
Alt und neu, das passt nicht immer gut zusammen. Aber manchmal entsteht durch die Kombination von Tradition und Moderne auch etwas qualitativ völlig Neues mit bislang unerreichten Eigenschaften. Genau das ist die Hoffnung, die Solarzellenentwickler wie Dr. Steve Albrecht vom Helmholtz-Zentrum Berlin derzeit antreibt, wenn sie klassische Solarzellen aus dem Halbleiter Silizium mit einem neuen Partner zusammen bringen.
Heute arbeiten neun von zehn Modulen auf Siliziumbasis
"Also Silizium an sich ist natürlich ein sehr gutes Material und besitzt auch derzeit ungefähr 90 Prozent Marktanteil. Das heißt: Neun von zehn Modulen sind siliziumbasiert. Allerdings: Wenn man weiterhin die Photovoltaik als zentrale Stromversorgungsquelle ausbauen will, dann muss man unter anderem die allgemeinen Kosten senken. Und ein Hebel, um die Kosten gut senken zu können, ist der Wirkungsgrad dieser Solarzelle. Und Silizium stößt bald an die möglichen Grenzen der Energiekonversion, die bei so circa 26 Prozent liegen. Und wenn man dieses altbewährte Silizium mit dem neuen Supermaterial Perowskit verbinden könnte, in einer sogenannten Tandem-Solarzelle, dann könnte man die Grenzen dieser Energiekonversion deutlich übertreffen - und damit eventuell in Zukunft eine günstigere Stromversorgung realisieren."
Tandem-Solarzelle: höherer Wirkungsgrad möglich
Tandem-Solarzellen bestehen aus zwei übereinander gestapelten Solarzellen. Und genau wie sich bei zwei Radfahrern auf einem Tandem die Kraft addiert, mit der sie in die Pedale treten, wächst bei Tandem-Solarzellen die Effizienz, mit der sie Sonnenlicht in Strom verwandeln. Berechnungen zufolge könnte der Wirkungsgrad einer Silizium-Perowskit-Tandemzelle zwischen 30 und 35 Prozent erreichen – deutlich mehr als mit Silizium alleine zu schaffen ist.
"Man kann sagen: Der Perowskit absorbiert genau soviel wie das Auge auch wahrnehmen kann, den gesamten Teil des sichtbaren Lichtes. Silizium hingegen absorbiert auch den Nah-Infrarot-Teil des Lichtes. Und damit sind die beiden komplementär und man kann sozusagen das Sonnenlicht aufteilen. Die Hälfte geht in das Silizium, die andere Hälfte in den Perowskit. Und damit kann man eine effiziente Tandem-Solarzelle realisieren."
Der Wirkungsgrad reiner Perowskitsolarzellen ist in den sieben Jahren seit ihrer Erfindung rasant gewachsen: Von vier Prozent im Jahr 2009 auf mittlerweile 21 Prozent. Um den Platzhirsch Silizium abzulösen reicht das aber noch nicht. Und deshalb, meint Steve Albrecht, wäre es klug, die vielversprechende neue Technologie einfach auf die bestehende draufzusetzen.
"Weltweit werden ja schon viele Silizium-Module hergestellt, in sehr sehr großen Fabriken, in x Herstellungsschritten. Und da könnte man sich vorstellen, dass man zu diesen 20 Herstellungsschritten einfach noch vier dazu packt, die auch die Gesamtproduktionskosten nicht sehr stark erhöhen, aber dafür den Wirkungsgrad deutlich erhöhen."
Perowskit in Kombination mit Silizium in der Erprobung
Die rund 100 Nanometer dicke Perowskit-Schicht, die dafür nötig ist, besteht aus einer Ammoniumverbindung, die Blei und Jod enthält. Aktuell wird sie hergestellt, indem man eine Flüssigkeit auf die Oberfläche der Siliziumsolarzellen aufbringt und die darin gelösten Zutaten kristallisieren lässt. Doch künftig könnte es auf einen simplen Druckprozess hinauslaufen.
"Ich drucke eine Lösung, so wie die Zeitung gedruckt wird. Die schwarze Tinte ist dann die Lösung, die den Halbleiter dann später macht. Und mit diesem Druckprozess könnte man dann auf dem Silizium den Perowskit aufwachsen."
Noch ist das Zukunftsmusik. Aber vielleicht nicht mehr lange, denn weltweit tüfteln Firmen daran, Perowskitsolarzellen zu drucken. Eine wichtige Hürde, um die Chancen der neuen Technologie mit den Vorzügen der altbewährten Silizium-Technik zu kombinieren, hat Steve Albrecht kürzlich genommen. Gemeinsam mit Kollegen von der École polytechnique in Lausanne entwickelte er ein Verfahren, um Perowskitsolarzellen bei viel niedrigeren Temperaturen herzustellen als bislang üblich. Dadurch lassen sie sich erstmals direkt auf Siliziumsolarzellen aufbringen, ohne deren Effizienz in Mitleidenschaft zu ziehen.
Enorme Fortschritte bei der Verbesserung der neuen Technik
"Unsere Solarzelle hatte 18 Prozent Wirkungsgrad im stabilisierten Modus, also so, wie man auf dem Dach die Solarzelle bei Sonneneinstrahlung über eine gewisse Zeit lang laufen lassen würde. Und das war zur Zeit der Publikation der Weltrekord für diesen Typ Solarzelle.
Das war im vergangenen Oktober. Zwei Monate später schraubten andere Forscher diesen Rekord bereits hoch auf 21 Prozent. Das Feld entwickelt sich extrem dynamisch. Eine Firma in Oxford will bereits in den nächsten Jahren erste Silizium-Perowskit-Tandem-Solarzellen verkaufen. Ob das tatsächlich gelingen kann, scheint fraglich. Noch lässt die Langzeitstabilität der Perowskit-Kristalle zu wünschen übrig. Auch dass sie heute noch das giftige Element Blei enthalten, spricht gegen eine rasche Markteinführung. Elemente wie Zinn oder Germanium könnten an seine Stelle treten. Die damit gefertigten Solarzellen sind aber noch nicht so effizient. Bei aller Euphorie gebe es noch viel zu tun, räumt Steve Albrecht ein: In den kommenden fünf Jahren müsse sich zeigen, ob Perowskite wirklich das Zeug haben, eine neue Ära der Photovoltaik einzuläuten.