Tagebuch - Dienstag, 7. März 2006

Flughafen Bamako. Nur eineinhalb Stunden Flug, aber eine ganze Ewigkeit. In Dakar bin ich abends nicht ohne Baumwollpullover aus dem Hotel gegangen und die Einheimischen waren erkältet und verschnupft. Über dem Rollfeld in Bamako weht ein trockener glutheißer Wind, obwohl es schon abends um halb sechs ist. In einer knappen Stunde wird es Nacht.

Von Rüdiger Maack |
    Ich bin sicher gereist, und mir kann jetzt auch gar nichts mehr passieren, denn mittlerweile bin ich stolzer Besitzer eines Gri-Gris. Seit gestern, als ich in der Kneipe saß und mir Ringen anschaute. Und mich mit Omar traf, der mir seine Reisepläne für die Überfahrt nach Europa anvertrauen sollte. Das war schwierig, denn über eine zukünftige Reise redet man nicht. Das könnte die Geister in Unruhe versetzen und zu Komplikationen führen. Omar redete dann aber doch. Der Preis für mich war ein Gri-Gri von Omar.

    Gri-Gris sind großer Quatsch, hat mir vor zwei Tagen ein senegalesischer Bekannter erzählt, der Türsteher in einer sehr noblen Diskothek Dakars ist.

    Jedenfalls sprachen wir über das Verreisen als solches. Viele Senegalesen gehen zu einem Marabu. Wie viele es genau sind, weiß man nicht, aber es müssen so viele sein, wie in Deutschland McDonalds Kunden hat: Eigentlich geht niemand hin, aber irgendwie sind die Restaurants doch immer voll.

    Marabus sind wie Reiseführer in einer Welt der dunklen Mächte und der Geister. Ein Marabu sagt vielleicht das günstigste Reisedatum vorher oder den passenden Heiratstermin oder den besten Zeitpunkt für ein Gespräch mit dem Chefredakteur. Und er verpasst einem ein Gri-Gri: kleine Gegenstände, die man am Gürtel oder um die Hüfte herum tragen kann und die einen Zauber besitzen. Sie machen immun attraktiv und verhandlungssicher. Der Macht der Gri-Gris sind ebenso wenig Grenzen gesetzt wie der Phantasie der Marabus.

    Alles großer Mist, erklärt mein Freund, der Türsteher. Zehn Minuten später gibt er dann doch zu, daß auch er seit einer Woche ein Gri-Gri hat. Er ist aufs Land zu seinen Großeltern gefahren und ein Onkel hat ihm einen vernünftigen Marabu vermittelt, der ihm ein Gri-Gri gegeben hat, das gegen Messerstiche und Angriffe schützt. Als Türsteher weiß man ja nie. Auf jeden Fall bleibt er dabei: Reise-Gri-Gris sind Humbug und Betrug.

    Mein Gri-Gri ist ein kleines, dunkles, geschnitztes Holzstück, das prima in meine Hosentasche passt. Bekommen habe ich ihn gestern in Dakar. Omar und ich haben erst Ringen geguckt. Dann musste ich ihm Kettchen und Andenken abkaufen. Seine Reise nach Europa will er finanzieren durch den Verkauf von Billigschmuck an Touristen. Ich kaufe ihm ein paar Sachen ab, wir werden Freunde und wenig später rückt mein Verkäufer mit einer Überraschung raus: ein großes Geschenk, das er mir zu machen gedenke, ein Gri-Gri, das er von seinem Großvater bekommen und ihn auf allen Reisen beschützt habe, und das er mir, wo wir jetzt Freunde seien, gerne schenken wolle.

    Normalerweise würde er Gri-Gris ja an Weiße für viel Geld verkaufen. Bis zu 20.000 Franc CFA (= 30 €) brächten sie ein. Er holt ein kleines dreieckiges gewölbtes dunkles beschnitztes Stück Holz heraus. Dann bespuckt er es, reibt darauf herum, murmelt unverständliche Formeln und empfiehlt mir, dieses Gri-Gri mit einer passenden Schnur zu versehen und unbedingt auf jeder Reise in meinem Gepäck ganz unten zu platzieren, dann wäre ich immerdar beschützt.

    Ich war tief beeindruckt.

    Dann kam der Nachsatz: Ich müsste natürlich etwas hineintun, damit es funktioniert. Hineintun? Ich stutze: Wie soll ich denn bitte was hineintun in ein Stück Holz? Aufsägen vielleicht? Omar bleibt dabei, ich solle etwas reintun. Langsam dämmert es mir und ich frage wie viel? 20.000 CFA, das wäre angemessen. Nach kurzem Überlegen verzichte ich aufs Reintun und das Gri-Gri. Aber so hätte er es ja nicht gemeint, sagt mein neuer Freund und erklärt, ich würde das Gri-Gri ja nicht kaufen, sondern es nur aktivieren. Er überlegt kurz. 15.000 wäre auch ok. Oder 10.000. Schweigen auf meiner Seite. Und dann zuckt er mit den Achseln: Na ja, ich könne es ja auch so probieren, schließlich seien wir ja gute Freunde.

    Natürlich werde ich mein Gri-Gri ab jetzt immer dabei haben auf Reisen. Das ist zwar schlimmster Aberglaube. Aber man kann ja nie wissen.
    Das ist mein Gri-Gri-Schenker. Er will demnächst nach Europa aufbrechen. Diese Matratze teilt er sich mit zwei Brüdern. Niemand darf von seiner Reise wissen, das könnte Unglück bringen.
    Das ist mein Gri-Gri-Schenker. Er will demnächst nach Europa aufbrechen. Diese Matratze teilt er sich mit zwei Brüdern. Niemand darf von seiner Reise wissen, das könnte Unglück bringen. (Rüdiger Maack)