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Technik gegen Terror
Mit portablem Biodetektor schneller Milzbrand erkennen

Ein unbekanntes Pulver in einem Briefumschlag - ist es gefährlich? Bislang mussten verdächtige Sendungen zur Analyse ins Labor. Biotechnologen arbeiten an einem tragbaren Messgerät zur Erkennung von biologischen Gefahrstoffen - jetzt sind sie fast am Ziel.

Von Ralf Krauter | 10.03.2017
Eine Frau mit Handschuhen öffnet mit einem Brieföffner einen Umschlag adressiert an das Arbeitsamt.
Mit dem bloßen Auge kann ein biologischer Gefahrstoffe nicht von Mehl, Backpulver, Vanillezucker etc unterschieden werden (imago/photo2000)
Ortstermin bei Bruker Daltonik am Stadtrand von Leipzig: In einem modernen Gebäude baut die Firma unter anderem Detektoren zum Nachweis biologischer Gefahrstoffe. Das neueste Gerät steckt in einem robusten Aluminiumkoffer. Klappt man die Vorderseite herunter, werden Knöpfe, Leuchtdioden und Reagenzienhalter sichtbar.
"Es handelt sich hier um das PBDI, das ist der Portable Biodetector. Das Gerät ist sehr sensitiv und in der Lage, Mikroorganismen, Toxine und auch Viren nachzuweisen," erklärt Dr. Thomas Elßner.
Dr. Thomas Elßner, Koordinator des Verbundprojekts GEFRASE
Dr. Thomas Elßner, Koordinator des Verbundprojekts GEFRASE (Deutschlandradio / Ralf Krauter)
Er ist zuständig für Applikationen im Bereich CBRN-Schutz (Schutz vor den Auswirkungen von chemischen, biologischen sowie radiologischen und nuklearen Gefahren) und hat das Verbundprojekt GEFREASE koordiniert, in dem zentrale Komponenten des tragbaren Biolabors entwickelt wurden. Eines der Bedrohungsszenarien, die damit adressiert werden sollen, sind verdächtige Sendungen in den Poststellen staatlicher Behörden.
Thomas Elßner sagt: "Wenn man ein Paket bekommt oder einen Brief bekommt, in dem ein weißes Pulver ist, dann läuten die Alarmglocken. Dann will man natürlich möglichst schnell wissen: Handelt es sich hier um was Gefährliches oder nicht? Und da ist es wichtig, eine Technologie zu haben, die einem möglichst schnell und auch relativ zuverlässig dort eine Aussage gibt und das auch vor Ort tut."
Mögliche Gefahrstoffe müssen ins Labor
Bislang nehmen die Einsatzkräfte in ABC-Schutzkleidung nur Proben des verdächtigen Pulvers und schicken sie zur Analyse ins Labor. Dadurch vergehen Stunden, mitunter Tage, bis klar ist, ob Gefahr besteht oder doch nur Vanillezucker oder Backpulver in der Post steckt. Mit dem portablen Biodetektor soll sich das Risiko an Ort und Stelle einschätzen lassen – und zwar binnen 25 Minuten.
Thomas Elßner sagt: "Wir haben hier so genannte ready-to-use kits. Die sind hier in diesen Tüten verpackt und für den Einsatz konfektioniert. Wir haben hier einerseits den Wash-Puffer, dann haben wir hier die Reagenzien, die zu diesem Kit gehören."
Der Biowaffendetektor PBDI, die Proben-Auswertung ist auf dem Tablett Display zu sehen.
Der Biowaffendetektor PBDI, die Proben-Auswertung ist auf dem Tablett Display zu sehen. (Deutschlandradio / Ralf Krauter)
Thomas Elßner reißt silberne Tütchen auf. Sie enthalten kleine Plastikbehälter mit gefriergetrockneten Nachweisreagenzien und eine Pufferlösung.
Thomas Elßner sagt: "Jedes Reagenz, was verwendet wird, hat eine entsprechende Farbkodierung. Und die wird dann einfach an die entsprechenden Positionen im Reagenzienhalter gesetzt."
Die verdächtige Substanz wird in einer Flüssigkeit gelöst und in einem Metallbehälter positioniert. Bei dieser Demonstration bleibt er leer, weil mit potenziellen Biowaffen nur in Hochsicherheitslabors hantiert werden darf.
"Dann haben wir noch einen Chip. Auf diesem Chip befinden sich insgesamt 16 verschiedene Elektrodenpositionen. Hier sind also die entsprechenden Antikörper immobilisiert. Das heißt, sie sind halt so behandelt worden, dass sie auf der Oberfläche des Chips bleiben," erklärt Thomas Elßner.
