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Teamarbeit: Auslaufmodell oder Zukunftsprojekt?

Arbeitsgruppen sind so alt wie die Zivilisation - egal ob Mammutjagd oder Pyramidenbau. Heute heißt das Ganze Teamarbeit - und keine Stellenanzeige kommt mehr ohne aus. Seit Anfang der 90er Jahre wird die Teamarbeit vehement gefordert, oft aber auch heimlich kritisiert.

13.08.2002
    Inwieweit hat sich der Teamgedanke zehn Jahre später durchgesetzt? Dazu wurden die befragt, die es wissen müssen: 375 Führungspersönlichkeiten nämlich. In Auftrag gegeben hat diese Studie die Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft, eins der ältesten Weiterbildungsinstitute in Deutschland. Das Ergebnis ist eindeutig: 73 Prozent der Befragten, die bis zur vollen Arbeitszeit im Team arbeiten, bewerten dies positiv. Weniger Akzeptanz findet dagegen "virtuelle Teamarbeit", bei der die Teilnehmer hauptsächlich über E–Mail und Telefon kommunizieren. Hier zeigen sich nur 44 Prozent zufrieden. Dabei schwankt die Qualität von Teamarbeit erheblich, wie Lothar Diete von der Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft betont:

    Unsere Erfahrung aufgrund der Studie sagen, dass das Thema Teamarbeit sehr breitbandig salonfähig ist, dass heißt fast überall und in jedem Bereich wird von Teamarbeit ausgegangen. Wobei wir feststellen konnten, dass es sehr wichtig ist zu differenzieren. Nicht überall da, wo von Teams gesprochen wird, ist auch ein wirklicher Teamgeist vorhanden.

    Die Befragten gaben Vertrauen und Kooperation als besonders wichtige Kriterien für gute Teamarbeit an (jeweils 97 Prozent). Danach folgen "klare Aufgabenkoordination" (96,5 Prozent) und "ständiger Informationsfluss" (95,6 Prozent). Vor allem fehlendes Vertrauen der Teammitarbeiter untereinander trägt maßgeblich zum Scheitern bei: Immer dann, wenn keine offene Gesprächs- und Streitkultur etabliert ist.

    Während 90 Prozent "unausgesprochene Konflikte" als häufige Ursache gescheiterter Teamarbeit ansehen, sind nur 52 Prozent der Meinung, dass offene Konflikte die Teamarbeit maßgeblich behindern: Wenn Konflikte offen und ehrlich ausgetragen werden können, gefährden sie nicht das gesamte Teamprojekt.

    Nicht nur die Angestellten schätzen gute Teamarbeit, auch für den Arbeitgeber hat diese Organisationsform ihre Stärken, sagt Lothar Diete:

    Der Vorteil liegt darin, dass Sie jeden mit seinen Stärken integrieren können und gemeinschaftlich Ziele erreichen, die Sie als Einzelkämpfer so nicht erreichen können.

    Arbeiten im Team bedeutet auch, seine eigenen Ansprüche zurückstellen lernen. Doch die Gefahr, dass sich die Einordnung in eine Gruppe karrierehemmend ausnehmen könnte, sieht Diete nicht:

    Sie können heute in der Wirtschaft ohne Teamarbeit in der Regel gar nicht so einfach mehr Karriere machen. Also diese frühere Gegenüberstellung, der Kaminaufstieg wäre nur ohne Teamarbeit denkbar, ist heute, denke ich, ein Anachronismus. Heute teilt man sich so oder so in diverse Teams, sei es der Führungskreis, der als Team fungiert, sei es ein interdisziplinäres Team, ein Projektteam. Das ist nicht mehr wegdenkbar. Von daher ist unsere Empfehlung auch an Führungskräfte, sich auf die Teamarbeit einzulassen.

    Doch nicht alle sind vorbehaltlos für Teamarbeit. Skeptisch bis kritisch bewertet Prof. Dr. Fredmund Malik die Arbeitsform. Er ist Direktor des Management-Zentrums St. Gallen in der Schweiz:

    Es ist ein fürchterlicher Mythos, der hier entstanden ist. Man verhält sich zu Teams so, als ob sie ein Wundermittel jeglichen Problems seien, und zwar sowohl sachlicher als auch zwischenmenschlicher emotionaler Natur seien. Ich halte das für falsch. Teams sind sehr häufig ein Weg zur Mittelmäßigkeit. Teams sind so gut wie nie wirklich kreativ. Die großen kreativen Leistungen, die schöpferischen, gar die künstlerischen Leistungen, überhaupt herausragende Leistungen sind fast immer von Einzelnen erbracht worden. Das kann man sehr gut beweisen. Teams sind auch dann nicht gut, wenn es um Schnelligkeit geht. Teams sind dort gut, wo die Kraft eines Einzelnen definitiv überschritten wird. Gerade das, was man meint, dass sie gut seien, für das Kreative, das Außergewöhnliche, da sind sie in Wahrheit schlecht.

    Auch verführe der Oberbegriff Team dazu, ganz verschiedene Arbeitsgruppen mit einander zu vermengen. Malik zieht zur Veranschaulichung eine Parallele zum Sport:

    Es gibt das Baseball-Team, es gibt das Fußballteam und es gibt das Tennis-Doppel, und das sind ganz, ganz verschiedene Dinge. Wenn wir ein Sinfonieorchester nehmen, dann ist das kein Team. Das ist eine sehr wohlüberlegte Organisation und ein Zusammenschluss von Fachspezialisten. Das ist aber nicht das, was wir heute unter Team verstehen. Wenn wir dagegen die Jazz-Combo nehmen, das ist eher das, was man als Team versteht. Wir würden aber niemals eine Jazz-Combo eine Mahler-Sinfonie aufführen lassen und wir würden Jazz nicht von einem großen Sinfonieorchester aufführen lassen.

    Dass Teamarbeit zwangsläufig Karrieregift sein muss, kann aber auch Fredmund Malik nicht finden:

    Wenn jemand bewiesen hat, dass er in einem Team gut ist, dann wird er Karriere machen können, und wenn er bewiesen hat, dass er als Einzelner gut ist, dann wird er das auch machen können. Es hängt eher davon ab, auf was die Personalabteilungen achten.

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    Die Akademie-Studie "Mythos Team auf dem Prüfstand" steht ab dem 21. August 2002 unter http://www.die-akademie.de/studien zum Download bereit.