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Tanker mit Knautschzone

Wenig Kraftstoff, besonders sicher - in der Kieler Lindenau-Werft werden die größten Doppelhüllen-Tanker Deutschlands hergestellt. Seit 1919 gibt es das mittelständische Unternehmen, das mit Qualität, Zuverlässigkeit und einem breiten Angebot gegen die riesigen Werften in China und Korea bestehen möchte.

Von Jasper Barenberg |
    Was da im Kieler Stadtteil Friedrichsort unaufhaltsam vom Wasser der Förde in Richtung Straße heranwächst, trägt schon die Züge eines Schiffes, ist aber lange noch nicht fertig. Sektion für Sektion schweißen Arbeiter derzeit grauen Stahl zusammen, sieben Stockwerke hoch. Mitte November wird der Schiffsrumpf eine Länge von über 180 Metern erreicht haben, wird der Koloss beim Stapellauf über Gleitbahnen ins Wasser laufen, an der Pier vertäut und dort fertiggestellt.

    Der Tanker ist der zweite von insgesamt vier Schiffen, die Geschäftsführer Dirk Lindenau für einen Bremer Reeder auf Kiel legt. Mit einer Tragfähigkeit von rund 40 Tausend Tonnen sind sie zwar klein - jedenfalls im Vergleich zu den Giganten, die bis zu zehn Mal soviel Rohöl aus dem Persischen Golf in die Raffinerien in Europa oder den USA schaffen. Aber sie sind die größten bislang in Deutschland gebauten Doppelhüllentanker überhaupt. Und sie zählen zu den sichersten Tankern der Welt, die zudem auch noch vergleichsweise wenig Kraftstoff verbrauchen.

    Auf seinem Stand auf der Hamburger Messe hat Dirk Lindenau sein Jackett ausgezogen. Er ist auf der Werft aufgewachsen, hatte aber zunächst andere Pläne, als den Betrieb von seinem Vater zu übernehmen. Er studiert zwar Maschinenbau, interessiert sich aber eher für Großmotoren als für Schiffe, möchte im internationalen Vertrieb arbeiten.

    "Und dann rief mein Vater an und sagte: Pass' mal auf: Wenn Du in die Werft kommen willst, dann musst Du Dich jetzt sehr zeitnah entscheiden. Du kannst nicht mit dem Namen hier herkommen und den Big Boss machen, sondern Du musst das schon richtig lernen. Und wir müssen gucken, ob Du das auch wirklich kannst! Das war nicht ganz einfach, ich habe aber unheimlich viel gelernt."

    Dirk Lindenau behauptet sich gegen den dominanten Vater, übernimmt von ihm die Werft, die der Großvater 1919 ursprünglich im ostpreußischen Memel gegründet und nach dem Krieg in Kiel neu aufgebaut hatte. Er ersetzt die bisher straffe Führung von oben durch Teamarbeit. 1976 läuft der erste Tanker mit doppelter Hülle vom Stapel, damals ein völlig neues Sicherheitskonzept. Bis heute die Grundlage für den Erfolg der Werft.

    Den ganzen Tag schon steht Dirk Lindenau auf der Hamburger Messe Kunden für Gespräche zur Verfügung. Sein Auftragsbuch ist bis ins Jahr 2009 gut gefüllt.

    "Wir wissen natürlich, dass der Doppelhüllentanker für uns im Moment eine sehr sehr gute Beschäftigung bedeutet. Aber sie haben ja für ein Produkt keinen Garantieschein! Also müssen wir sehr intensiv Marktforschung machen. Das ist ein Baustein.

    Und wir müssen so strukturiert sein, dass wir auch jedes andere Schiff entwickeln können. Das heißt, wir haben uns so entwickelt, dass wir ein Systemhaus sind: Wir können Kunden richtige Systemlösungen anbieten. Und diese mit dem Kunden so optimieren, dass wir trotz eines höheren Gestehungspreises das bessere Produkt für seinen Markt anbieten."

    Zu den neu entwickelten Schiffstypen zählt ein 130 Meter langes Frachtschiff. Lindenau wird es für eine Hamburger Reederei bauen. Vor allem mit seinem Antriebskonzept dürfte der Frachter für Aufsehen sorgen. Denn er soll mit so genannten Flettner-Rotoren ausgestattet werden. Die nutzen den Fahrtwind für den Antrieb. Und sparen dadurch selber Energie.

    "Einen Flettner-Rotor muss man sich wie einen Zylinder vorstellen, der rotiert. Und wenn sie eine Walze zum Rotieren bringen und sie wird von Wind angeströmt, dann gibt es Auftriebskräfte, die allerdings bei einem Schiff in Vortrieb umgewandelt werden. Davon kommen vier solche Rotoren auf das Schiff und das bedeutet, dass das Schiff mindestens 50 Prozent Antriebsenergie sparen wird - bei bestimmten Windstärken natürlich - und wir bauen das ein."

    Benannt sind die Rotoren nach Anton Flettner. Er hat diese Antriebsart vor 80 Jahren in Kiel entwickelt und auf zwei Schiffen erprobt.

    "Diese Versuche sind damals allerdings leider nicht erfolgreich zum Abschluss gebracht worden. Das soll jetzt aber mit diesen neuen Schiffen geschehen!"

    Und auf diese Weise demonstrieren, dass Lindenau mit seinen knapp 400 Mitarbeitern noch viel mehr kann, als Tanker mit Doppelhüllen zu bauen. Denn von einem ist Dirk Lindenau überzeugt: Im rauen Wind des weltweiten Wettbewerbs mit den riesigen Werften in Korea und China wird das vergleichsweise kleine Unternehmen nur bestehen können, wenn es auch in Zukunft technologisch die Nase vorn hat.

    Den Preiskampf mit den massiv subventionierten Niedriglohnwerften in Asien kann Lindenau nicht gewinnen. Behaupten kann sich die mittelständische Werft nur durch Qualität ,Zuverlässigkeit und eine breites Angebot von Produkten, zu denen auch Container, Schlepper oder Bohrschiffe gehören. Über Umsatz und Ertrag spricht Dirk Lindenau nicht gerne. Er wirtschaftet profitabel, das muss als Auskunft reichen. Das hat mit den gefragten Spezialschiffen zu tun, die er baut. Und mit der starken Position in der Nische, die sich Lindenau in den letzten Jahrzehnten erarbeitet hat. Und so soll es an der Kieler Förde auch bleiben.

    "Aber das ist eine Daueraufgabe. Und der müssen wir uns stellen! Und wir müssen eben alle Cleverness aufbringen, es besser als die anderen zu machen. Das ist die Herausforderung!"