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Talentflucht in die USA - warum junge Forscher nicht in Deutschland bleiben

Seit Jahren verlassen immer mehr junge deutsche Wissenschaftler Deutschland, um in den USA weiter zu forschen: eine Schätzung des Bundeswissenschaftsministeriums geht davon aus, dass derzeit knapp 20tausend deutsche Nachwuchsforscher in den USA sind - und damit nach Chinesen und Japanern die größte Gruppe stellen. Für den Wissenschaftsstandort hierzulande hat dies vor allem dann negative Auswirkungen, wenn die Akademiker nicht wieder zurück kommen. Dafür gibt es viele Gründe: vor allem mangelt es im deutschen Wissenschaftssystem an klaren Zukunftsperspektiven. - Was ist also zu tun, um die Talentflucht zu stoppen - diese Frage stand im Mittelpunkt einer Tagung an diesem Wochenende in der evangelischen Akademie bei Tutzing.

    Wenn wir sehen, dass 10 Prozent Deutscher, die promovieren, dass in den USA machen und sieben Prozent derjenigen, die promoviert haben, in die USA gehen, dann weiß man, dass deutlich über zehn Prozent guter junger Wissenschaftler nicht im Lande bleiben, sondern in die USA gehen. Dazu kommen die, die nach Frankreich oder GB gehen und der Import von dort ist sehr viel geringer.

    Peter Frankenberg, Wissenschaftsminister von Baden-Württemberg, ist alarmiert, weil der Brain Drain in Richtung USA vor allem hochtalentierte Naturwissenschaftler betrifft, die hierzulande fehlen. Während in den Vereinigten Staaten über die Hälfte der Forschungsleistung von Ausländern erbracht wird, liegt dieser Wert in Deutschland gerade Mal bei zehn Prozent. Und tatsächlich stellt sich für viele deutsche Forscher in den USA gar nicht die Frage, zurückzukehren. - Eigentlich eine absurde Situation, denn noch nie waren die Aussichten für junge Wissenschaftler in Deutschland so gut wie derzeit: Aus Altersgründen müssen in den nächsten Jahren 60 Prozent aller Professuren neu besetzt werden. Doch um eine Stelle zu bekommen, gilt die Habilitation in der Regel noch immer als DIE entscheidende Voraussetzung - eine deutsche Besonderheit, die man in den USA gar nicht kennt - und die von vielen jungen Wissenschaftlern abgelehnt wird:

    Meine Hoffnung war, in die wissenschaftliche Unabhängigkeit zu gelangen und deswegen war es für mich immer ausgeschlossen, nach Deutschland zurückzukehren als Habilitant...das heißt, ich hatte mich eigentlich schon drauf eingestellt, entweder in den USA oder in England auf eine unabhängige Stelle zu gehen, z.B. auf so eine assistent professorship...sowohl in England als auch in den USA hatte ich Angebote, ohne das ich mich jetzt beworben hätte, da hatten verschiedene Institute die Fühler ausgestreckt.

    Aus Deutschland kam für Patrick Cramer kein Angebot. - Dabei hatte sich der Biochemiker gerade an der amerikanischen Elite-Uni Stanford in der experimentellen Proteinforschung international einen Namen gemacht. Dass er letztlich doch in München gelandet ist, hat mit der so genannten Tenior Track Professur zu tun, die es nach amerikanischem Vorbild neuerdings auch hierzulande gibt. - Das heißt: Patrick Cramer ist nun mit nur 33 Jahren Professor am Genz-Zentrum der Münchner Uni, - in einem Alter, wo die meisten gerade mit ihrer Doktorarbeit fertig sind. Jetzt kann er - wie in den USA - selbstständig im eigenen Labor forschen, mit eigenem Etat und wissenschaftlichen Mitarbeitern. Dass die Professur auf fünf Jahre befristet ist, stört ihn nicht:

    Ich sehe das durchaus sehr positiv. Wenn die Kritik konstruktiv ist, kann ich mir das sehr gut vorstellen, dass man immer wieder, alle fünf Jahre, beurteilt wird.

    Doch so jemand wie Patrick Cramer als positives Beispiel für einen Brain-Gain ist bislang die Ausnahme. Über die Hälfte der in den USA lebenden Wissenschaftler kommt wegen der vergleichsweise schlechteren Karriereaussichten, Bezahlung und Arbeitsbedingungen nicht zurück nach Deutschland. Das hohe Ansehen einiger US-Elite-Unis spielt dabei häufig ebenfalls eine Rolle. - Die deutsche Max Planck Gesellschaft kann beim Renomee zwar durchaus mithalten, - doch viele exzellente Nachwuchswissenschaftler erhalten trotz guter Qualifikation trotzdem eine Absage. - Susanne Mellinghoff nennt den Grund:

    Ein wesentlicher Nachteil in Deutschland ist, dass gar die Menge an Stellen da ist, um die Nachwuchswissenschaftler beschäftigen zu können. Sieht man z.B. die USA im Vergleich dazu, sind da ganz andere Möglichkeiten, weil die Unis und Forschungseinrichtungen über ganz andere Potentiale verfügen, Leute zu beschäftigen. Das ist ein Hauptproblem von uns.

    Und angesichts einer Nullrunde für die großen Forschungseinrichtungen werden die Stellen für den wissenschaftlichen Nachwuchs bei der Max Planck Gesellschaft noch knapper, - der weitere Brain Drain in Richtung USA scheint damit vorprogrammiert. - Doch aus Sicht des Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Ernst-Ludwig Winnacker ist die Talentflucht nicht allein durch mehr Geld und mehr Stellen zu stoppen:

    Die wichtigsten Eckpunkte sind frühe Selbstständigkeit, wichtig sind auch die Transparenz der Verfahren, wichtig ist, dass die jungen Leute in Graduiertenschulen sehen, wie man mit anderen gemeinsam promovieren kann. Wichtig ist, dass es transparente Berufungsverfahren gibt, die nicht so lange dauern. Es gibt viele Paramenter, wo wir leicht etwas ändern könnten und auch ohne viel Geld.