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Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst
Auch ein Scheitern und Streiks sind möglich

Die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Länder kommen nicht voran. Die Vorstellungen lägen weit auseinander, sagt Verdi-Chef Frank Bsirske. Die Gewerkschaften drohen, wenn es nicht bald ein Angebot der Arbeitgeber gebe, werde es zu Urabstimmungen und Streiks kommen.

Von Vanja Budde | 28.02.2019
Verdi-Chef Frank Bsirske (links) begrüßt vor Beginn der dritten Runde der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst der Länder die demonstrierenden Gewerkschafter in Potsdam
Verdi-Chef Frank Bsirske (links) begrüßt vor Beginn der dritten Runde der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst der Länder die demonstrierenden Gewerkschafter in Potsdam (picture alliance/ dpa/ Bernd Settnik)
Nach bundesweiten Warnstreiks mit nach Gewerkschaftsangaben 40.000 Beteiligten, geschlossenen Kitas und Unterrichtsausfall an vielen Schulen, hoffen die Arbeitgeber auf ein Ergebnis. Doch bei den Gewerkschaften ist die Skepsis groß, bei Verdi-Chef Frank Bsirske zum Beispiel:
"Die Ausgangslage ist kompliziert. So kompliziert, dass man eigentlich überhaupt keine Prognose wagen kann, weil wir in allen drei wesentlichen Themenfeldern weit auseinander liegen."
Nämlich erstens in der Forderung nach sechs Prozent mehr Gehalt, mindestens 200 Euro, und zweitens nach einem Zuschlag für die Krankenpflege. Verbesserungen hier müssten die Kassen bezahlen, betonte Bsirske, den Ländern entstünden keine zusätzlichen Kosten:
"Auch da mauern sie und behaupten, sie hätten trotzdem Finanzierungslasten zu übernehmen. Keiner versteht warum und keiner versteht wie."
Drei dicke Bretter zu bohren
Das dritte dicke Brett, das zu bohren ist: Was die Gewerkschaften seit Jahren fordern, das soll in dieser Runde endlich bewerkstelligt werden: Bestimmte Berufsgruppen sollen in der Entgelttabelle höher eingruppiert werden. In den Verhandlungen des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen ist das im vergangenen Jahr gelungen. Dieser Abschluss ist hier in Potsdam das große Vorbild. Dem Verhandlungsführer der Länder, Berlins Finanz-Senator Matthias Kollatz, bereitet das Bauchschmerzen. Denn ein Ergebnis wird nicht nur für die knapp eine Million Angestellten gelten, sondern auch auf die Beamten übertragen:
"Und wenn man die Beamten und die Angestellten zusammen zählt, geht es dabei um mehr als doppelt sie viel Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Bund und Kommunen zusammen haben. Es geht um die größten Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst in Deutschland."
Na und, argumentieren die Gewerkschaften: Die Länder fahren seit Jahren Steuerüberschüsse in Milliardenhöhe ein. Da wird ja wohl Geld für den öffentlichen Dienst da sein. Zumal demnächst viele Angestellte der Länder in Rente gehen werden. Motivierter Nachwuchs muss her, gleichzeitig wird die Konkurrenz um Fachkräfte immer schärfer – nicht nur mit der Privatwirtschaft, auch mit dem öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen, wo besser bezahlt wird. Es werde ja auch demnächst ein Angebot der Arbeitgeber auf den Tisch gelegt, meinte Kollatz:
"Es ist aber so, dass die Länder auch dabei sind, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzustellen. Dann haben wir einen großen Investitionsstau in den Ländern. Und letztlich gibt es ja auch mit Recht in der Öffentlichkeit die Erwartungshaltung, dass wenn es den Ländern besser geht, dass dann auch von dem großen Schuldenberg, der bei 570 oder 580 Milliarden liegt, auch ein bisschen was abgetragen wird."
Gewerkschaften drohen: Scheitern hätte gravierende Folgen
Ein Kompromiss ist also nötig, um dieses komplexe Gesamtpaket schnüren zu können. Ob das gelingt, steht in den Sternen.
"Ich schließe im Moment gar nichts aus", sagt Verdi-Chef Frank Bsirske. Auch das Scheitern der Verhandlungen nicht. Das hätte dann gravierende Folgen, drohte der Vorsitzende des Deutschen Beamtenbunds, Ulrich Silberbach:
"Ich weiß nur, wenn wir am Samstag, Sonntag kein Ergebnis präsentieren können - ich gehe nicht davon aus, dass wir uns auf eine vierte Verhandlungsrunde einlassen werden, sondern dann werden wir in die Urabstimmung gehen und den Streik ausrufen. Und meine Überzeugung ist: Das braucht das Land im Moment überhaupt nicht."