Leipzig 1945: Der Krieg ist vorbei. Die Stadt ist besetzt. Allenthalben Trümmer, Hunger, Elend, Leid. Und dennoch muss es weitergehen. Es ist diese Situation, die den Leipzigern jetzt in lokalen Medien und auf Plakaten vor Augen geführt wird. Eine Gruppe von Nachwuchswissenschaftlern namens "Leipziger Kreis" ruft die Bürger der Stadt zum Stöbern, Wühlen und Blättern auf. Die Forscher sind aus auf vergilbte Tagebücher, Briefe und Postkarten aus den Jahren 1945 bis 50. Projektleiterin Katja Naumann erzählt, worin ihr Wissensdurst besteht:
Wir wollen herausfinden: Wie haben die Leute die politischen, sozialen und ökonomischen Umbrüche dieser Zäsur 45 erlebt, wie haben sie die Umbrüche interpretiert, wie haben sich Vorstellungswelten, Denkmuster, Einschätzungen in dieser Zeit verändert – wo gibt es Kontinuitäten, wo gibt es Brüche? Das heißt, wir wollen einerseits erfahren, wie der Alltag passiert ist, wovon er gekennzeichnet war, aber gleichzeitig immer auch diese ganz individuelle Perspektive haben: Wie sind die Menschen damit umgegangen?
Naumann und ihre Mitstreiter hoffen, dass sich in Kellern, auf Dachböden und in Lauben findet, was die Archive nicht im rechten Maße bieten. Die in der Freizeit Forschenden nutzen gerne besondere Quellen. Für ein weiteres Projekt haben sie Gästebücher von Ausstellungen ins Auge gefasst. Zum Leipziger Kreis zählen Studenten aus verschiedenen Fachrichtungen. Es sind Historiker dabei, Slawisten, Literaturwissenschaftler. Sie haben schon DDR-Untergrundliteratur und deutsche Erinnerungskultur erforscht. Nun also das Alltagserleben unmittelbar nach dem Krieg. Sie wollen dabei auf etwas Bestimmtes hinaus. Aber was? Katja Naumann deutet eine Antwort an, indem sie Fragen formuliert:
Wie geht man damit um, dass erst die Amerikaner in Leipzig sind und dann die Russen kommen. Wie positioniert man sich dazu? War nicht der Russe gerade das Böse? Das, vor dem man Angst gehabt hat die letzten 12 oder 15 Jahre? Wo man die größte Abscheu vor gehabt hat? Ähnlich vielleicht der Amerikaner. Was passiert aber, wenn die alten Feinde, die alten Ängste urplötzlich mitten im Land da sind?
Das Projekt hat also eine Stoßrichtung. Noch wollen sich die Initiatoren aber viele Möglichkeiten offen halten. Und abwarten, wie viele und welche Materialien sie bekommen. In jedem Fall will der Kreis auch dem Untertitel seines Vereinsnamens gerecht werden. Er versteht sich als "Forum für Wissenschaft und Kunst". Öffentlichkeitsarbeiterin Karen Fritsche erklärt den Hintergrund dieses Grenzen überschreitenden Ansatzes:
Es ist so, dass ein Historiker Quellen untersuchen kann. Er kann in Archiven kramen, um seine Fragen beantwortet zu finden. Ein Künstler geht ganz anders daran, er kann zum Beispiel die Emotionen, die in der Vergangenheit stattgefunden haben, nachvollziehen. Ein Wissenschaftler kann nur das faktische, das greifbare, das Vorhandene erforschen, während ein Künstler die emotionale Seite des Ganzen erfassen kann und auch darstellen kann, zum Beispiel in Bildern, in Grafiken, in Videoinstallationen.
Auf solche künstlerischen Aktivitäten darf sich die Öffentlichkeit also auch beim Projekt Nachkriegsalltag freuen. Neben der wissenschaftlichen Aufarbeitung in Form einer Tagung und eines Buches. All das im Frühjahr 2005. Vorausgesetzt, die Leipziger forschen tatkräftig mit auf ihren Dachböden.
