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Tarifabschluss in der Metallindustrie
"Die Lohnsteigerung ist enttäuschend"

Die in der Metallindustrie vereinbarten neuen Arbeitszeitmodelle seien nicht besonders innovativ, sagte der DIW-Tarifexperte Karl Brenke im Dlf. Und auch die ausgehandelte Lohnsteigerung von 4,3 Prozent höre sich nur gut an, kritisierte Brenke. Die Gewerkschaft habe den Verteilungsspielraum nicht ausgeschöpft.

Karl Brenke im Gespräch mit Sina Fröhndrich | 06.02.2018
    Teilnehmer einer Kundgebung der IG Metall in Böblingen 15.11.17
    Die sechs Prozent mehr, die die IG Metall gefordert hatte, sind es nicht geworden (dpa / Marijan Murat)
    Sina Fröhndrich: Innovative Arbeitszeitwelt – so loben Arbeitgeber den Tarifabschluss. Wie lässt sich vor allem das Element der möglichen Teilzeit bewerten? Das wollte ich wissen und habe nachgefragt bei Karl Brenke, Tarifexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. Wie innovativ findet er den Tarifabschluss?
    Karl Brenke: Na ja, besonders innovativ ist er eigentlich nicht. Wir kennen beispielsweise ja von der Post die Möglichkeit, dass die Arbeitnehmer wählen können, nehmen sie Tariflohn-Steigerungen in Anspruch oder tauschen sie das gegen Freizeit ein. Das hat man jetzt auch im Bereich der IG Metall vereinbart. Aber man ist sehr weit ab von den Forderungen, die ursprünglich gestellt wurden, die da hießen, stellt den Mitarbeitern frei, ihre Arbeitszeit bis auf 28 Stunden die Woche zu reduzieren und das auch mit teilweisem Lohnausgleich. Das hat es ja nicht gegeben.
    Fröhndrich: Aber ist es denn tatsächlich Aufgabe der Arbeitgeber, einen Lohnausgleich zu zahlen, wenn ein Arbeitnehmer gesellschaftlich relevante Aufgaben übernimmt?
    "Beschäftigte haben faktisch einen Teilzeitanspruch"
    Brenke: Na ja, das ist natürlich nicht die Aufgabe der Arbeitgeber. Aber man kann natürlich versuchen, die Arbeitszeit zu verkürzen und das teilweise mit Lohnausgleich zu gestalten. Letztendlich ist das aber natürlich nichts anderes als eine Stundenlohnerhöhung über die Zeit umgerechnet. Das kann man als Gewerkschaften fordern, aber es ist nicht durchgesetzt. Man hat an dieser Stelle im Grunde genommen sich eigentlich nur das Recht eingehandelt, dass Beschäftigte freiwillig ihre Arbeitszeit ohne Lohnausgleich reduzieren können. Das heißt, dass sie faktisch Teilzeitanspruch haben.
    Fröhndrich: Das ist ja etwas, was es grundsätzlich in Deutschland so noch nicht gibt, zumindest nicht rechtlich verankert. Die SPD ist mit dieser Forderung ja gescheitert. Hat das nicht dann doch ein bisschen Signalwirkung?
    Brenke: Ja, ein bisschen Signalwirkung hat es vielleicht. Aber man kennt das ja auch aus anderen Branchen. Von daher kann sich die IG Metall und können sich die Arbeitgeber auch nicht mit der Feder schmücken, besonders innovativ oder Vorreiter auf diesem Gebiet zu sein, zumal man ja auf der anderen Seite die Möglichkeit hat, dass seitens der Arbeitgeber bei Neueinstellung man auch von der 35-Stunden-Woche nach oben hin abweichen kann.
    Fröhndrich: Das ist aber vielleicht auch im Sinne des einen oder anderen Beschäftigten, mal ein bisschen mehr zu arbeiten, um ein bisschen mehr zu verdienen und zum Beispiel Geld anzusparen.
    "Das ist angesichts der blendenden Lage enttäuschend"
    Brenke: Ja, das ist schon richtig. Aber wenn man sich die Realität anguckt, in der Metall- und Elektroindustrie ist eigentlich die 35-Stunden-Woche ohnehin eine Fiktion, steht nur auf dem Papier. Tatsächlich werden im Durchschnitt dort 38 Stunden gearbeitet.
    Fröhndrich: Was bleibt denn dann von diesem Tarifabschluss? Vielleicht die 4,3 Prozent?
    Brenke: Die 4,3 Prozent hören sich zwar gut an, sie sind aber keine 4,3 Prozent, weil die ersten drei Monate des Tarifjahres mit null begleitet sind beziehungsweise für diese drei Monate gibt es nur 100 Euro. Und wenn man das auf das ganze Jahr umrechnet, dann haben wir einen Tarifabschluss, der eine Lohnsteigerung von 3,4 Prozent vorsieht, und für das nächste Jahr eigentlich nur eine Lohnsteigerung von drei Prozent. Das ist angesichts der blendenden Lage der deutschen Metall- und Elektroindustrie enttäuschend. Und wenn man das so sehen will: Die Gewerkschaft hat mal wieder den Verteilungsspielraum nicht ausgeschöpft.
    "Das wird eher nicht für Familien und Kinder interessant sein"
    Fröhndrich: Dann versuche ich es noch mal mit einem anderen Punkt. Die Arbeitnehmer sollen ab dem nächsten Jahr einen tariflichen Zuschlag bekommen und wer möchte, kann diesen Zuschlag aber auch in Urlaubstage umwandeln. Und zumindest wenn man sich um Familie oder zu pflegende Angehörige kümmert, dann kann man auch acht freie Tage nehmen, und zwei davon werden vom Arbeitgeber finanziert. Ist das vielleicht etwas, was man auch gutheißen könnte?
    Brenke: Ja gut. Im Grunde genommen ist es ja auch eine freiwillige Reduzierung der Arbeitszeit. Man kann die zusätzlichen freien Tage dann nehmen, hat aber das Problem, dass man keine Lohnerhöhung hat. Auf der anderen Seite ist es so: Die IG Metall hat ja damit argumentiert, das wäre gerade besonders für Familien mit Kindern interessant. Ich glaube, das wird eher nicht für Familien und Kinder interessant sein, sondern gerade diese brauchen ja eher das Geld.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.