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Tea-Party unter der Lupe

Philipp Schläger und Eva C. Schweitzer nehmen die anstehende US-Wahl zum Anlass in ihren Büchern am rechten Rand der Republikanern eine kritischen Bestandsaufnahme vorzunehmen. Im Mittelpunkt steht bei beiden die Bewegung der Tea Party.

Von Mirko Smiljanic | 04.06.2012
    Deutschland, du hast es besser als Amerika – zumindest beim oberflächlichen Vergleich der politischen Sumpfblüten. Die Piraten mögen sich bei den Berliner Schulden um ein paar Milliarden Euro verrechnen und trotz nebelhafter Positionen zur Außenpolitik die Parlamente erfolgreich entern – die Frontfrauen und -männer der Tea-Party-Bewegung sind aber noch von ganz anderem Kaliber: Michele Bachmann sieht den Hurrikan "Irene" als Fingerzeig Gottes; Christine O'Donnell hält Masturbation für Ehebruch; und der Radiotalker Rush Limbaugh verteidigt die Folterer im Gefängnis von Abu Ghraib mit den Worten, "Soldaten müssen auch mal Spaß haben dürfen". Es ist ein Panoptikum des Absurden und Bizarren, das die in New York lebende Journalistin Eva C. Schweitzer in ihrem Buch "Tea Party: Die weiße Wut" auf 280 Seiten über eine vergleichsweise junge Bewegung zusammenträgt. Ernst nehmen – schreibt die Autorin – müsse man den ultrarechten Protest trotzdem.

    "Die Tea Party begann als Protestbewegung gegen Milliardensubventionen für Banken, hohe Steuern und hohe Staatsschulden und in Sorge um eine schwierige Ökonomie. Mittlerweile hat sie sich als Partei gegen hispanische Immigranten und ... die ... Bevorzugung von ethnischen Minderheiten auf den Universitäten und dem Arbeitsmarkt etabliert, sie ist gegen Abtreibung und Schwulenehe, für Sozialabbau, Bürgerkriegsrevisionismus und Kirchenbesuch. Und letztlich geht es ihren Mitgliedern darum, einen ungeliebten schwarzen Präsidenten aus dem Amt zu kegeln, einen, der intellektuell, fremd und ausländisch wirkt."

    Im Rahmen einer Rundreise durch die USA porträtiert Schweitzer die wichtigsten Akteure der Tea-Party-Bewegung: Michele Bachmann, Mike Huckebee, Sarah Palin und viele andere; sie zeigt den Hass der Tea Partier auf die Eliten der "intellektuellen" Ostküste; sie belegt den hier und da aufkeimenden Rassismus, die Verflechtung mit rechtskonservativen Medien, und sie zieht Linien zu den Finanziers der Tea Party, den Think Tanks der Milliardäre Scott Walker und der Koch-Brüder, den Strippenziehern im Hintergrund. Ohne sie hätte die Tea Party keine so breite Unterstützung. Nach neuesten Umfragen sind etwa 20 Prozent aller Amerikaner Anhänger der Tea-Party-Bewegung, sie sind überwiegend weiß, sie sind älter, besser gebildet und verdienen überdurchschnittlich viel Geld. Die Details im Buch sind informativ, die Zusammenhänge spannend – schade nur, dass die Autorin an einigen Stellen ohne Not persönlich wird.

    "Palin, in einem schicken weißen Mantel für das Dreckswetter gänzlich unpassend gekleidet, sieht aus, als friere ihr Gesicht gleich ein."

    Eva C. Schweitzers Buch "Tea Party – Die weiße Wut" ist keine wissenschaftliche Analyse, sondern eine Sammlung gut geschriebener Reportagen; die Autorin nimmt ihre Leser mit in die amerikanische Provinz; sie fokussiert wie unter einem Mikroskop Tea-Party-Akteure, deren Namen in Deutschland nur Eingeweihte kennen; sie liefert eine gründliche Recherche ab – und trotzdem erklärt Schweitzer das Phänomen "Tea Party" nicht wirklich erschöpfend. In diesem Punkt – nur in diesem! – scheitert sie: Schweitzer ist befangen, emotional zu nahe dran am Thema, und als kritische Journalistin macht sie keinen Hehl aus ihrer persönlichen Meinung: Sie schreibt mit Schaum vor dem Mund.