Links zum Thema:
Wer sich für das Projekt interessiert oder sogar selbst beim Stöbern fündig wird, der kann sich direkt an die Nachwuchsforscher wenden. Die nötigen Informationen gibt’s im Internet unter Leipziger Kreis oder per Tel. unter 0341 / 9 73 78 10.
Wir wollen herausfinden: Wie haben die Leute die politischen, sozialen und ökonomischen Umbrüche dieser Zäsur 45 erlebt, wie haben sie die Umbrüche interpretiert, wie haben sich Vorstellungswelten, Denkmuster, Einschätzungen in dieser Zeit verändert – wo gibt es Kontinuitäten, wo gibt es Brüche? Das heißt, wir wollen einerseits erfahren, wie der Alltag passiert ist, wovon er gekennzeichnet war, aber gleichzeitig immer auch diese ganz individuelle Perspektive haben: Wie sind die Menschen damit umgegangen?
Naumann und ihre Mitstreiter hoffen, dass sich in Kellern, auf Dachböden und in Lauben findet, was die Archive nicht im rechten Maße bieten. Die in der Freizeit Forschenden nutzen gerne besondere Quellen. Für ein weiteres Projekt haben sie Gästebücher von Ausstellungen ins Auge gefasst. Zum Leipziger Kreis zählen Studenten aus verschiedenen Fachrichtungen. Es sind Historiker dabei, Slawisten, Literaturwissenschaftler. Sie haben schon DDR-Untergrundliteratur und deutsche Erinnerungskultur erforscht. Nun also das Alltagserleben unmittelbar nach dem Krieg. Sie wollen dabei auf etwas Bestimmtes hinaus. Aber was? Katja Naumann deutet eine Antwort an, indem sie Fragen formuliert:
Wie geht man damit um, dass erst die Amerikaner in Leipzig sind und dann die Russen kommen. Wie positioniert man sich dazu? War nicht der Russe gerade das Böse? Das, vor dem man Angst gehabt hat die letzten 12 oder 15 Jahre? Wo man die größte Abscheu vor gehabt hat? Ähnlich vielleicht der Amerikaner. Was passiert aber, wenn die alten Feinde, die alten Ängste urplötzlich mitten im Land da sind?
Das Projekt hat also eine Stoßrichtung. Noch wollen sich die Initiatoren aber viele Möglichkeiten offen halten. Und abwarten, wie viele und welche Materialien sie bekommen. In jedem Fall will der Kreis auch dem Untertitel seines Vereinsnamens gerecht werden. Er versteht sich als "Forum für Wissenschaft und Kunst". Öffentlichkeitsarbeiterin Karen Fritsche erklärt den Hintergrund dieses Grenzen überschreitenden Ansatzes:
Es ist so, dass ein Historiker Quellen untersuchen kann. Er kann in Archiven kramen, um seine Fragen beantwortet zu finden. Ein Künstler geht ganz anders daran, er kann zum Beispiel die Emotionen, die in der Vergangenheit stattgefunden haben, nachvollziehen. Ein Wissenschaftler kann nur das faktische, das greifbare, das Vorhandene erforschen, während ein Künstler die emotionale Seite des Ganzen erfassen kann und auch darstellen kann, zum Beispiel in Bildern, in Grafiken, in Videoinstallationen.
Auf solche künstlerischen Aktivitäten darf sich die Öffentlichkeit also auch beim Projekt Nachkriegsalltag freuen. Neben der wissenschaftlichen Aufarbeitung in Form einer Tagung und eines Buches. All das im Frühjahr 2005. Vorausgesetzt, die Leipziger forschen tatkräftig mit auf ihren Dachböden.
Links zum Thema:
Wer sich für das Projekt interessiert oder sogar selbst beim Stöbern fündig wird, der kann sich direkt an die Nachwuchsforscher wenden. Die nötigen Informationen gibt’s im Internet unter Leipziger Kreis oder per Tel. unter 0341 / 9 73 78 10.