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Technik gegen Terror
Schmutzige Bomben im Container

Im Kampf gegen schmutzige, radiologische Waffen wollen die USA durchsetzen, dass ausländische Häfen Frachtcontainer auch auf Radioaktivität prüfen. Wie das effizient und kostengünstig ablaufen könnte, haben Logistiker in Bremerhaven untersucht. Sie setzen auf riesige Scanner.

Von Ralf Krauter | 08.03.2017
Ein Portalscanner in Bremerhaven durchleuchtet die Frachtcontainer direkt auf dem Lkw.
Ein Portalscanner in Bremerhaven durchleuchtet die Frachtcontainer direkt auf dem Lkw. (ISL)
"Terrorist networks such as Al-Qaida have tried to acquire the material for a nuclear weapon. And if they ever succeeded, they would surely use them,” sagte Barack Obama am 13. April 2010 beim ersten Gipfel für Nuklearsicherheit in Washington. Seine Botschaft war klar. "In short, it is increasingly clear that the danger of nuclear terrorism is one of the greatest threats to global security.”
Die Gefahr eines nuklearen Terroranschlags sei eine der größten Bedrohungen für die globale Sicherheit, so der damalige US-Präsident. Um ihr zu begegnen, habe das US-Heimatschutzministerium schon 2006 ein Gesetz verabschiedet, erklärt Professor Frank Arendt, der wissenschaftliche Geschäftsführer des Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik in Bremerhaven, den SAFE Port Act, der besagt, "dass ab dem 1. Juli 2012 kein Container mehr in die USA importiert werden darf, der nicht im Abgangshafen auf Radioaktivität geprüft und durchleuchtet wurde. Und das war natürlich speziell für die Bremer Häfen, die sehr stark vom US-Export abhängig sind, eine gewaltige Unsicherheit, weil sie nicht wussten: Was kommt jetzt auf uns zu? Was müssen wir tun, um dieses Gesetz zu erfüllen?"
Professor Frank Arendt, der wissenschaftliche Geschäftsführer des Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik in Bremerhaven
Professor Frank Arendt, der wissenschaftliche Geschäftsführer des Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik in Bremerhaven (Deutschlandradio / Ralf Krauter)
Jeder vierte Container von Europa in die USA wird in Bremerhaven umgeschlagen, jeden Tag Hunderte. Wie könnte man die alle auf strahlenden Stoff scannen, ohne die Abfertigung stark zu verzögern? Um Antworten zu finden, initiierte Frank Arendt das Forschungsprojekt ECSIT, das vom Bundesforschungsministerium mit gut sechs Millionen Euro gefördert wurde. Es begann fünf Monate nach dem ersten Nukleargipfel, im September 2010, und sein erklärtes Ziel war die "Erhöhung der Containersicherheit durch berührungslose Inspektion im Hafen-Terminal". Frank Arendt:
"Das Konzept hat vorgesehen, dass man quasi einen Basisscan durchführt, also halt schnell ein zweidimensionales Bild erstellt und den Inhalt auf das Überschreiten bestimmter Radioaktivitätswerte untersucht. Und wenn alles im grünen Bereich ist, wird der Container durch gewunken."
Um die Abläufe nicht stark zu verzögern, sollte dieser Basisscan mit einem Röntgenportalscanner der Firma Smiths Detection in unter einer Minute über die Bühne gehen. Auf der Pritsche eines Lkws oder auf einem Förderband fahren die Container im Schritttempo hindurch und werden durchleuchtet. Ein zusätzlicher Radioaktivitätsscanner misst dabei Strahlungswerte, erklärt Frank Arendt:
"Wenn man merkt, oh, da strahlt was, dann würde man sagen: Da müssen wir nochmal eine Isotopenerkennung durchführen, um eben zu erkennen, ist das jetzt natürliche Strahlung oder strahlt da was, was nicht sein soll?"
Strahlende Bananen
Da auch Bananen und Kunstdünger strahlen, schlägt der Radioaktivitätsscanner öfter mal an. Die Nachkontrolle mit einem Gammaspektrometer verrät dann, ob die Fracht tatsächlich gefährliche Stoffe enthält. Zum Beispiel Uran, Plutonium oder Cobalt-60, das in Medizingeräten verwendet wird. Wenn nicht, gibt’s auch in diesem Fall schnell grünes Licht. Komplizierter wird es, wenn das Röntgenbild des Containers nicht dem entspricht, was laut Ladepapieren zu erwarten wäre.
