Immer wieder liegen sich der notorische Medien- und Kunstprovokateur Christoph Schlingensief und die Gäste seiner Talkshow in den Armen, halten sich aneinander fest, so als müssten sie sich gegenseitig davor schützen, in der Flut der Fernsehbilder, der Schnipsel voller echter und falscher Gefühle von einander weggerissen zu werden. Christoph Schlingensief, das sieht man in der Dokumentation von Cordula Kablitz-Post, ist ein herzlicher Mensch, aber einer, der bereit ist, jedes Gefühl in einen medialen Kick umzumünzen, es für seine Selbstinszenierung zu verwerten und diese unmittelbar anschließend für eigene Betrachtung über Wahrhaftigkeit, Fälschung und Manipulation durch das Bilder-Medium Fernsehen und sein Talk-Show Format zu benutzen.
"Piloten" sind praktisch Sendungen, die nie ausgestrahlt werden. Das sind immer so Testdinger, da bin ich schon zigmal eingeladen worden. Da sitzt man rum, redet, glaubt, man käme im Fernsehen nachher vor und es kommt aber nicht, wird nicht gesendet, wurde abgelehnt von der Redaktion. Das ist ärgerlich, und das machen wir, wir machen was ärgerliches. "
Es war den von Christoph Schlingensief geladenen echten und erfundenen Prominenten also klar, dass ihr Auftritte in dem improvisierten Fernsehstudio im Foyer der Akademie der Künste am Pariser Platz in Berlin nie im Fernsehprogramm zu sehen sein würden. Dennoch sind sie gekommen und haben sich einem Experiment mit unklarem Ausgang unterzogen, denn sie konnten bei einem Talkmaster wie Schlingensief nicht im Voraus wissen, in welchen kunstaktionistischen Kontext er ihre Aussagen stellen würde. Mahnmalinitiatorin Lea Rosh z.B. lässt sich provozieren und geht erbost weg; die Politikerin Claudia Roth lässt sich auf Schlingensiefs Spiel ein und entpuppt sich als naiv medienhörig. So wird im falschen Schein dann doch auch das Wahre offenkundig. Tatsächlich wollte die Persiflage des Fernsehformats hinter dem falschen, dem ironisch gebrochenen Kitsch doch auch das wahre Gefühl provozieren. Höhepunkte dieser flott geschnittenen Fernsehdokumentation sind Augenblicke, in denen sich eine tragische Wirklichkeit ins kindliche Spiel mit Original und Fälschung mischt: Die Grünenpolitikerin Claudia Roth überrascht Schlingensief bei ihrer Ankunft mit der Mitteilung, dass der befreundete türkisch-armenische Autor Hrant Dink am selben Tag erschossen worden ist. Schlingensief selbst überrascht sein Publikum mit der Aussage, dass sein kranker Vater im heimischen Oberhausen im Sterben liege. Im Entscheidungskonflikt zwischen familiärer und beruflicher Verpflichtung treibt Schlingensief sein Spiel mit der medialen Selbstvermarktung über die Schamgrenze hinaus in die Karikatur.
" "Und heute Abend freue ich mich, dass einer gekommen ist, der eigentlich gar nicht hier sein kann, es ist Papa." [Schnitt] "Ich hab das gesehen gestern Abend, und ich hab heute Nacht furchtbar gelitten, ich hasse mich für die Sendung. Ich würde mich erschießen oder aus dem Fenster stürzen, wenn ich von meiner Patentante einen Anruf bekomme, wo es heißt: Ich hab gerade im Fernsehen gesehen, dass du da einen fremden Mann als deinen Vater bezeichnest und von Heimat und Zuhauses redest."
Schlingensief hat immer wieder, im Theater nicht anders als in politischen und Medien sowie Kunst-Aktionen versucht, hinter Klischee, Kitsch und Konvention den authentischen Ausdruck, im Falschen das Richtige auszumachen, mit dem Risiko der totalen Selbstüberforderung, der Lächerlichkeit, der Skandals. Hier nun sind Aktion und Reflexion, optimistischer Aufbruch und Analyse des Scheiterns in rascher Kollage quasi gleichzeitig zu erleben. Die Dokumentation legt so, auch mithilfe einiger Bilder einer sechs Monate später aufgenommenen Begegnung Schlingensiefs mit dem Kunst und Medien-Wissenschaftler Boris Groys, einige fatale Irrtümer beim Umgang mit den Bildern offen: Das Fernsehen kann nicht verewigen, Schlingensiefs verspielte Sehnsucht nach Unsterblichkeit muss unerlöst bleiben.
