Edgar Degas wird immer wieder mit der Bewegung der Impressionisten in einen Topf geworfen. Das ist sicherlich nicht falsch, meint Maria Teresa Benedetti. Aber während Renoir, Monet, Sisley und Pissaro in der Natur malten, den Kontakt mit der Natur suchten, sie in gewisser Weise für den Impressionismus entdeckten, kam Degas immer mehr von der Freiluftmalerei ab. Blühende Wiesen und kahnfahrende Liebespaare auf romantischen Flüssen in der Umgebung von Paris, Seerosen und andere Blumen: das waren nicht seine Sujets. Die Ausstellung in Rom macht das deutlich: Degas war der einzige Impressionist, der ausschliesslich das Drinnen malte, Menschen in Räumen. Selbst seine zahlreichen Pferdeporträts wirken wie im Studio gemalt.
Maria Teresa Benedettis Intention ist es, Degas aus der Gruppe der Impressionisten herauszulösen, ihn als jemanden vorzustellen, der schon auf den kommenden Futurismus verweist, auf jene Gruppe von Künstlern, die von der Schnelligkeit, Bewegung und ihren Abläufen fasziniert war:
Seine Beschäftigung mit der Fotografie zum Beispiel: er wollte sehen, wie sich menschliches und tierisches Gehen in Bewegungsabschnitte aufteilt und künstlerisch umsetzen lässt. Dafür nutzte er die Fotografie. Wir zeigen hier Degas' wichtigste Schwarzweißbilder und stellen ihnen Pastellbilder gegenüber, an denen deutlich wird, wie sehr sich der Künstler von der Fotografie beeinflussen ließ. Es waren diese Beeinflussungen, die sein Schaffen so vielseitig macht.
So vielseitig und so anders als das der anderen Impressionisten. Degas malte die Menschen der Salons, der Hinterzimmer und Tanzsäle. Mit einer farblichen und gestalterischen Intensität, die über den Impressionismus hinausreicht. Sogar die futuristischen Maler Italiens liessen sich in den 20er Jahren von der Dynamik in Degas' Bildern beeinflussen.
Neben den aus Privatsammlungen in den USA zusammengeliehenen Gemälden und Skulpturen - von denen viele seit Jahrzehnten in Europa nicht mehr zu sehen waren - wird der Besucher in der Ausstellung immer wieder auf die Person Degas' aufmerksam gemacht. Eine Person, die so gar nicht dem Klischee des lebenslustigen und Absinth-schlürfenden Impressionisten des Fin de siècle entspricht. Edgar Degas wird als unausstehlicher Zeitgenosse vorgestellt: er ist hypochondrisch und neurotisch, kritisierte alles und jeden und machte keinen Hehl daraus, dass er mit Frauen nichts anfangen konnte. Maria Teresa Benedetti:
Wir haben hier diese beiden Pole: der Frauenhasser und der Maler wunderbarer Frauenbilder. Zwei Seelen in einer Brust, die zeigen, dass Degas ein innerlich zerrissener Mann war, in diesem Sinn bereits ein Künstler des 20. Jahrhunderts. Er fühlte sich getrieben, er wollte Altes und Gewissheiten hinter sich liess. So war er auch der erste moderne Maler, der mit den Fingern Ölfarbe auf Leinwände auftrug. Er war sehr modern.
In der Kunst. In politischen und gesellschaftlichen Einstellungen sicherlich nicht. Es macht den Besuch der römischen Degasschau so reizvoll, dass man immer wieder mit der Person des Künstlers konfrontiert wird. So erfährt man, dass Degas ein überzeugter Antisemit war. Auch in der Dreyfuss-Affäre hatte er seine eigene Überzeugung: während sich alle anderen Impressionisten für die Rehabilitierung des jüdischen Militärs einsetzten, begrüßte Degas dessen Verbannung.
Degas - classico e moderno
Rom, Complesso Monumentale del Vittoriale
bis 01.02.2005