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Tai Chi im Saarland
"Ich und das Schwert sind eins"

Seit sieben Jahren wird an saarländischen Schulen Tai Chi angeboten. 27 Schulen bieten es an und bislang wurden bereits 4.000 Schülerinnen und Schüler in den speziellen Bewegungsformen des chinesischen Schattenboxens unterrichtet. Das Angebot reicht von einfachen Bewegungs- und Entspannungsübungen bis hin zur Kampfkunst mit Säbel und Schwert.

Von Tonia Koch | 23.03.2015
    Eine Gruppe praktiziert Tai Chi im Sommer an einem Steg.
    Gymnasium in Homburg: Der Erdkundeunterricht beginnt immer mit einer Tai Chi - Einlage. 15 Minuten genügten schon, um die Schülerinnen und Schüler zu entspannen und ihre Konzentrationsfähigkeit zu steigern. (imago / All Canada Photos)
    "Rechte Hand auf den linken Oberschenkel, und umgekehrt und wir drehen uns noch dabei."
    Friedel Böhnlein unterrichtet Geographie und Englisch am Christian von Mannlich - Gymnasium in Homburg. Der Erdkundeunterricht beginnt immer mit einer Tai Chi - Einlage. 15 Minuten genügten schon, um die Schülerinnen und Schüler zu entspannen und ihre Konzentrationsfähigkeit zu steigern, sagt Böhnlein. Niemand steht abseits, alle machen mit.
    "Am Anfang denkt man, es ist sehr langweilig. Aber wenn man Tai Chi macht, dann merkt man, dass es befreit, die Probleme gehen weg, man ist in seiner eigenen Welt. Tai Chi ist echt eine coole Sache. Klar, ich spiele in meiner Freizeit auch Fußball und so, aber mit Tai Chi hab' ich eine Abwechslung gefunden, mich vom Alltag kurzzeitig zu befreien. Das entspannt, man ist nicht mehr so hibbelig, weil wir sitzen halt den ganzen Tag und es ist etwas ganz anderes, mal kurz aufzustehen und wir machen diese Bewegungen, es sind keine schnellen Bewegungen, es sind ganz ruhige Bewegungen."
    Die oft langsamen und zuweilen ausladenden Bewegungsmuster erfordern viel Übung. Das steigere die Konzentration, sagt Böhnlein.
    "Man perfektioniert einen bestimmten Ablauf und man lernt auch andere Dinge ständig zu wiederholen, zum Beispiel beim Vokabellernen ist da auch so, mindestens sieben Mal die Wörter in irgendeiner Form anwenden, damit sie ins Tiefengedächtnis gehen."
    Tai Chi als Pausensport, als Konzentrationsübung während des Unterrichts
    Tai Chi wird am Mannlich-Gymnasium in unterschiedlichen Formen angeboten, als Pausensport, als Konzentrationsübung während des Unterrichts und auch in Arbeitsgemeinschaften. In den AG's steht der Aspekt der Kampfsportart im Vordergrund. Schwerter und Säbel aus Holz gehören zur Grundausstattung.
    Die Schülerinnen und Schüler der 6A stehen erst am Anfang. Die kreisenden Bewegungen und auch das Kreuzen der Schwerter erfordert Geschicklichkeit und Disziplin. Denn wenn bei den schnellen Formationsläufen einer aus der Reihe tanzt, geht der Rhythmus der Gruppe verloren, die Verletzungsgefahr steigt. Mit der sportlicheren Variante, mit Schwert und Säbel, begeistert Tai Chi - Trainer Böhnlein vor allem die Jungs.
    "Ich fühle mich damit eins, ich und das Schwert sind eins."
    In Friedel Böhnleins Gruppe sind keine Schülerinnen oder Schüler, die auf Medikamente angewiesen sind, damit sie dem Unterricht folgen können. Aber es gäbe schon einige mit Aufmerksamkeitsdefiziten, vor allem bei den Jungen. Einen von ihnen erreiche er mit der fernöstlichen Kampfkunst.
    "Bei dem Jungen habe ich gesehen, dass er durch Tai Chi ruhiger geworden ist, er hat gelernt, sich anzupassen."
    Etwas Esoterisches
    Tai Chi sei nur etwas für die Kinder, die vorurteilsfrei herangingen und sich darauf einließen, sagt Schulleiter Wolfram Peters. Wer es einmal probiert habe, bleibe auch dabei, trotzdem werde Tai Chi nach wie vor von einer gehörigen Portion Skepsis begleitet, so Peters.
    "Dem Ganzen haftet ein wenig Esoterisches an, was bei manchen Leuten Misstrauen auslöst. Ich kann das Ganze aber auch völlig wertfrei sehen und sage, ich gehe mal da dran, schau was es kann. Und wenn es eine Wirkung erzielt, dann ist mir dieses Esoterische gerade mal egal."
    Tai Chi werde in seiner Schule zunächst völlig wert- und anschauungsneutral unterrichtet. Das Gymnasium konzentriere sich auf die körperliche Seite, auf den Bewegungseffekt. Erst wenn seitens der Schüler der Wunsch geäußert werde, mehr über den philosophischen Aspekt zu erfahren, gehe die Schule darauf ein. Die Modell-Schule verfügt über ein eigenes Budget, um Referenten einzuladen oder Besuche in Tai-Chi –Zentren zu organisieren.