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Tasse, Tasche, T-Shirt

Wie herrlich Kommunikation doch scheitern kann. Als Harry Potter zu boomen begann, wollte die Industrie auch gleich weltweit Radiergummis, Bleistifte und alles was sich irgendwie bedrucken lässt mit Potter-Zeichnungen aus der Warner-Produktion verscherbeln. Merchandising heißt so was. In Deutschland aber hatten alle die Illustrationen der Sabine Wilharm vor Augen, wie sie auf den Büchern der deutschsprachigen Ausgabe im Carlsen-Verlag zu sehen sind. Keiner wollte Warner. Damit so etwas nicht passieren kann, gibt es Messen, wie jetzt die "42. internationale Fachmesse für Werbeartikel" in Düsseldorf.

Von Walter Filz |
    Zugegeben, da gibt es diesen Souvenir-Kugelschreiber des Musicals "Jekyll and Hyde". Der sieht aus wie eine blutgefüllte Einwegspritze und ist richtig fies und originell. - Aber sonst? Oh Tasse, oh Tasche, oh T-Shirt. - Oh dreifaltige Einfalt der Merchandise-Artikel. Sie machen uns alles gleich - indem Sie uns ein Gleiches geben. In jedem größeren Museum, zu jedem schickeren Bühnenereignis, von jedem Festival, zu jedem kulturalen Jubiläum, von jeder Band, jedem Orchester, jedem Star und jeder Suche nach noch weiteren gibt es: Tasse, Tasche, T-Shirt. Die drei großen T vereinen Hoch- und Trivialkultur, verbinden Quatsch und Klassik, versöhnen Beethoven mit Bohlen, verschmelzen U und E. Denn: egal ob man grad beim "Phantom der Oper", in der Van-Gogh-Retrospektive oder bei den Bach-Fest-Wochen war - als bleibendes Souvenir gibt's immer überall: die Tasse, die Tasche, das T-Shirt. - Warum? Weil Werbeartikel selten größere Aufmerksamkeit erreichen als im täglichen Umfeld, dem Haushalt. Das jedenfalls haben PSI-Forscher festgestellt. PSI wie Präsent Service Institut. PSI ist eine Vereinigung von über 6.000 Herstellern und Händlern in über 80 Ländern, die Werbeartikel verkaufen. Und dazu offenbar auf sozialempirische Studien zurückgreifen, deren Ergebnisse sich im Verbandsjournal dann so lesen: "Nirgends ist die Aufnahmefähigkeit größer als in den eigenen vier Wänden, in deren wohltuendem Rahmen ein jeder seit jeher beste Voraussetzungen findet, wieder zur Ruhe zu kommen. Hier konzentrieren sich die Umstände und Dinge, die imstande sind, das Leben lebenswerter zu machen, ihm die gewisse Note zu verleihen, es mit Lebensqualität zu füllen." Zitat Ende. Und Beginn der Schlussfolgerung: das Füllsel unserer Lebensqualität sind also Tasse, T-Shirt, Tasche. Denn in der Tasse ist unser täglich lecker Teechen oder Kaffeechen. Im T-Shirt sind wir selbst - salopp freizeitgekleidet zur Ruhe kommend. Und in der Tasche lässt sich beides - Hemd und Pott - in den wohltuenden Rahmen unserer vier Wände tragen. So ist das. Und so reagiert die Werbemittelbranche exakt auf unsere Bedürfnisse. Auch auf der heute beginnenden 42. Internationalen Fachmesse für Werbeartikel. Sicher, da gibt es zahllose andere Merchandise-Mittel: Handyhalter, Lasergravuren und Computermäuse, Kochschürzen und Gewürzmühlen, sonderbedruckte Schokoladen, Füller, Feuerzeuge und Frottiertücher - alles, was man mit Werbung bedrucken kann. Und offenbar bedruckt wird. - Nur im ja auch reklamebedürftigen Kultur-Ressort, da bilden Tasse, Tasche, T-Shirt nach wie vor das traditionelle Kerngeschäft der Kernversorgung mit Souvenirs. Oder genauer: der Oberflächenversorgung. Denn Museums-Tasse, Theater-Tasche und Musical-T-Shirt sind ja nur eine beliebig bedruckbare Außenhülle - in der sich alles befinden kann. Billigangebote in der Tasche, faltige Blässe unterm T-Shirt und in der Tasse: kalter Kaffee. Wie Kulturinhalte eben so sein können. Insofern sind Tasse, Tasche und T-Shirt doch ihre idealen Träger. Und das Blut im "Jekyll-und-Hyde"-Spritzenkuli ist ja auch nur gefärbtes Wasser.