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Teatro Colón in Argentinien
Tänzer protestieren gegen Vermietung von Opernhaus

Die Vermietung staatlicher Opernhäuser für private Veranstaltungen ist in Deutschland keine Seltenheit. Auch in Argentinien finden im Teatro Colón in Buenos Aires seit Kurzem sogar Hochzeiten statt. Das Ballett-Ensemble findet das nicht mehr lustig – darf es doch selbst immer seltener auftreten.

Von Victoria Eglau | 17.01.2017
    Das Teatro Colón in Buenos Aires im September 2013. Blick in den Konzertsaal
    Konzertsaal des Teatro Colón in Buenos Aires (dpa / Arne Dedert)
    Ein Park im sommerlichen Buenos Aires: Die Ballett-Kompagnie des Teatro Colón führt Giselle auf - ohne Eintritt und unter freiem Himmel. Nach dem Schluss-Applaus entrollen die Tänzerinnen und Tänzer Plakate. "Basta" ist darauf zu lesen - es reicht. Eigentlich sollte das Ensemble Giselle nicht nur im Park präsentieren, sondern auch in seinem eigenen Saal. Doch die einzigen zwei Aufführungen im Teatro Colón wurden von der Direktion kurzfristig abgesagt.
    Basta zu Hochzeiten
    "Wir wollen mehr Aufführungen in der kommenden Spielzeit, wir sagen 'Basta' zur Ausquartierung der festen Ensembles, 'Basta' zu Hochzeiten und privaten Shows in unserem Teatro Colón."
    Empört sich die Tänzerin Natalia Pelayo bei einer Protestveranstaltung vor dem Opern- und Konzerthaus. Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war die Ankündigung von nur noch 22 Ballett-Abenden in der kommenden Spielzeit:
    "Es gibt von Jahr zu Jahr weniger Ballett-Aufführungen. Ganz offensichtlich hat die Theaterleitung auch kein Interesse daran, mehr Eigenproduktionen im Programm zu haben. Als Tänzer entwickeln wir uns künstlerisch kaum weiter, und den Bürgern, die das städtische Teatro Colón bezahlen, bieten wir nicht die Kultur, die ihnen zusteht."
    Das Teatro Colón beschäftigt neben seinen festangestellten Tänzern auch eigene Sänger und zwei Orchester. Letztere kommen in der neuen Spielzeit, die im März beginnt, nicht so schlecht weg wie das Ballett-Ensemble. Doch fast alle Mitarbeiter stört es, dass ihre Spielstätte immer häufiger für private Veranstaltungen vermietet wird - und auch viele Abonnenten und Musikkritiker sind darüber entrüstet. Tänzerin Amalia Perez Alzueta bringt es auf den Punkt:
    "Das Teatro Colón wurde immer schon für private Events vermietet, aber das hat früher nicht dem regulären Programm geschadet - heute schon. Früher wurde vor allem der Goldene Salon vermietet, doch inzwischen ist es immer häufiger der Saal selbst."
    Transparenz fehlt
    Im Teatro Colón traten im letzten Jahr nicht nur die Filmstars Al Pacino und Gérard Depardieu mit Ein-Mann-Shows auf. Auch argentinische Rockbands, Schlager- und Cumbia-Sänger durften sich auf der Bühne präsentieren. Federico Monjeau, Musikkritiker der Tageszeitung Clarín, hält zwar das Opern- und Konzertprogramm nach wie vor für gut, aber sieht einen Image-Schaden durch den allzu freigebigen Umgang mit dem Saal:
    "Wenn Al Pacino oder Depardieu eine Show im Teatro Colón machen wollen, finde ich das okay. Nur Hochkultur, das muss nicht sein. Aber ich bin der Meinung, dass ein künstlerisches Komitee darüber entscheiden sollte, wer im Teatro Colón auftreten darf. Es kann nicht sein, dass jeder den Saal bekommt."
    Nach Aussage des Direktors des Teatro Colón, Darío Lopérfido, braucht das Haus mit seinen mehr als tausend Beschäftigten die Vermietungen, um seinen Etat aufzubessern. Doch dieser ist eigentlich üppig, er liegt in diesem Jahr bei umgerechnet 75 Millionen Euro. Musikkritiker Federico Monjeau meint: Das Teatro Colón hat die Nutzung durch Private nicht nötig:
    "Diese Shows tragen fast nichts zum Etat bei. Dahinter steckt etwas anderes: Ein Unternehmer mit guten Beziehungen in die Politik will ein Konzert organisieren, also kommt die Anweisung von oben und der Direktor muss sie befolgen."
    Bei all dem fehlt die Transparenz. Doch ist etwa bekannt, dass ein Ex-Abgeordneter der liberalen Partei PRO, die in der argentinischen Hauptstadt und auch auf nationaler Ebene regiert, im Musikbusiness tätig ist und im Teatro Colón mehrfach Konzerte veranstaltet hat.
    Die protestierenden Tänzer vermuten hinter den Vermietungen dunkle Geschäfte. Und das Ensemble beklagt, dass es peu à peu seinen einst glänzenden internationalen Ruf verliert.