Jörg Biesler: Am Telefon ist jetzt Jörg Tauss, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Guten Tag!
Jörg Tauss: Ich grüße Sie.
Biesler: Sie beraten in dieser Woche ja ohnehin über das BAföG im Bildungsausschuss. Haben Sie das Urteil so erwartet und entsprechende Änderungen schon vorbereitet?
Tauss: Also in der Tat haben wir das Urteil erwartet, denn es ist im Grunde genommen eben Lebenswirklichkeit. Man kann sich auch noch andere Fallkonstellationen vorstellen, außer dass ein Studium in Deutschland gar nicht angeboten wird. Jemand bekommt beispielsweise den begehrten Studienplatz in Deutschland überhaupt nicht, müsste in unangemessener Form warten und könnte zum Beispiel in Österreich oder im benachbarten Ausland, Frankreich, wo auch immer, zu studieren beginnen. Insofern ist, glaube ich, auch das Urteil jetzt eine Anpassung an die Lebensrealität. Und wir haben uns in der Tat bei der Novelle, die ansteht, zum BAföG über diese Frage bereits Gedanken gemacht. Wir haben das Urteil erwartet und wir werden es natürlich entsprechend umzusetzen haben.
Biesler: Obwohl es die Österreicher wahrscheinlich nicht freuen wird, denn die mögen ja eigentlich gar nicht so gerne, wenn so viele Deutsche zum Beispiel zum Medizinstudium nach Österreich kommen. Aber warum hat es denn eigentlich bislang eine solche Regelung gegeben, die vorsah, dass die Ausbildung in Deutschland beginnen muss?
Tauss: Es hing natürlich auch damit zusammen, dass man gesagt hat, wir wollen zunächst mal wissen, was jemand studiert. Wir wollten die Qualität des Studiums gewährleisten. Aber es ist in der Tat eine Debatte aus einer Zeit, die zurückliegt. Heutzutage ist ein Auslandsstudium nicht mehr die Ausnahme, und es ist mit absoluter Sicherheit auch nichts in irgendeiner Form Ehrenrühriges oder ein Vorgang, der kritisch zu beäugen wäre. Er ist Teil der Lebenswirklichkeit, und aus diesem Grunde sollten wir den jungen Menschen hier auch entgegenkommen.
Biesler: Das Gericht stellt dem Staat ja frei, überhaupt Studierende im Ausland zu fördern, aber auch andere Kriterien zu entwickeln für die Bewilligung von BAföG im Ausland, also zum Beispiel zu prüfen, ob die Antragsteller sich ausreichend integriert haben in die Gesellschaft des Staates, der dann BAföG bewilligt, also in dem Fall Deutschland. Wie könnten denn solche Kriterien dann in Zukunft aussehen, die bestimmen, wer im Ausland BAföG bekommt und wer nicht?
Tauss: Das sind alles Möglichkeiten, die wir natürlich jetzt auch aus dem Urteil heraus zu prüfen haben. Aber hier werden wir mit Sicherheit nicht Ausschlussgründe finden, praktisch mit der Brechstange, um hier in irgendeiner Form jemanden das BAföG zu nehmen. Ganz klar muss es sein, es muss sich um ein ernsthaftes Studium handeln, es darf, was weiß ich, nicht ein getarntes Studium sein mit dem Ziel, Pferdehändler zu werden oder was weiß ich, was man sich vorstellen kann. Also es muss ein wissenschaftliches Studium sein, das auch inländischen Kriterien genügt. Und das ist sicherlich ein Punkt, der nicht in allen Teilen der Welt sichergestellt werden kann, aber zumindest in Nachbarländern gewährleistet ist.
Biesler: Das Urteil gilt ja ohnehin jetzt nur für die Europäische Union.
