Auf der Bühne ist ein Quadrat aus Zuschauertribühnen aufgebaut, in der Mitte bleibt nicht mehr viel Platz zum tanzen. Ganz langsam führt eine Tänzerin eine Arabesque aus, neigt sich gen Boden, fällt in ein tiefes, demütiges plié à la Seconde, öffnet die Arme, die Handflächen, schreitet rückwärts, in aller Stille.
Es sind Gesten der Öffnung und Hingabe, die diesen Abend beherrschen, Gesten extremer Dehnung. Ganz zart stimmen die neun Tänzer ein in dieses Zerdehnen und Zusammenfalten, und es ist vor allem ihre wundersam liebevolle Präsenz, ihre Art, die Bewegungen umsichtig, glasklar und doch ganz weich zu setzen, die diesen Abend ausmacht.
Denn "Mamootot", so der Titel dieses neuen Stückes der Batsheva Dance Company, langweilt auf Dauer durch seine starre Dramaturgie, durch die beständigen Wechsel zwischen harter Rockmusik, zu der alle wild herumfuchteln in peinlich sozialkritisch anmutender Hampelei, und meditativer japanischer Musik, die die Atmosphäre schafft für das, was diesen Abend eigentlich ausmacht: Für das zarte Fragment einer Bewegung, die erotische Flüchtigkeit des Augenblicks, die Schönheit menschlicher Füße, wie sie mit Bedacht Gewicht verteilen in den Boden. Ein Gefühl der Ehrfurcht für den menschlichen Körper befällt einen beim Zuschauen der ruhigen Passagen dieses Stückes, ein Gefühl der Liebe und Intimität. Und das macht diesen rätselhaften Abend kostbar.
Ebenso gelungen, wenn auch auf ganz andere Art, war das gemischte Tanzprogramm gestern Abend in der Berliner Staatsoper Unter den Linden. Performer-Choreografen reihten sich neben zeitgenössisches Ballett. Nur der in Berlin gefeierte Startänzer Vladimir Malakhov enttäuschte sein Publikum, indem er kurz und knapp verkündete, er sei auch einen Monat nach seiner Operation noch nicht genesen und könne nicht auftreten. Das Publikum raunte: Richtig klassisches Ballett würde es also an diesem Abend nicht geben. Dafür um so mehr zeitgenössische Dekonstruktion des Balletts. Und hier war man vor allem gespannt auf das neue Stück von Jérôme Bel, im vergangenen Jahr choreografiert für die Pariser Oper:
Das Ballett "Schwanensee", zweiter Akt. Das Publikum amüsiert sich prächtig. Denn auf der Bühne der Berliner Staatsoper ist nur eine einzige Tänzerin zu sehen. Und sie zeigt uns, was man als Ensemblemitglied so tut im Schwanensee: Minutenlang herumstehen nämlich, um dann plötzlich ein paar kleine Sprünge zu vollführen, um dann wieder minutenlang einzufrieren, ohne einen Mucks. Schließlich ist man nur fleischliche Dekoration für die Solisten.
Der in der zeitgenössischen Theater- und Performance-Szene gefeierte Jérôme Bel hat dieses Stück choreografiert, und hat ihm als Titel den Namen der Tänzerin gegeben: "Véronique Doisneau". Sie steht an der Rampe und stellt sich vor: 41 Jahre, 2 Kinder, Solistin. Hat es nie geschafft, ein Star zu werden, war wohl nicht talentiert genug. Und während sie mit ausgestreckten Beinen wie eine Puppe am Boden sitzt, plaudert sie über ihre Arbeit mit verschiedenen Choreografen, springt immer wieder auf und zeigt uns Ausschnitte. Tanzt den dritten Akt der "Bayadère" und summt dazu die Musik laut mit; probiert die Traumrolle jeder Tänzerin, die Giselle; und erinnert sich an Merce Cunninghams Arbeit ohne Musik. "Veronique Doisneau" ist ein wunderbar komisches Stück über das Tänzerleben, einfach gebaut und anrührend.
Excellent auch das zweite Stück des Abends, die Version der "Giszelle" von Xavier Le Roy und Esther Salamon. Die Solistin Salamon schlängelt sich vorwärts und rückwärts durch 200 Jahre Kulturgeschichte, und führt uns vor Augen, dass sich zwischen der romantischen "Giselle" und dem Disko-Fieber von John Travolta nicht viel getan hat. Der Bewegungskanon ist nach wie vor begrenzt auf: Tanzen und Turteln, Hauen und Stechen. Salamon’s "Giszelle" ist eine bemerkenswerte Arbeit, klug, wundersam, und innovativ.