Der Chip ist der Kern des Detektors
Der Chip ist das Herzstück des Biowaffen-Detektors. Er befindet sich auf einem kreditkartengroßen Plastikhalter, den Thomas Elßner ins Gerät schiebt. Die Elektroden auf diesem Chip registrieren den Verlauf immunologischer Schlüssel-Schloss-Reaktionen, die verraten, ob und welche gefährlichen Substanzen in der Probe enthalten sind. Dazu werden nun nacheinander verschiedene Lösungen und Reagenzien über den Chip gepumpt.
20 Minuten dauert die automatische Inkubation und Analyse im Feldeinsatz. Bei der Demonstration erscheint auf dem Bildschirm schon nach einer Minute ein roter Balken und die Warnmeldung: "Attention, target was found."
Thomas Elßner erklärt: "Hier wurde ein Mikroorganismen-Chip verwendet, der den Nachweis von Bazillus anthracis, Yersinia pestis, Franzisella tulerensis, Brucellen, Pocken und Burkholderien ermöglicht. Und hier sieht man, dass die Elektroden für den Franzisella tularensis erhöht waren und offensichtlich positiv sind. Das wäre im Prinzip der erste Hinweis, den man bekäme, am Tatort. Man wüsste jetzt, ok, hier ist offenbar eine Franzisellen-tularensis-Kontamination. Woher auch immer die kommt. Und jetzt wäre es natürlich angesagt, das möglichst noch mit einer zweiten Technologie zu verifizieren."
Stoffe, die als Biowaffe einsetzbar sind
Franzisella tularensis, der Erreger der Hasenpest, kann auch Menschen töten. Er zählt zum dreckigen Dutzend der Toxine, Viren und Bakterien, die potenziell als Biowaffe taugen. Neben Anthraxsporen, Pesterregern und Pockenviren zählen dazu auch die hochgiftigen Botulinumtoxine, Staphylokokken-Enterotoxine und Rizin. Auch für deren Nachweis gibt es Analysechips mit spezifischen Antikörpern.
"Ein spezielles Design von diesen Chips ermöglicht es uns im Prinzip, sehr sensitiv die Agenzien nachzuweisen. Wir kommen da runter bis in den unteren Nanogramm-, zum Teil auch in den Pikogramm-pro-Milliliter-Bereich."
Die tödliche Dosis des Nervengiftes Botulinumtoxin beispielsweise, die bei durchschnittlichem Körpergewicht rund 70 Nanogramm beträgt, lässt sich so zuverlässig nachweisen. Ist das nun also endlich das tragbare Analysegerät, an dem seit 10 Jahren geforscht wird? Beim BBK, dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe in Bonn, hält man sich noch bedeckt. Man teste gerade die Produkte mehrerer Hersteller, erklärt Dr. Monika Hermann-Pietsch.
"Zurzeit laufen noch die Erprobungen und Prüfungen in den Laboren. Und da werden wir zunächst die Ergebnisse abwarten und dann entscheiden, wie wir weiter vorgehen und inwieweit wir die Geräte dann beschaffen."
Die Detektorenentwicklung ist auf der Zielgeraden
Monika Hermann-Pietsch ist dafür zuständig, die etablierten analytischen Taskforces für chemische und radioaktive Gefahrenlagen in die Lage zu versetzen, künftig auch Biowaffen nachzuweisen. Nachdem die portablen Detektoren dafür jahrelang nicht empfindlich, zuverlässig und robust genug waren, sei die Technologieentwicklung nun auf der Zielgeraden, sagt die Biologin.
"In der Zwischenzeit gibt es einige biologische Nachweissysteme auf dem Markt, die vielversprechend sind für den Einsatz vor Ort, um sie in Zukunft durch speziell geschulte Einsatzkräfte für eine erste Lagebewertung einsetzen zu können."
Damit die Experten im Außeneinsatz möglichst zuverlässige Ergebnisse erhalten, will ihnen das BBK zwei komplementäre Nachweisverfahren an die Hand geben. Neben einem immunologischen Ansatz, wie ihn Bruker Daltonik zur Marktreife entwickelt hat, sollen auch Geräte zum Einsatz kommen, die gefährliche Viren und Bakterien an ihrem Erbgut erkennen. Auch deren Entwicklung hat das Bundesforschungsministerium über Jahre gefördert.
Einen bioterroristischen Anschlag gab es in Deutschland übrigens noch nie. Bislang entpuppten sich alle verdächtigen Pulver, die Trittbrettfahrer verschickt haben, als harmlos.