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"Tango-Palast"

Mit der Premiere des dreiteiligen Tanzabends "Tango Palast" hat am Freitag in Dessau das 15. Kurt-Weill-Fest begonnen. Die Kompanie von Kammertänzer Gregor Seyffert gab ein farbenfrohes Plädoyer für den Tango ab, unter anderem zu Musik von Kurt Weill.

Von Georg Friedrich Kühn |
    Der wohl berühmteste Tango aus der Feder Kurt Weills, die Zuhälterballade aus der "Dreigroschenoper" - damit fängt es an. Gregor Seyffert, hergemacht als Kellner im Military-Look einer Schnellrestaurantkette, legt die alte Grammophon-Platte auf.

    Dann stellt er elegant tänzelnd Tische und Stühle auf. Hinter den Türen drängeln schon die Gäste. Und gleich dürfen sie hereinspazieren in ganz schön verrückten Kostümen: ein Mädchen wie aus einer Zirkusnummer, die Rühr-mich-nicht-an-Ballerina, der Zylinder-Pfau, die gelb-blonden Zwillinge.

    Anfangs spielt hinten eine kleine Kapelle wie im Original, später hört man ein ganzes Orchester aus dem Graben, und am Ende wummert Disco-Musik aus den Lautsprechern. Da gibt's dann auch einigen Video-Schnickschnack mit halbierten Figuren in zeitgemäßeren Kostümen - mal live, mal virtuell als Video.

    Es ist sehr bunt. Es geht über weite Strecken auch recht unterhaltsam zu. Und mittendrin immer der Chef der 12-köpfigen Dessauer Compagnie, Gregor Seyffert, als eine entfernte Mischung aus Woody Allen und Charlie Chaplin, Tabletts balancierend, Koffer schleppend, durch die Luft segelnd.

    "Tango Palast" nennt Gregor Seyffert seine Choreografie, die Auftaktveranstaltung zum Kurt-Weill-Fest Dessau. Die Musik freilich stammt nur zum geringsten Teil von Kurt Weill, vieles ist von Astor Piazzolla und den Komponisten des Tango Nuevo.

    "Weill getanzt" heißt das Motto des diesjährigen Dessauer Weill Fests. Bereits zum 15. Mal findet es nun statt, jeweils um den Geburtstag des einst als jüdischer Kantorensohn hier im Anhaltinischen geborenen, später exilierten Komponisten.

    Kurt Weill und der Tanz - es gibt viele Verknüpfungen. Weills erste Theatermusik 1922 war eine Ballettmusik: "Zaubernacht". Bei dieser Produktion lernte er seine spätere Frau Lotte Lenya kennen.

    Immer wieder hat Weill die Formen der Musik seiner Zeit eingesetzt. Und die waren geprägt von den Tänzen der Zeit. Allerdings - immer benutzt er sie für inhaltliche Aussagen.

    Hier in Seyfferts "Tango Palast" werden sie nur einfach benutzt für eine süffige Show. Eine zweite Ebene gibt es nicht.

    Zwar ist im Verlauf des Festivals auch noch ein originales Ballett zu sehen. Die britische Rambert Dance Company hat eine Choreografie rekonstruiert, die in den späten 30iger Jahren Antony Tudor entwarf auf Songs aus der "Dreigroschenmusik".

    An die noch anspruchsvolleren "Sieben Todsünden", ja ebenfalls entstanden im Exil, hat man sich aber noch nicht wieder gewagt. Es gab davon eine sehr eindrucksvolle Interpretation in einem der ersten Weill Festivals.

    Aber auch die "Zaubernacht" enthält ja Musik, die an Eindrücklichkeit Ihresgleichen sucht. Die ganze Palette der Möglichkeiten Kurt Weills ist da schon angelegt. Von den jüdischen Ursprüngen bis hin zum Parodistischen der Zwanziger Jahre.