Tauss: So ist es. Aus diesem Grunde ist es auch ein bisschen einfacher, wir haben uns auch mit anderen Fragestellungen zu beschäftigen. Beispielsweise heute haben wir uns mit der Frage beschäftigt, was ist, wenn jemand ein Jahr als BAföG-Empfänger an eine Universität in den Vereinigten Staaten von Amerika geht und dort hohe Studiengebühren zu entrichten hat? Hier meinen wir ebenfalls, dass wir hier in diesem Fall den jungen Leuten entgegenkommen müssen und ihnen über ein entsprechendes Darlehen auch behilflich sein müssen, im Zweifel, wenn andere Mittel nicht zur Verfügung stehen, auch einen solchen Auslandsaufenthalt, der für das Studium notwendig ist, zu finanzieren. Also man sieht insgesamt, es ist Bewegung in dieser Frage drin, und wir sind als Bildungs- und Wissenschaftspolitiker da sehr aufgeschlossen, wie gesagt, nicht nur das Urteil umzusetzen, sondern hier der Lebenswirklichkeit mit der BAföG-Gestaltung künftig auch noch in anderen Fallkonstellationen bei Übergängen von Fachhochschulen, Universitäten und Ähnlichem. Wir haben viele praktische Fragen, die auch das Deutsche Studentenwerk uns aufgeschrieben hat, die zu lösen sind und an die wir mit großer Offenheit herangehen wollen.
Biesler: Eine wesentliche Frage ist ja auch die nach der Erhöhung des BAföGs, da hat es in den letzten Jahren nicht besonders gut ausgesehen, da wurde das BAföG nicht angepasst. Das Deutsche Studentenwerk hat dagegen protestiert, auch die Studierenden haben dagegen protestiert. Aber in dieser Woche wird es dann endlich soweit sein, das heißt, Sie denken darüber nach, in welcher Höhe eigentlich nur noch die Erhöhung ausfallen kann. Haben Sie den Finanzminister schon auf Ihrer Seite?
Tauss: Den Finanzminister habe ich im Moment auf der Seite als unseren Koalitionspartner. Die CDU und Frau Schavan schlagen ja vor, eine Erhöhung in zwei Stufen vorzunehmen. Wir halten das für einen völlig überbürokratisierten Vorgang, weil dann entsprechend nochmals von den zuständigen Stellen ein zweites Mal kurze Zeit später alle Leistungsbescheide überprüft werden müssten. Also wir wollen im nächsten Jahr zu einer BAföG-Erhöhung kommen, das haben wir klar gesagt, und wir wollen sie auch finanzieren. Das wird in den Haushaltsschlussberatungen von uns auch als eine ganz entschiedenes sozialdemokratische Forderung eingebracht werden, nämlich die Freibeträge um acht Prozent zu erhöhen, was heißt, dass mehr Familien in den Genuss von BAföG-Bezug kommen und die Bedarfssätze um zehn Prozent. Diese acht und zehn sind für uns eigentlich jetzt in diesen abschließenden Haushaltsberatungen, wie man neo-badisch sagt, ein Essential, also eine Frage, von der wir nicht mehr abweichen wollen.
Biesler: Und Ihr Koalitionspartner möchte gerne sparen, oder warum die zweistufige Regelung?
Tauss: Ich weiß nicht, ob das Sparen ist oder ob es jetzt so eine Art Gesichtswahrung ist. Frau Schavan war ja immer sehr kritisch gegenüber dem BAföG eingestellt. Sie hat jetzt in diesem Jahr eben die Vier und die Fünf in die Gespräche gebracht.
Biesler: Prozent?
Tauss: … was die Erhöhung anlangt, also jeweils vier Prozent wie gesagt Freibeträge, fünf Prozent Bedarfssätze. Wir haben von vornherein gesagt, wir wollen mehr, und sie hat gesagt, da muss die SPD das Geld bringen. Jetzt werden wir es bringen, da werden wir uns auch innerhalb der Fraktion durchsetzen. Und jetzt sollte man dann auch dieses nicht kritisch sehen, sondern freudig-euphorisch begrüßen und sagen, machen wir gemeinsam und ein weiterer Erfolg der Großen Koalition in dieser Frage und dann bin ich auch nicht eifersüchtig in der Frage, wer dann was letztlich veranlasst hat. Aber für uns war immer klar, wir wollen die BAföG-Partei sein und setzen uns auch entsprechend ein.
Biesler: Jörg Tauss, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, rät also den Studierenden schon mal, den Sekt kaltzustellen. Mal sehen, was am Ende dabei rauskommt. Vielen Dank.
Tauss: Na ja, wir haben noch andere Probleme an den Unis zu lösen, aber wie gesagt, es wäre schon mal ein kleiner wichtiger Schritt in die richtige Richtung weithin.
