den letzten Monaten viel diskutiert. Gestern jedoch kamen im Deutschen Historischen Museum in Berlin eine Reihe von namhaften Historikern zusammen, die sich darin einig waren, dass das Verständnis von und für Gewalteter im Zentrum der Forschung stehen wird.
Man kann es wollen oder nicht: Ein Paradigmenwechsel steht uns in den nächsten Jahren bevor in der Erforschung der NS-Geschichte, der Verarbeitung des Holocaust. Bislang standen die Opfer im Mittelpunkt der Forschung und kulturellen Aufarbeitung, künftig werden es die Täter sein. Das jedenfalls war gestern Konsens, als mit Raphael Gross, dem Direktor des jüdischen Museums Frankfurt, Annette Wieviorka, der NS-Spezialistin Frankreichs aus dem Nationalen Forschungszentrum Paris, oder etwa Professor Jörg Barberowski, dem führenden Gewaltforscher der Humboldt Uni Berlin eine Elite von Historikern im Deutschen Historischen Museum zusammenkam, um über den Roman "Die Wohlgesinnten" von Jonathan Littell und seine Konsequenzen zu sprechen. Jörg Barberowski:
"Ich glaube die Täterforschung wird einfach für den deutschen Kontext immer wichtiger, weil die Opfergeschichten immer schon das Gleiche wiederholen, was man schon weiß ,und man irgendwann müde wird, weil man die Geschichte in tausenden Variationen gehört hat und die Täterperspektive bringt einem eine neue Geschichte, die einem die Gewalt verstehbar macht. Man versteht die Gewalt nicht, wenn man die Opfer interviewt. Wenn man die Opfer befragt, wird man wenig über die Motive von Gewalttätern erfahren. Deshalb ist das wichtig."
Die enorme Resonanz der letzten Monate auf Jonathan Littells Roman - der eben einen SS-Gewalttäter und kein Opfer in den Mittelpunkt seiner Handlung stellt- die weltweite Nachfrage, die teils wütenden Rezensionen zeigte den Historikern gestern, welches Bedürfnis nach einer neuen Perspektive in der Öffentlichkeit und auch unter Historikern vorhanden ist, Etienne Francois, von der FU Berlin:
" Wir vier wurden alle gepackt, überwältigt, zerrüttet von dem Roman von Jonathan Littell ...dieses gewaltige Buch, dieses unbequeme und sperrige Buch. Ein Buch voll von Verwandlungen und Metamorphosen. , an welchem man nicht vorbeikommt. "
Die Diskussion machte jedoch auch klar, welches hochbrisante Minenfelder Forscher und Kulturschaffende betreten werden, wenn sie beginnen, sich in die Täter hineinzuversetzen. Nicht nur ist die Quellenlage unklar, es droht auch unser eigenes humanes Selbstverständnis ins Wanken zu geraten. Prof. Jörg Barberowski:
"Die Täterforschung hat das Problem, dass die Täter, wenn sie sprechen, sich oftmals rechtfertigen und dass die Täterforschung die Rechtfertigung von Tätern mit den Motiven verwechselt. Das ist ihr größtes Problem, dass sie hat. Dass sie den Täter nicht zum sprechen bringen kann. Ein zweiter wichtiger Punkt ist, das Menschenbild das der Täterforscher jeweils hat. Ist er ein Anthropologe der Gewalt, dann wird er davon ausgehen, dass die Gewalt eine Möglichkeit ist und dass zwischen dem Familienvater und dem Sadisten kein Unterschied besteht und man sich nicht wundern muss. Wer den Mythos des Zivilisationsprozesses glaubt, wer daran glaubt , der wird das Problem haben, dass er den Täter als Abweichler als Perversen als Anormalen darstellen muss und er wird ihn auf irgendeine Weise pathologisieren."
Glaubt man den Historikern gestern, so werden wir uns künftig nicht mehr mit der unfassbaren Anormalität der NS-Gewalt auseinandersetzen, sondern mehr mit der Frage, unter welchen Umständen, diese Gewalt für Menschen 'n o r m a l' wird. Für Jonathan Littell ist sie es längst:
"Nehmen Sie Ruanda. Wie kommt es, dass wir in Europa über die NS Zeit trauern und 50 Jahre gegen das Vergessen kämpfen und dann diesen Völkermord unter unseren Augen , der Franzosen, der Amerikaner, der UN in Ruanda einfach passieren lassen. Da tritt da ein US-Präsident im Fernsehen auf und philosophiert noch über die richtige Definition von Völkermord und, am Ende sind Millionen tot, warum? Ruanda, Kambodscha, China, das sind die anderen. Hier gibt es noch viel Erklärungsbedarf. Genauso übrigens wie bei der sexuellen Anziehungskraft des Nazismus, die nicht nur Schwulenkreise, sondern auch Literaten wie Genet, Bataille und andere umfasst. "
Die Täterforschung, so war es gestern zu hören, wird noch einige Tabus in unserem Selbstverständnis anrühren. Doch mit der Rückkehr der Gewalt in die Politik, mit der immer größeren Leichtfertigkeit in der Diskussion um Folter, Terror, Intervention, kann sie auch ein Korrektiv bilden, das uns Grenzen setzt. Jörg Barberowski:
"Und diesen praktischen Sinn hat es vielleicht, dass wir Mechanismen brauchen, die das verhindern, das Menschen in Situationen kommen, wo sie alles tun können, was sie auch denken, diesen praktischen Nutzen kann man vielleicht ziehen, man kann möglicherweise Mechanismen entwickeln, die genau diese Situationen verhindern."