Das Publikum in der Berliner Staatsoper aber verließ nach und nach die oberen Ränge, zwischen Bravo-Rufe mischten sich etliche Buhrufe. Es ist also noch ein langer Weg, den das Staatsballett vor sich hat auf dem Weg seiner Erneuerung. Dieser Abend war ein mutiger Auftakt.
Es sind Gesten der Öffnung und Hingabe, die diesen Abend beherrschen, Gesten extremer Dehnung. Ganz zart stimmen die neun Tänzer ein in dieses Zerdehnen und Zusammenfalten, und es ist vor allem ihre wundersam liebevolle Präsenz, ihre Art, die Bewegungen umsichtig, glasklar und doch ganz weich zu setzen, die diesen Abend ausmacht.
Denn "Mamootot", so der Titel dieses neuen Stückes der Batsheva Dance Company, langweilt auf Dauer durch seine starre Dramaturgie, durch die beständigen Wechsel zwischen harter Rockmusik, zu der alle wild herumfuchteln in peinlich sozialkritisch anmutender Hampelei, und meditativer japanischer Musik, die die Atmosphäre schafft für das, was diesen Abend eigentlich ausmacht: Für das zarte Fragment einer Bewegung, die erotische Flüchtigkeit des Augenblicks, die Schönheit menschlicher Füße, wie sie mit Bedacht Gewicht verteilen in den Boden. Ein Gefühl der Ehrfurcht für den menschlichen Körper befällt einen beim Zuschauen der ruhigen Passagen dieses Stückes, ein Gefühl der Liebe und Intimität. Und das macht diesen rätselhaften Abend kostbar.
Ebenso gelungen, wenn auch auf ganz andere Art, war das gemischte Tanzprogramm gestern Abend in der Berliner Staatsoper Unter den Linden. Performer-Choreografen reihten sich neben zeitgenössisches Ballett. Nur der in Berlin gefeierte Startänzer Vladimir Malakhov enttäuschte sein Publikum, indem er kurz und knapp verkündete, er sei auch einen Monat nach seiner Operation noch nicht genesen und könne nicht auftreten. Das Publikum raunte: Richtig klassisches Ballett würde es also an diesem Abend nicht geben. Dafür um so mehr zeitgenössische Dekonstruktion des Balletts. Und hier war man vor allem gespannt auf das neue Stück von Jérôme Bel, im vergangenen Jahr choreografiert für die Pariser Oper:
Das Ballett "Schwanensee", zweiter Akt. Das Publikum amüsiert sich prächtig. Denn auf der Bühne der Berliner Staatsoper ist nur eine einzige Tänzerin zu sehen. Und sie zeigt uns, was man als Ensemblemitglied so tut im Schwanensee: Minutenlang herumstehen nämlich, um dann plötzlich ein paar kleine Sprünge zu vollführen, um dann wieder minutenlang einzufrieren, ohne einen Mucks. Schließlich ist man nur fleischliche Dekoration für die Solisten.
Der in der zeitgenössischen Theater- und Performance-Szene gefeierte Jérôme Bel hat dieses Stück choreografiert, und hat ihm als Titel den Namen der Tänzerin gegeben: "Véronique Doisneau". Sie steht an der Rampe und stellt sich vor: 41 Jahre, 2 Kinder, Solistin. Hat es nie geschafft, ein Star zu werden, war wohl nicht talentiert genug. Und während sie mit ausgestreckten Beinen wie eine Puppe am Boden sitzt, plaudert sie über ihre Arbeit mit verschiedenen Choreografen, springt immer wieder auf und zeigt uns Ausschnitte. Tanzt den dritten Akt der "Bayadère" und summt dazu die Musik laut mit; probiert die Traumrolle jeder Tänzerin, die Giselle; und erinnert sich an Merce Cunninghams Arbeit ohne Musik. "Veronique Doisneau" ist ein wunderbar komisches Stück über das Tänzerleben, einfach gebaut und anrührend.
Excellent auch das zweite Stück des Abends, die Version der "Giszelle" von Xavier Le Roy und Esther Salamon. Die Solistin Salamon schlängelt sich vorwärts und rückwärts durch 200 Jahre Kulturgeschichte, und führt uns vor Augen, dass sich zwischen der romantischen "Giselle" und dem Disko-Fieber von John Travolta nicht viel getan hat. Der Bewegungskanon ist nach wie vor begrenzt auf: Tanzen und Turteln, Hauen und Stechen. Salamon’s "Giszelle" ist eine bemerkenswerte Arbeit, klug, wundersam, und innovativ.
Das Publikum in der Berliner Staatsoper aber verließ nach und nach die oberen Ränge, zwischen Bravo-Rufe mischten sich etliche Buhrufe. Es ist also noch ein langer Weg, den das Staatsballett vor sich hat auf dem Weg seiner Erneuerung. Dieser Abend war ein mutiger Auftakt.