Zu schön, um wahr zu sein: Choreografin und Performerin Mamela Nyamza ist nicht schwarz, sie ist golden. Und sie ist auch keine wirkliche Person, sondern ein Prunkstück, ein lebendes Kunstwerk, das - wie in einem Museum - mit einer roten Absperrkordel vor Berührungen geschützt ist. Einer Stammeskönigin gleich thront Nyamza auf dem vergoldeten Gestänge eines Schiedsrichter-Hochstuhles, wie man ihn etwa aus dem Tennis kennt. Nur Schmuck ziert ihre nackte, ebenfalls mit Goldfarbe besprühte Haut: zu Ketten zusammengefasste Münzen über der Scham, klirrende Armreifen. Von oben blickt sie kühl auf uns herab und wippt huldvoll mit einzelnen Körperpartien zum Hit "Memeza" des südafrikanischen Musikers Benny Maverick. Eigentlich ein Partysong, der aber zur Protesthymne gegen Gewalt an Kindern und Frauen wurde.
Schwarze Justitia
So haben wir sie gern, die afrikanische Frau, so bestätigt Nyamza unsere Exotismen von der stolzen, schönen, natürlichen Stammesführerin. Ein zweiter Performer in Gerichtsrobe reicht ihr eine glitzernde Waagschale und fordert die Zuschauer auf, sich zu erheben vor dieser herrlichen schwarzen Justitia. Ab jetzt richtet Afrika, erzählt uns dieses Bild, nur steht die Szene nicht am Ende, sondern am Anfang der Performance - was eben kein Zeichen dafür ist, dass es beim "Black Privilege" bleiben wird. Mamela Nyamza ist eigentlich klassisch ausgebildete Tänzerin. Sie studierte in Pretoria und an der Alvin Ailey School in New York. Aber eine Karriere als mainstream-taugliche Ailey-Ballerina sollte es dann doch nicht werden.
Inspiration aus eigener Biografie
In ihren Stücken nimmt sie die eigene Biografie zum Ausgangspunkt: ihre jugendliche Begeisterung für die weiße Hochkultur, ihr lesbisches Coming-Out, ihre Angst vor dem Wiedererstarken der Rassismen in der einstigen Regenbogennation und wie im aktuellen Stück ganz MeToo-feministisch: die Zurichtungen des weiblichen Leibes, der Verlust der Souveränität über den eigenen Körper. So ist es mit den afro-pop-beschwingten "Good Vibrations" des Anfangs bald vorbei, und zwar ganz wörtlich zu verstehen. Das goldene Podest, auf dem Nyamza steht, entpuppt sich nämlich überraschend als sogenannter Vibrationstrainer, also als ein Fitnessgerät, auf dem der Körper permanent durchgerüttelt wird. Das stählt nicht nur Muskeln, sondern schmilzt auch Fett weg. Auf diesem angesagten Body-Perfektionierer lässt Nyamza nun in wechselnden Posen ihr nacktes Fleisch durchzittern: ihr klappernder, klirrender Schmuck liefert das zarte Panik-Klangbett dazu. Schweiß fließt. Ein demütigendes Martyrium, das im harmlosesten Fall Assoziationen an das Shaking im afrikanischen Tanz weckt, später aber auch an eine Vergewaltigung, vielleicht gar den Tod auf dem elektrischen Stuhl denken lässt.
Hommage an Ikonen
Das Programmheft legt nahe, dass ihre Körperhaltungen zudem an ihre persönlichen Ikonen erinnern sollen: die Anti-Apartheidskämpferin und Politikerin Winnie Madikizela-Mandela oder Germaine Acogny, die Grande Dame des zeitgenössischen afrikanischen Tanzes. Und die Startpose einer Läuferin dürfte Caster Semenya gewidmet sein, mit der Nyamza schon in jungen Jahren verglichen wurde wegen ihrer kräftigen Beine. Doch diese Referenzen ahnt wohl nur, wer vorab gut gelesen hat. Nicht entgehen aber kann man in dieser starken, minimalistischen Choreografie der Scham des Schauens auf einen entwürdigten Körper. Der verliert am Ende ganz seine Menschlichkeit, wenn Nyamza zu den Wegansagen eines Navigationsgerätes wie ein Parasit über den Boden robbt, eine verschmierte Goldspur hinterlässt und ihre wahre Hautfarbe sichtbar wird. Naheliegend ist die Verwendung von High-Tech-Geräten nicht gerade, aber so viel Schrulligkeit darf sein in dieser finsteren Körperinszenierung, die die Zuschauer von der lustvollen Bewunderung ins peinliche Unbehagen stürzt. Mit einer Mamela Nyamza, die die Verwandlung von der Kunstikone zum Kriechtier schonungslos und unbequem drastisch vollzieht.