Samstag, 20. April 2024


Tagebuch aus Kairo

Karim El-Gawhary ist einer der Korrespondenten, die für den Deutschlandfunk aus Ägypten berichten. Er wurde 1963 als Sohn einer deutschen Mutter und eines ägyptischen Vaters in München geboren und ist studierter Islamwissenschaftler. Karim El-Gawhary ist auch ein versierter Netzjournalist.

16.08.2013
    Für den Deutschlandfunk begleitet er die Krise in Ägypten nicht nur am Mikrofon, sondern auch als Blogger und per Twitter.

    2.9.2013

    Keine gute Atmosphäre für Journalisten in Ägypten 2 Monate = 5 tote und 80 verhaftete Kollegen
    Heavy toll on journalists in two months since army takeover

    31.08.2013

    Ägypten produziert derzeit hysterische Geschichten. Im südägyptischen Qena wurde von der Polizei eine Ente mit einem verdächtigen Apparat "festgenommen". Es handelt sich um eine Nilente, berichtet Al-Ahram. Jetzt wird untersucht, ob es sich um ein Spionage-Gerät handelt. Unklar ist, ob die Ente inzwischen freigelassen wurde.
    gate.ahram.org.eg


    27.08.2013

    Wenn es nicht so traurig wäre.... Aleppo Rebellen Gericht verkündet auf diesem Anschlag, dass Haustiere wie Hunde, Katzen, Schildkröten und Zierfische in den befreiten Gebieten verboten sind.

    Der diplomatische Topf in dem die syrische Suppe angerührt wird, kocht langsam über. Allein in den letzten Minuten ist folgendes geschehen:

    1. Die Arabische Liga sagt, Assad ist verantwortlich für den Angriff mit chemischen Waffen.
    2. Netanyhu warnt, dass ein syrischer Angriff auf Israel eine heftige Reaktion zur Folge hätte.
    3. Der saudischer Außenminister fordert von der internationalen Gemeinschaft eine entschlossene Position gegenüber Syrien.
    4. Frankreich sagt, es werde sich nicht vor seiner Verantwortung drücken und
    5. der russische Vize-Außenminister meint, "der Westen verhält sich in der islamischen Welt wie ein Affe mit einer Handgranate."

    25.8.2013

    Ironie der Geschichte: Das Mubarak-Verfahren und der Muslimbrüder-Prozess am gleichen Tag. Wir waren heute beim Prozessauftakt gegen die Führung der Muslimbrüder. Der dauerte keine fünf Minuten, dann wurde der Prozess auf den 29. Oktober vertagt. Zuvor waren wir bei der Fortsetzung des Mubarak-Verfahrens. Der kam heute als freier Mann vom Militärkrankenhaus zum Gericht per Helikopter geflogen und saß plötzlich ganz fit und aufrecht im Gerichtsaal. Heute abend gibt es dazu eine ZIB-Geschichte.

    Es gibt eine sehr angeregte Diskussion in dieser Facebook-Gruppe über meine Arbeit. Ich "stehe auf der Gehaltsliste der Muslimbrüder", bin "gehirngewaschen", ober bin "einfach ein Opportunist und liefere, was im Moment gefragt ist in den Medien", bin "nicht objektiv" und "tendenziös", heißt es dort etwa. Alles das, weil ich nicht so schreibe, wie man es dort gerne hören würde, wie man an anderen dortigen Postings sieht, in der das Militär mit Herzchen geschmückt wird. Objektivität bedeutet für mich, sich nicht auf das gegenwärtig in Ägypten vorherrschende Schema "entweder für oder gegen mich" einzulassen. Wenn ich einen Militärputsch kritisch begleite, bedeutet das nicht, dass ich die Muslimbrüder unterstütze.
    Gerne lasse ich auf dieser Seite Platz, über die unterschiedlichen Sichtweisen in einer angemessenen Art zu diskutieren. Die Vorwürfe meiner Mitgliedschaft bei den Muslimbrüdern spüle ich indes gelassen mit einer Flasche ägyptischem Stella Bier herunter.

