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Technik für die Chips von morgen

Biotechnologie. - Für immer schnellere Computerchips müssen die Leiterbahnen auf den Bauteilen immer kleiner und feiner werden. Dabei stoßen die Designer inzwischen in den Nano-Bereich vor und suchen auf der molekularen Ebene nach neuen Lösungsansätzen. Eine Substanz, die Forscher dabei unter die Lupe nehmen, ist die Erbsubstanz DNA. Mit ihrer fadenförmigen Struktur könnte DNA eine viel versprechende Grundlage für winzigste Leitungen werden.

Von Uta Bilow |
    Die Materialwissenschaftler an der Technischen Universität Dresden haben klare Vorstellungen davon, wie ein Chip der Zukunft aussehen könnte. Eine wichtige Rolle darauf spielt ihrer Meinung nach DNA, das fadenförmige Molekül, aus dem unsere Erbsubstanz besteht. Mit einem metallischen Überzug versehen wird DNA nämlich zu einem leitfähigen Draht. Und der ist so hauchdünn, dass konventionelle Leiterbahnen neben ihm wie dicke Starkstromkabel aussehen. Der Physiker Jörg Opitz von der TU Dresden:

    " Damit lassen sich Drähte aufbauen von einer Dicke von 300 bis 400 Nanometer. "

    Opitz sitzt fast jeden Tag am Mikroskop und verlegt DNA-Stränge auf speziell präparierten Platten, die mit einer Vielzahl von Goldkontakten versehen sind.

    "Wir haben eine Kontaktstruktur, die Kontaktstruktur besteht jetzt erst mal aus Goldkontakten in Mikrometer-Größe. An diese Goldkontakte werden DNA-Moleküle angebunden. Wir haben gewisse Bindungsstellen wie so ein Wald aus Bäumen. Dazwischen binden wir lauter Leinen an. "

    Leinen zwischen einem Wald aus Bäumen - so sieht Opitz die DNA-Stränge, die er von einem Goldkontakt zum anderen zieht. Anschließend werden die DNA-Fäden chemisch so behandelt, dass sie einen Metallmantel - etwa aus Palladium oder Platin - erhalten. Es entsteht schließlich ein leitfähiges Netzwerk aus DNA - mit Nano-Abmessungen.

    Nun bildet lose DNA normalerweise Knäuel und liegt nicht als gestrecktes Band vor. Dennoch: Ein freies Ende dieses Knäuels ist nicht schwer zu erwischen und kann quasi an einen Goldkontakt gelötet werden. Die Kunst besteht nun darin, das Knäuel zu einer Leine zu spannen. Dabei gehen die Dresdner Forscher besonders raffiniert vor: Sie nehmen Anleihe bei der belebten Natur. Wolfgang Pompe, Professor für Materialwissenschaft und Nanotechnik an der TU Dresden:

    " Unsere Idee ist gemeinsam mit Biophysikern, dass wir Geschenke der Evolution, also solche intelligenten Molekülstrukturen, wie wir sie mit der DNA haben oder zum Teil auch mit Membranproteinen haben, dass wir diese Dinge nutzen wollen und dass wir Prozesse, die im Normalfall in der Zelle ablaufen, jetzt in eine stabile technische Umgebung herüberholen."

    Will heißen: Im Organismus gibt es Transportsysteme, mit denen beispielsweise Neurotransmitter quer durch den Körper befördert werden. Diese Transportsysteme haben Opitz und Pompe gemeinsam mit Forschern vom Dresdner Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik aus ihrer natürlichen Umgebung herausgelöst und so umfunktioniert, dass sie nun DNA-Stränge befördern. Als eigentlicher Schlepper fungieren dabei starre Biomoleküle, so genannte Mikrotubuli, die von Proteinen angetrieben werden.

    " Als nächstes versuchen wir an das freie Ende des DNA-Moleküls Mikrotubuli anzubinden. und diese Mikrotubuli strecken sozusagen das freie Ende der DNA gegen das angebunden Ende und dann wird die DNA an zwei Enden angebunden."

    Wie ein Schlepper greift sich ein Mikrotubulus das zweite Ende eines angelöteten DNA-Knäuels und zieht es mit sich fort, bis das Gespann am nächsten Goldkontakt anlangt und die DNA dort im nunmehr gestreckten Zustand befestigt.

    Die biologischen Transportsysteme sind so klein, dass man viele davon gleichzeitig in der Versuchsapparatur arbeiten lassen kann. So sind in Windeseile alle möglichen Kontaktpunkte miteinander verdrahtet. Mit einem Rastermikroskop, dem gängigen Werkzeug der Nanoforscher, müsste dagegen jeder DNA-Faden einzeln manipuliert werden; der Zeitaufwand wäre erheblich größer.

    Das einzige Handicap der Mikrotubuli: Sie kennen keine Schaltpläne und wissen daher nicht, welche Leitungen sie ziehen sollen. Es entsteht also zunächst ein komplexes Wirrwarr. Jörg Opitz beschreibt, wie man dieses zu einem Netzwerk nach Plan reduziert.

    " Dafür bieten sich dann wiederum Restriktionsenzyme an. Wir versuchen zu zeigen, dass Restriktionsenzyme genau dies tun können, dass die sozusagen alle Leinen wegschneiden, die eine falsche Länge haben, oder zwischen falschen Bäumen aufgespannt sind."

    Die bisher erzielten Erfolge bei der Konstruktion von leitfähigen Netzwerken aus DNA stimmen Wolfgang Pompe zuversichtlich.

    " Die Vision ist, dass wir möglicherweise einen Beitrag leisten bei der Suche nach Alternative zu der jetzigen Entwicklung in der Mikroelektronik, wo man ja doch der Überzeugung ist, dass so um 2015 herum ein echter Wechsel erfolgen soll in Richtung einer molekularen Elektronik."