Man kann es wollen oder nicht: Ein Paradigmenwechsel steht uns in den nächsten Jahren bevor in der Erforschung der NS-Geschichte, der Verarbeitung des Holocaust. Bislang standen die Opfer im Mittelpunkt der Forschung und kulturellen Aufarbeitung, künftig werden es die Täter sein. Das jedenfalls war gestern Konsens, als mit Raphael Gross, dem Direktor des jüdischen Museums Frankfurt, Annette Wieviorka, der NS-Spezialistin Frankreichs aus dem Nationalen Forschungszentrum Paris, oder etwa Professor Jörg Barberowski, dem führenden Gewaltforscher der Humboldt Uni Berlin eine Elite von Historikern im Deutschen Historischen Museum zusammenkam, um über den Roman "Die Wohlgesinnten" von Jonathan Littell und seine Konsequenzen zu sprechen. Jörg Barberowski:
"Ich glaube die Täterforschung wird einfach für den deutschen Kontext immer wichtiger, weil die Opfergeschichten immer schon das Gleiche wiederholen, was man schon weiß ,und man irgendwann müde wird, weil man die Geschichte in tausenden Variationen gehört hat und die Täterperspektive bringt einem eine neue Geschichte, die einem die Gewalt verstehbar macht. Man versteht die Gewalt nicht, wenn man die Opfer interviewt. Wenn man die Opfer befragt, wird man wenig über die Motive von Gewalttätern erfahren. Deshalb ist das wichtig."
Die enorme Resonanz der letzten Monate auf Jonathan Littells Roman - der eben einen SS-Gewalttäter und kein Opfer in den Mittelpunkt seiner Handlung stellt- die weltweite Nachfrage, die teils wütenden Rezensionen zeigte den Historikern gestern, welches Bedürfnis nach einer neuen Perspektive in der Öffentlichkeit und auch unter Historikern vorhanden ist, Etienne Francois, von der FU Berlin:
" Wir vier wurden alle gepackt, überwältigt, zerrüttet von dem Roman von Jonathan Littell ...dieses gewaltige Buch, dieses unbequeme und sperrige Buch. Ein Buch voll von Verwandlungen und Metamorphosen. , an welchem man nicht vorbeikommt. "
Die Diskussion machte jedoch auch klar, welches hochbrisante Minenfelder Forscher und Kulturschaffende betreten werden, wenn sie beginnen, sich in die Täter hineinzuversetzen. Nicht nur ist die Quellenlage unklar, es droht auch unser eigenes humanes Selbstverständnis ins Wanken zu geraten. Prof. Jörg Barberowski:
"Die Täterforschung hat das Problem, dass die Täter, wenn sie sprechen, sich oftmals rechtfertigen und dass die Täterforschung die Rechtfertigung von Tätern mit den Motiven verwechselt. Das ist ihr größtes Problem, dass sie hat. Dass sie den Täter nicht zum sprechen bringen kann. Ein zweiter wichtiger Punkt ist, das Menschenbild das der Täterforscher jeweils hat. Ist er ein Anthropologe der Gewalt, dann wird er davon ausgehen, dass die Gewalt eine Möglichkeit ist und dass zwischen dem Familienvater und dem Sadisten kein Unterschied besteht und man sich nicht wundern muss. Wer den Mythos des Zivilisationsprozesses glaubt, wer daran glaubt , der wird das Problem haben, dass er den Täter als Abweichler als Perversen als Anormalen darstellen muss und er wird ihn auf irgendeine Weise pathologisieren."
Glaubt man den Historikern gestern, so werden wir uns künftig nicht mehr mit der unfassbaren Anormalität der NS-Gewalt auseinandersetzen, sondern mehr mit der Frage, unter welchen Umständen, diese Gewalt für Menschen 'n o r m a l' wird. Für Jonathan Littell ist sie es längst:
"Nehmen Sie Ruanda. Wie kommt es, dass wir in Europa über die NS Zeit trauern und 50 Jahre gegen das Vergessen kämpfen und dann diesen Völkermord unter unseren Augen , der Franzosen, der Amerikaner, der UN in Ruanda einfach passieren lassen. Da tritt da ein US-Präsident im Fernsehen auf und philosophiert noch über die richtige Definition von Völkermord und, am Ende sind Millionen tot, warum? Ruanda, Kambodscha, China, das sind die anderen. Hier gibt es noch viel Erklärungsbedarf. Genauso übrigens wie bei der sexuellen Anziehungskraft des Nazismus, die nicht nur Schwulenkreise, sondern auch Literaten wie Genet, Bataille und andere umfasst. "
Die Täterforschung, so war es gestern zu hören, wird noch einige Tabus in unserem Selbstverständnis anrühren. Doch mit der Rückkehr der Gewalt in die Politik, mit der immer größeren Leichtfertigkeit in der Diskussion um Folter, Terror, Intervention, kann sie auch ein Korrektiv bilden, das uns Grenzen setzt. Jörg Barberowski:
"Und diesen praktischen Sinn hat es vielleicht, dass wir Mechanismen brauchen, die das verhindern, das Menschen in Situationen kommen, wo sie alles tun können, was sie auch denken, diesen praktischen Nutzen kann man vielleicht ziehen, man kann möglicherweise Mechanismen entwickeln, die genau diese Situationen verhindern."