Jörg Tauss: Ich grüße Sie.
Biesler: Sie beraten in dieser Woche ja ohnehin über das BAföG im Bildungsausschuss. Haben Sie das Urteil so erwartet und entsprechende Änderungen schon vorbereitet?
Tauss: Also in der Tat haben wir das Urteil erwartet, denn es ist im Grunde genommen eben Lebenswirklichkeit. Man kann sich auch noch andere Fallkonstellationen vorstellen, außer dass ein Studium in Deutschland gar nicht angeboten wird. Jemand bekommt beispielsweise den begehrten Studienplatz in Deutschland überhaupt nicht, müsste in unangemessener Form warten und könnte zum Beispiel in Österreich oder im benachbarten Ausland, Frankreich, wo auch immer, zu studieren beginnen. Insofern ist, glaube ich, auch das Urteil jetzt eine Anpassung an die Lebensrealität. Und wir haben uns in der Tat bei der Novelle, die ansteht, zum BAföG über diese Frage bereits Gedanken gemacht. Wir haben das Urteil erwartet und wir werden es natürlich entsprechend umzusetzen haben.
Biesler: Obwohl es die Österreicher wahrscheinlich nicht freuen wird, denn die mögen ja eigentlich gar nicht so gerne, wenn so viele Deutsche zum Beispiel zum Medizinstudium nach Österreich kommen. Aber warum hat es denn eigentlich bislang eine solche Regelung gegeben, die vorsah, dass die Ausbildung in Deutschland beginnen muss?
Tauss: Es hing natürlich auch damit zusammen, dass man gesagt hat, wir wollen zunächst mal wissen, was jemand studiert. Wir wollten die Qualität des Studiums gewährleisten. Aber es ist in der Tat eine Debatte aus einer Zeit, die zurückliegt. Heutzutage ist ein Auslandsstudium nicht mehr die Ausnahme, und es ist mit absoluter Sicherheit auch nichts in irgendeiner Form Ehrenrühriges oder ein Vorgang, der kritisch zu beäugen wäre. Er ist Teil der Lebenswirklichkeit, und aus diesem Grunde sollten wir den jungen Menschen hier auch entgegenkommen.
Biesler: Das Gericht stellt dem Staat ja frei, überhaupt Studierende im Ausland zu fördern, aber auch andere Kriterien zu entwickeln für die Bewilligung von BAföG im Ausland, also zum Beispiel zu prüfen, ob die Antragsteller sich ausreichend integriert haben in die Gesellschaft des Staates, der dann BAföG bewilligt, also in dem Fall Deutschland. Wie könnten denn solche Kriterien dann in Zukunft aussehen, die bestimmen, wer im Ausland BAföG bekommt und wer nicht?
Tauss: Das sind alles Möglichkeiten, die wir natürlich jetzt auch aus dem Urteil heraus zu prüfen haben. Aber hier werden wir mit Sicherheit nicht Ausschlussgründe finden, praktisch mit der Brechstange, um hier in irgendeiner Form jemanden das BAföG zu nehmen. Ganz klar muss es sein, es muss sich um ein ernsthaftes Studium handeln, es darf, was weiß ich, nicht ein getarntes Studium sein mit dem Ziel, Pferdehändler zu werden oder was weiß ich, was man sich vorstellen kann. Also es muss ein wissenschaftliches Studium sein, das auch inländischen Kriterien genügt. Und das ist sicherlich ein Punkt, der nicht in allen Teilen der Welt sichergestellt werden kann, aber zumindest in Nachbarländern gewährleistet ist.
Biesler: Das Urteil gilt ja ohnehin jetzt nur für die Europäische Union.