    24.8.2013

    Laut Staatsfernsehen gilt Ausgangssperre #Ägypten ab jetzt statt um 19:00 um 21:00


    Ein sehr bewegender und persönlich geschriebener Artikel der ägyptischen Schriftstellerin Ahdaf Soueif. Langsam melden sich auch in Ägypten die Stimmen der Vernunft.

    23.8.2013

    Kurz vor der Ausgangssperre in Kairo fährt so mancher Taxifahrer wie ein Henker, um es noch rechtzeitig nach Hause zu schaffen. Da gleicht die Fahrt einem Video-Game. Ich bin froh, dass ich heile zu Hause angekommen bin.

    Für heute 28 Demos der Anti-Coup-Allainz angesagt. Mal sehen, wie die Muslimbrüder nach Verhaftungswellen noch mobilisieren können.


    21.8.2013

    "Wenn die USA ihre Militärhilfe streicht, wäre das schlecht, aber wir können auch ohne überleben", erklärte der ägyptische Premier Hasem El-Beblawi. Well ... hier ist ein hochinteressanter Artikel darüber, wie eng das ägyptische Militär bei den Einkäufen von Waffen mit den USA verbunden ist. Die Militärhilfsgelder aus Washington sind direkt mit Einkäufen und Wartungsverträgen verbunden. Es geht also nicht nur um die Summe, sondern auch darum, dass bei einer Stornierung der Gelder die ägyptische Armee den Zugang zu dem modernem US-Waffengerät verliert und dass bestehende Wartungsverträge für Panzer und Flugzeuge damit aufgelöst würden.

    Das hieße die ägyptische Armee müsste für Ersatzteile aus den Waffen nehmen, die sie besitzt und damit ihre eigene Flugzeug- und Panzerflotte kannibalisieren.

    Das Problem für Obama wenn er die Militärhilfe streicht: Es gilt das Prinzip, dass die ägyptische Armee bei einer US-Waffenschmiede bestellt und die US-Regierung nach einer Zustimmung bezahlt. Dabei geht es um langfristige Verträge mit den US-Firmen bis 2018. Wenn diese Deals gestrichen werden, könnte für die US-Regierung Konditionalstrafen an die Firmen von bis zu zwei Milliarden Dollar fällig werden.

    "Cairo Military Firmly Hooked to U.S. Lifeline" (NY Times)


    20.8.2013
    Hat der Versuch die Islamisten mit der Gewalt des Militärs und des Sicherheitsapparates zu unterdrücken jemals funktioniert?

    1. Schiiten-Parteien im Irak durch Saddam? Jetzt sind sie an der Macht.
    2. Ben Ali in Tunesien, jetzt ist An-Nahda dort als stärkste Partei gewählt.
    3. Die Baath-Partei, die in Syrien die Islamisten ausschalten wollte, die jetzt einen Teil des Landes militärisch kontrollieren.
    4. Der Schah im Iran, das Ergebnis kennen wir
    5. Die Sowjetunion in Afghanistan, Konsequenz ebenso bekannt.
    6. Die Kemalisten in der Türkei. Und wer ist heute dort Ministerpräsident?
    7. Die algerischen Generäle durch einen blutigen Bürgerkrieg
    8. Und Ägypten?

    Has Military Suppression of Political Islam ever Worked?

    19.8.2013

    Nur noch einmal fürs Protokoll: die US-Sicht, warum die Vermittlungen in Ägypten gescheitert sind. Die Generäle und der Premier haben laut dieser Version einen Deal abgeblockt.
    How American Hopes for a Deal in Egypt Were Undercut

    18.8.2013

    Das wird immer irrer. Jetzt bekomme ich schon Facebook-Nachrichten, die mir drohen, dass am jüngsten Tag mit mir abgerechnet wird, von jemandem, der den Muslimbrüdern nahe steht - während mich Militärputsch-Fans anrufen und mich als Landesverräter betiteln. Geht mal alle einen Gang runter und haltet euren Kopf unter kaltes Wasser, um ein wenig abzukühlen.