"Die Piloten" sind intelligente Fernsehkritik, die das beliebte Talk-Format mit seiner kanalisierten, kontrollierten Selbstdarstellung bloßlegt, weil Schlingensief hier etwas versucht, das er nicht im Griff hat, er macht hemmungsloses Fernsehen ohne Netz und doppelten Boden. Deshalb gehörten "Die Piloten", die jetzt auf die Leinwände kommen, eigentlich auch ins Fernsehen.
"Piloten" sind praktisch Sendungen, die nie ausgestrahlt werden. Das sind immer so Testdinger, da bin ich schon zigmal eingeladen worden. Da sitzt man rum, redet, glaubt, man käme im Fernsehen nachher vor und es kommt aber nicht, wird nicht gesendet, wurde abgelehnt von der Redaktion. Das ist ärgerlich, und das machen wir, wir machen was ärgerliches. "
Es war den von Christoph Schlingensief geladenen echten und erfundenen Prominenten also klar, dass ihr Auftritte in dem improvisierten Fernsehstudio im Foyer der Akademie der Künste am Pariser Platz in Berlin nie im Fernsehprogramm zu sehen sein würden. Dennoch sind sie gekommen und haben sich einem Experiment mit unklarem Ausgang unterzogen, denn sie konnten bei einem Talkmaster wie Schlingensief nicht im Voraus wissen, in welchen kunstaktionistischen Kontext er ihre Aussagen stellen würde. Mahnmalinitiatorin Lea Rosh z.B. lässt sich provozieren und geht erbost weg; die Politikerin Claudia Roth lässt sich auf Schlingensiefs Spiel ein und entpuppt sich als naiv medienhörig. So wird im falschen Schein dann doch auch das Wahre offenkundig. Tatsächlich wollte die Persiflage des Fernsehformats hinter dem falschen, dem ironisch gebrochenen Kitsch doch auch das wahre Gefühl provozieren. Höhepunkte dieser flott geschnittenen Fernsehdokumentation sind Augenblicke, in denen sich eine tragische Wirklichkeit ins kindliche Spiel mit Original und Fälschung mischt: Die Grünenpolitikerin Claudia Roth überrascht Schlingensief bei ihrer Ankunft mit der Mitteilung, dass der befreundete türkisch-armenische Autor Hrant Dink am selben Tag erschossen worden ist. Schlingensief selbst überrascht sein Publikum mit der Aussage, dass sein kranker Vater im heimischen Oberhausen im Sterben liege. Im Entscheidungskonflikt zwischen familiärer und beruflicher Verpflichtung treibt Schlingensief sein Spiel mit der medialen Selbstvermarktung über die Schamgrenze hinaus in die Karikatur.
" "Und heute Abend freue ich mich, dass einer gekommen ist, der eigentlich gar nicht hier sein kann, es ist Papa." [Schnitt] "Ich hab das gesehen gestern Abend, und ich hab heute Nacht furchtbar gelitten, ich hasse mich für die Sendung. Ich würde mich erschießen oder aus dem Fenster stürzen, wenn ich von meiner Patentante einen Anruf bekomme, wo es heißt: Ich hab gerade im Fernsehen gesehen, dass du da einen fremden Mann als deinen Vater bezeichnest und von Heimat und Zuhauses redest."
Schlingensief hat immer wieder, im Theater nicht anders als in politischen und Medien sowie Kunst-Aktionen versucht, hinter Klischee, Kitsch und Konvention den authentischen Ausdruck, im Falschen das Richtige auszumachen, mit dem Risiko der totalen Selbstüberforderung, der Lächerlichkeit, der Skandals. Hier nun sind Aktion und Reflexion, optimistischer Aufbruch und Analyse des Scheiterns in rascher Kollage quasi gleichzeitig zu erleben. Die Dokumentation legt so, auch mithilfe einiger Bilder einer sechs Monate später aufgenommenen Begegnung Schlingensiefs mit dem Kunst und Medien-Wissenschaftler Boris Groys, einige fatale Irrtümer beim Umgang mit den Bildern offen: Das Fernsehen kann nicht verewigen, Schlingensiefs verspielte Sehnsucht nach Unsterblichkeit muss unerlöst bleiben.
"Die Piloten" sind intelligente Fernsehkritik, die das beliebte Talk-Format mit seiner kanalisierten, kontrollierten Selbstdarstellung bloßlegt, weil Schlingensief hier etwas versucht, das er nicht im Griff hat, er macht hemmungsloses Fernsehen ohne Netz und doppelten Boden. Deshalb gehörten "Die Piloten", die jetzt auf die Leinwände kommen, eigentlich auch ins Fernsehen.