    "Die Tea Partier reden viel von Freiheit, aber sie haben keine Probleme mit dem Kontrollstaat, der nach dem Patriot Act entstanden ist, mit drei Millionen Inhaftierten, die Hälfte davon schwarz, mit der Todesstrafe und einem Militär, das Drohnen auf Todesmissionen schickt."

    Philipp Schläger, Rechtsanwalt ebenfalls mit Wohnsitz in New York und Autor des Buches "Amerikas Neue Rechte – Tea Party, Republikaner und die Politik der Angst" kommt zu ähnlichen Ergebnissen, auch er beginnt bei der Wahl Barack Obamas.

    "Alles deutete auf einen Neuanfang hin. Mit seinen Parolen der Hoffnung und des Wandels hatte Barack Obama die Präsidentschaftswahl 2008 deutlich für sich entschieden. Amerika hatte nicht nur den ersten schwarzen Präsidenten gewählt, sondern ihn hatten auch so viele weiße Wähler wie keinen anderen demokratischen Präsidenten seit Jimmy Carter unterstützt. Der von Obama versprochene Wandel, so schien es, hatte bereits eingesetzt."

    Doch dann kam die Wirtschaftskrise und die Stimmung kippte. Spontan organisierte Proteste wütender Bürger folgten, die Tea Party bekam Zulauf. Philipp Schläger liefert wie Eva C. Schweitzer eine kritische Bestandsaufnahme des rechten Randes der Republikaner. Er skizziert ihre Anführer, wie sie sich in Szene setzen, wer sie finanziert. Und er analysiert, wie die Tea Party die US-Politik unterwandert und eigene Inhalte durchsetzt.

    "Die Tea Party hat ... längst eine langfristige Perspektive eingenommen und arrangiert sich mit den politischen Bedingungen, also auch mit Mitt Romney. ... Wer dies jedoch als Zeichen ihrer Schwäche oder gar des Todes der Bewegung abtut, würde sie und die hinter ihr stehenden Kräfte unterschätzen. "Dies ist der erste Präsidentschaftswahlkampf mit einer Tea-Party-Bewegung", sagte Brendan Steinhauser von FreedomWorks. Schon 2016 werde es eine "bessere Auswahl" von Kandidaten aus der erzkonservativen Bewegung geben.(…) Doch schon jetzt habe die Bewegung ein Klima geschaffen, in dem Mitt Romney und die anderen Kandidaten gezwungen waren, sich zu den Zielen der Erzkonservativen zu bekennen, von Kürzungen bei Regierungsausgaben bis hin zu einem ausgewogenen Haushalt."

    Romneys Schwierigkeit, einen geeigneten Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten zu nominieren, ist dafür Beleg genug. Nimmt er einen gemäßigten RINO oder doch einen Tea-Partier? Diese Entscheidung hat weitreichenden Einfluss für die Geschicke Amerikas und der Welt.

    "Mit der Tea Party steht ein rechtes Netzwerk, von den Thinktanks und Interessengruppen bis hin zu den Rechtskonservativen des Republican Study Committee, im Kongress. Mit der Occupy-Bewegung waren erste Ansätze einer neuen progressiven Ära zu sehen, die in nur wenigen Wochen die nationale Diskussion tief greifend veränderte. Doch diese Bewegung ist jung. Die Rechte hat dagegen seit Jahrzehnten systematisch daran gearbeitet, das politische Zentrum nach rechts zu verschieben. Mit großem Erfolg. Das Label der Tea Party mag irgendwann außer Mode kommen. Ihre Ideen aber sind gekommen, um zu bleiben."

    "Tea Party: Die weiße Wut – Was Amerikas Neue Rechte so gefährlich macht" von Eva C. Schweitzer und "Amerikas Neue Rechte – Tea Party, Republikaner und die Politik der Angst" von Philipp Schläger sind lesenswerte Bücher. Beide zu kaufen, lohnt nicht, die gemeinsame Schnittmenge ist zu groß. Wer es reportagiger liebt, ist bei Eva C. Schweitzer gut aufgehoben; wer die Analyse bevorzugt, sollte das Buch von Philipp Schläger lesen.

    Philipp Schläger: Amerikas Neue Rechte: Tea Party, Republikaner und die Politik der Angst.
    Rotbuch Verlag, 288 Seiten, 14,95 Euro
    ISBN: 978-3-867-89149-3

    Eva C. Schweitzer: Tea Party: Die weiße Wut: Was Amerikas Neue Rechte so gefährlich macht.
    Deutscher Taschenbuch Verlag, 279 Seiten, 14,90 Euro
    ISBN: 978-3-423-24904-1