    Es war so viel los in den letzten Wochen in Ägypten. Mein Hirn fühlte sich heute Morgen an, wie eine randvolle Festplatte und ich habe Schwierigkeiten noch auf einzelne Dateien zuzugreifen. Ich werde den heutigen Sonntag eine Pause machen – zum Defragmentieren.
    Morgen habe ich dann zwei Interviews angesetzt, um in der Frage der Angriffe gegen Kirchen in Ägypten zu recherchieren.

    17.8.2013

    Ich verstehe wirklich nicht, warum Armee als Maßnahme der Deeskalation diese feindselige Menge vor der Moschee nicht wegschafft. Wollen sie nicht, können sie nicht oder denken sie nicht daran? Keine dieser Optionen klingt beruhigend für mich.

    Totales Chaos rund um Fath-Moschee ‪#‎Kairo‬. Erst feuert jemand vom Minarett auf Armee. Dann Schießerei im Inneren. Tränengas in Moschee

    Immer noch eine total verfahrene Lage vor der Fath-Moschee am Ramsis-Platz. Hunderte Demonstranten und mehrere Dutzend Leichen sind in der Moschee, die die ganze Nacht von einer Mischung aus bewaffneten zivilen Schlägertruppen, Militär und Polizei belagert wurde. Auch nach Ende der Ausgangssperre weigern sich die Menschen drinnen herauszukommen, solange die Belagerung weitergeht.

    Vor laufenden Kameras sehen wir, wie Polizei, Militär- und bewaffnete zivile Schlägertrupps zusammenstehen. Was haben die zivilen Schlägertrupps dort die ganze Nacht während der offiziellen Ausgangssperre direkt vor den Augen der Armee gemacht? Dafür gibt es nur zwei Erklärungen: Sie arbeiten zusammen oder das ist ein Beispiel von "failed state". Die Geschichte der Mubarak-Zeit und die Art und Weise, wie damals die Polizei mit zivilen Schlägertrupps kooperiert hat, die die Drecksarbeit gemacht haben, spricht für ersteres.

    15.8.2013
    Das Militär sperrt gerade Teile der Innenstadt ab. Hier auf der Niluferstr. vor unserem Büro. Offensichtlich versucht man so die Freitagsdemos der Pro-Mursi-Anhänger zu verhindern

    15.8.2013
    "Radikalisierung der Muslimbrüder erwünscht". Meine heutige Analyse.
    Der ägyptische Sicherheitsapparat möchte die Muslimbrüder isolieren und hofft auf deren Radikalisierung. Denn dann lassen sie sich erfolgreich bekämpfen und sie können erneut als Vogelscheue dienen, nach dem alten Mubarak-Motto: entweder die oder ich.
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    15.8.2013
    Heute Mittag in der Iman-Moschee unweit des Protestlagers Rabaa Adawiya, das gestern aufgelöst wurde. Hier haben sie einige der Leichen hingebracht, weil es im Leichenhaus keinen Platz mehr gibt. Um sie zu kühlen, haben sie Eisblöcke daraufgelegt. Das Fotos wurde heute von meiner Produzentin Lobna El-Shoky gemacht.


    14.8.2013
    Trauerfarbe Gelb

    Im alten Ägypten galt die Farbe gelb als Zeichen der Trauer. Aus gegebenen Anlass habe ich daher heute mein Profilbild geändert, in der Hoffnung, wir werden die gelben Zeiten im neuen Ägypten überwinden. http://de.wikipedia.org/wiki/Trauerkleidung
    Tote in der Iman-Moschee unweit des Protestlagers Rabaa Adawiya
    Tote in der Iman-Moschee unweit des Protestlagers Rabaa Adawiya (Lobna El-Shoky / Karim El-Gawhary)