Tauss: So ist es. Aus diesem Grunde ist es auch ein bisschen einfacher, wir haben uns auch mit anderen Fragestellungen zu beschäftigen. Beispielsweise heute haben wir uns mit der Frage beschäftigt, was ist, wenn jemand ein Jahr als BAföG-Empfänger an eine Universität in den Vereinigten Staaten von Amerika geht und dort hohe Studiengebühren zu entrichten hat? Hier meinen wir ebenfalls, dass wir hier in diesem Fall den jungen Leuten entgegenkommen müssen und ihnen über ein entsprechendes Darlehen auch behilflich sein müssen, im Zweifel, wenn andere Mittel nicht zur Verfügung stehen, auch einen solchen Auslandsaufenthalt, der für das Studium notwendig ist, zu finanzieren. Also man sieht insgesamt, es ist Bewegung in dieser Frage drin, und wir sind als Bildungs- und Wissenschaftspolitiker da sehr aufgeschlossen, wie gesagt, nicht nur das Urteil umzusetzen, sondern hier der Lebenswirklichkeit mit der BAföG-Gestaltung künftig auch noch in anderen Fallkonstellationen bei Übergängen von Fachhochschulen, Universitäten und Ähnlichem. Wir haben viele praktische Fragen, die auch das Deutsche Studentenwerk uns aufgeschrieben hat, die zu lösen sind und an die wir mit großer Offenheit herangehen wollen.
Biesler: Eine wesentliche Frage ist ja auch die nach der Erhöhung des BAföGs, da hat es in den letzten Jahren nicht besonders gut ausgesehen, da wurde das BAföG nicht angepasst. Das Deutsche Studentenwerk hat dagegen protestiert, auch die Studierenden haben dagegen protestiert. Aber in dieser Woche wird es dann endlich soweit sein, das heißt, Sie denken darüber nach, in welcher Höhe eigentlich nur noch die Erhöhung ausfallen kann. Haben Sie den Finanzminister schon auf Ihrer Seite?
Tauss: Den Finanzminister habe ich im Moment auf der Seite als unseren Koalitionspartner. Die CDU und Frau Schavan schlagen ja vor, eine Erhöhung in zwei Stufen vorzunehmen. Wir halten das für einen völlig überbürokratisierten Vorgang, weil dann entsprechend nochmals von den zuständigen Stellen ein zweites Mal kurze Zeit später alle Leistungsbescheide überprüft werden müssten. Also wir wollen im nächsten Jahr zu einer BAföG-Erhöhung kommen, das haben wir klar gesagt, und wir wollen sie auch finanzieren. Das wird in den Haushaltsschlussberatungen von uns auch als eine ganz entschiedenes sozialdemokratische Forderung eingebracht werden, nämlich die Freibeträge um acht Prozent zu erhöhen, was heißt, dass mehr Familien in den Genuss von BAföG-Bezug kommen und die Bedarfssätze um zehn Prozent. Diese acht und zehn sind für uns eigentlich jetzt in diesen abschließenden Haushaltsberatungen, wie man neo-badisch sagt, ein Essential, also eine Frage, von der wir nicht mehr abweichen wollen.
Biesler: Und Ihr Koalitionspartner möchte gerne sparen, oder warum die zweistufige Regelung?
Tauss: Ich weiß nicht, ob das Sparen ist oder ob es jetzt so eine Art Gesichtswahrung ist. Frau Schavan war ja immer sehr kritisch gegenüber dem BAföG eingestellt. Sie hat jetzt in diesem Jahr eben die Vier und die Fünf in die Gespräche gebracht.
Biesler: Prozent?
Tauss: … was die Erhöhung anlangt, also jeweils vier Prozent wie gesagt Freibeträge, fünf Prozent Bedarfssätze. Wir haben von vornherein gesagt, wir wollen mehr, und sie hat gesagt, da muss die SPD das Geld bringen. Jetzt werden wir es bringen, da werden wir uns auch innerhalb der Fraktion durchsetzen. Und jetzt sollte man dann auch dieses nicht kritisch sehen, sondern freudig-euphorisch begrüßen und sagen, machen wir gemeinsam und ein weiterer Erfolg der Großen Koalition in dieser Frage und dann bin ich auch nicht eifersüchtig in der Frage, wer dann was letztlich veranlasst hat. Aber für uns war immer klar, wir wollen die BAföG-Partei sein und setzen uns auch entsprechend ein.
Biesler: Jörg Tauss, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, rät also den Studierenden schon mal, den Sekt kaltzustellen. Mal sehen, was am Ende dabei rauskommt. Vielen Dank.
Tauss: Na ja, wir haben noch andere Probleme an den Unis zu lösen, aber wie gesagt, es wäre schon mal ein kleiner wichtiger Schritt in die richtige Richtung weithin.