Das Röntgenbild eines Containers
Das Röntgenbild eines Containers (ISL)
"Wenn man auf dem 2D-Scan-Bild irgendwas Verdächtiges sieht, dann würde man – bevor man den Container öffnet, wie das heute der Fall ist – in unserem Konzept einen 3D-Scan machen", sagt Frank Arendt. "Das heißt, man würde sich den suspekten Bereich vornehmen, den mit einem 3D-Scanner durchleuchten und hätte dann die Möglichkeit, dieses Scanning-Bild in alle Richtungen zu drehen. Oder, wie wir das bei unsere Abschlusspräsentation gezeigt haben, mit einer 3D-Brille diesen Container dann in der Tiefe zu sehen."
Container im CT
Die Technik dafür wurde am Fraunhofer-Entwicklungszentrum für Röntgentechnik in Fürth getestet: Mit einem XXL-Computertomografen, der einen drei Meter langen Frachtcontainer von allen Seiten durchleuchten kann. Bei der Abschlusspräsentation von ECSIT, im November 2013, zeigte Fraunhofer-Forscher Stefan Moser vom Ernst-Mach-Institut das Ergebnis.
Es ist zu sehen: Auf der Vorderseite steht das Motorrad direkt an der Tür. Auf der linken Seite die Stahlrohre, daneben die Waschmaschine. Auf der Waschmaschine der Fernseher.
Am Bildschirm lässt sich jedes beliebige Objekt in der verschlossenen Frachtbox heranzoomen und im Detail inspizieren.
Stefan Moser erzählt: "Schauen wir uns mal ein Schnittbild an, von einem Objekt, das Sie alle kennen: Von einem Motorrad. Sie sehen, da befindet sich in dem Zylinder auch ein Kolben. Da hat niemand zum Beispiel ein Stück Plutonium drin versteckt."
Soweit, so beeindruckend. Doch so ein 3D-Röntgenscan dauert 15 Minuten und Anlagen, die eine zwölf Meter lange Standard-Frachtbox durchleuchten könnten, würden Millionen kosten. Wenn man alles, was technisch machbar wäre, umsetzen müsste, erklärt Frank Arendt, würden Exporte in die USA merklich teurer.
Containerkräne in Bremerhaven
Containerkräne in Bremerhaven (Deutschlandradio / Ralf Krauter)
Frank Arendt erklärt: "Wenn unser Konzept mit dieser mehrstufigen Prüfung – diesem Basis-Scan und je nach dem einem 3D-Scan, einer Nukliddetektion und gegebenenfalls noch einem manuellen Auspacken – eingeführt worden wäre, hätte das pro US-Export-Container zwischen 50 und 100 Euro zusätzlich gekostet, zum Zeitpunkt des Projektes. Das ist schon nennenswert."
Inkrafttreten der Vorschrift verschiebt sich immer wieder
In Bremerhaven ist man deshalb froh, dass der Kelch bislang vorüberging. Denn auch den Amerikanern wurde längst klar, dass ihre Forderung, alle Seefrachtcontainer mit Ziel USA zu screenen, schwer umsetzbar ist. Schätzungen zufolge würden die notwendigen Maßnahmen in den kommenden zehn Jahren zwischen elf und 30 Milliarden Euro verschlingen. Das Inkrafttreten der Vorschriften wurde darum mehrmals verschoben: Von 2012 auf 2014, dann auf 2016, zuletzt auf Juli 2018. Ob die neue US-Regierung unter Donald Trump zusätzlichen Aufschub gewährt, bleibt abzuwarten. Bis auf Weiteres setzen die Zollfahnder, die die Fracht in deutschen Häfen kontrollieren, auf das etablierte risikobasierte Scanning und konzentrieren sich auf Importe.
"Deshalb versucht man, durch dieses Zusammenspiel aus Technologie, aus intelligenten Algorithmen, die Daten durchforsten, und der menschlichen Intelligenz ein möglichst hohes Maß an Sicherheit zu gewährleisten. Die 100-prozentige Sicherheit ist nicht zu erreichen, außer ich stelle den Transport ganz ein -was ja auch keiner haben will. Insofern ist es immer schwierig, da das richtige Maß zu finden."
Bei zwei bis fünf Prozent der einlaufenden Frachtboxen schauen die Zollfahnder genauer hin – und entdecken regelmäßig geschmuggelte Zigaretten, Plagiatprodukte, Waffen und Drogen. Im Hafen von Genua wurde bei Routinekontrollen auch schon mal eine gefährlich radioaktive Cobalt-60-Quelle sichergestellt, die wohl jemand günstig entsorgen wollte. Eine schmutzige Bombe aber wurde bislang zum Glück noch nirgends gesichtet.