Die Task-Force on Antisemitism, eine vom American Jewish Committee gegründete Arbeitsgruppe von schulischen Praktikern will eine Pädagogik gegen Antisemitismus entwickeln. Nicht nur, weil alte Vorbehalte teilweise unbemerkt im Schulmaterial und in den Köpfen von Lehrern überlebt haben. Sondern auch, weil ein neuer Antisemitismus hinzugekommen ist: In ganz Europa häufen sich nach Erkenntnissen der Task Force Äußerungen von Schülern, die Juden in aller Deutlichkeit angreifen. Oft geschieht dies, wenn die Politik Israels in den besetzten Gebieten thematisiert wird. Und oft kommen die diskrimininierendsten Wortmeldungen von arabischen und muslimischen Schülern. Viele Lehrer, sagt Bernd Fechler, sind überfordert.
Hier sind Pädagogen sehr verunsichert, es ist ihnen nicht nur unklar, wie sich diese Ideologien äußern, sondern auch, wie schwer wiegend und wie relevant das Problem mittlerweile ist. Da gibt es durchaus auch unterschiedliche Meinungen, wie das einzuschätzen ist, zwischen Alarmismus und Ignoranz, oft auch der Hemmung, dieses Thema anzusprechen, weil man dort eine Opfergruppe problematisiert, die sowieso rassistischer und institutioneller Diskriminierung in vielfältiger Weise ausgesetzt ist.
Die Empfehlung der Experten läuft auf eine Doppelstrategie hinaus: Die Lehrer sollen antisemitische Äußerungen zum Anlass nehmen, den Nahost-Konflikt zu diskutieren und die nötige Trennschärfe herzustellen, um zu erkennen, dass die Regierung Scharon nicht mit den Juden auf der ganzen Welt identisch ist. Bei allzu krassen Diffamierungen sollen sie aber auch den Mut finden, quasi unpädagogisch zu sein und Schülern den Mund verbieten. Insgesamt aber, so eine Meinung in der Task Force, beschäftige sich die Deutsche Öffentlichkeit ohnehin schon überproportional intensiv mit dem Nahost-Konflikt.
Das hat natürlich, wenn es deutsche Vertreter betrifft, auch damit zu tun, dass es auch eine Entlastungsbedürfnis gibt, dass es geradezu schön ist zu sehen: Aha, das ist jetzt Israel in einer Täterrolle, und das pflanzt sich fort, in immer stärkere und weiter greifende Erklärungsmuster, die dann als antisemitisch einfach nur noch zu bezeichnen sind.
Die Leiterin des Berliner Büros des American Jewish Committees, Deidre Berger, warnt vor dem Antisemitismus der muslimischen Einwandererkinder. Sie befürchtet, dass sich diese Haltungen nicht nur verfestigen, sondern, dass sie sich auf andere Gruppen ausdehnen, die bisher nicht betroffen waren.
Wir haben Sorgen, dass es anfängt, jetzt die türkische Minderheit auch zu radikalisieren, die sind nicht aus dem arabischen Raum und wegen des anderen Verhältnisses der Türkei mit Israel war das vielleicht nicht so prägnant wie woanders.
Nicht selten bekommen muslimische Schüler von Kindesbeinen an zu Hause ein völlig eigenes Geschichtsbild vermittelt: Eines, dass die Palästinenser als Opfer zeichnet und Israel, das mit den Juden in der Regel gleichgesetzt wird, als Täter. Und eines das geprägt ist von einseitigen Schuldzuweisungen und sogar Geschichtsfälschungen enthält.
Die glauben, und das ist eine zunehmende Sorge, dass der Holocaust eigentlich nicht stattgefunden hat, dass es eine jüdische Erfindung ist, um die Berechtigung Israels zu klauen die arabische Länder.
Die Antisemitische Orientierung von Jugendlichen aus islamischen Ländern muss nach Meinung der Experten als eigenständige Problematik verstanden werden, die neue, auch unbequeme Lösungen fordert. Dass es bei Pädagogen wie auch in der deutschen Gesellschaft allgemein eine wachsende Unlust gibt, sich mit dem vermeintlich überwundenen Antisemitismus zu beschäftigen, verschärft dieses Problem. Wir müssen, so die Forderung der Pädagogen, mit unseren Erklärungen präsent sein, bevor die antisemitischen Demagogen dies tun.