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Tauziehen beendet?

Christoph Schmitz: Der Tagesspiegel wird selbstständig bleiben. Sind Sie erleichtert?

Chefredakteur Giovanni di Lorenzo im Gespräch |
    Giovanni di Lorenzo: Ich habe mir eine andere Lösung gewünscht, und das möchte ich jetzt im Nachhinein auch nicht anders darstellen. Ich habe sehr auf eine Ministererlaubnis gehofft und auf eine damit einhergehende Änderung des Kartellrechts für Zeitungen, weil nur so die strukturellen Probleme zu lösen sind, denen wir uns zu stellen haben. Die entscheidende Frage ist: Unter welchen Bedingungen organisieren wir den Fortbestand von Qualitätszeitungen in Deutschland? Die Lösung, die jetzt angestrebt ist, löst dieses strukturelle Problem auch nicht.

    Christoph Schmitz: Das heißt, Sie haben Angst, dass der Tagesspiegel dann doch untergehen könnte. Eine Fusion mit der Berliner Zeitung wäre eine Rettung gewesen?

    Giovanni di Lorenzo: Sie hätte es in der Tat erlaubt, dass wir innerhalb kurzer Zeit beide überleben können, und zwar - das ist ja das Entscheidende - mit dem Qualitätsanspruch, den wir haben. Wenn jetzt so oft darauf verwiesen wird, das Wichtigste ist Vielfalt, und deshalb darf es zu keinen Fusionen kommen, dann sage ich: Die schönste Vielfalt nützt uns nichts, wenn diese Vielfalt nicht verbunden wird mit einem Anspruch an Qualität. Das ist aber genau das, worum wir in den nächsten Jahren werden kämpfen müssen. Die wirklichen Leidtragenden der Krise sind die Qualitätszeitungen, die mit einem besonders hohen Anspruch.

    Schmitz: Wenn der Tagesspiegel nun alleine im neuen Besitz nicht bestehen kann, würde das für Sie bedeuten, dass Sie frühzeitig vielleicht auch wirklich nach Hamburg überwechseln würden, zur ZEIT, worüber ja gesprochen wurde?

    Giovanni di Lorenzo: Wenn Sie mir zwei Antworten gestatten: Der neue Eigentümer hat heute vor der wie Sie sich vorstellen können gespannten Mitarbeiterversammlung erklärt, dass er den Fortbestand jetzt erst einmal für einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren gesichert sieht. Das bedeutet, dass auch ihm bewusst ist, dass es ohne Änderungen nicht gehen wird. Das war aber leider auch von Anfang an klar. Der andere Punkt ist, und ich habe ihn heute auch vor den Mitarbeitern des Tagesspiegels klargestellt: Der neue Eigentümer hat mich gebeten, hier meine Arbeit fortzusetzen. Ich habe gesagt, dass ich das gerne tue, weil ich aus den Gesprächen mit ihm vor dem heutigen Tag und am heutigen Tag den Schluss gezogen habe, dass er den publizistischen Weg, den wir mit dem Tagesspiegel eingeschlagen haben, Qualität zu verbinden mit steigender Auflage, fortsetzen möchte.

    Schmitz: Was muss sich denn verändern, um dann mit Qualität bestehen zu können?

    Giovanni di Lorenzo: Wir hoffen, dass es zu Änderungen im Kartellrecht kommen wird. Das ist ja nun auch schon verschiedentlich angekündigt worden. Ich hoffe, dass die Verleger sich einigen werden auf den Kurs, den sie einschlagen. Bekanntlich sind die Unterschiede der Interessen groß zwischen kleinen, mittleren und großen Verlegern. Der dritte Punkt ist: Für Herrn Gerckens ist es sicherlich leichter, Kooperationen anzustellen als für einen großen Verleger auf Grund des noch bestehenden Kartellrechts.

    Schmitz: Das heißt, Sie hoffen auf Veränderungen nicht inhaltlicher Art in der Zeitung, in den Redaktionen, sondern darauf, dass doch Kooperationen, Fusionen auf kleinerer Ebene zustande kommen, um den Tagesspiegel zu retten.