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Technik in Frauenhänden

Frauen und Technik - das hört sich für manchen immer noch wie ein Gegensatz an. Aber auch bei den Frauen gibt es Vorbehalte gegenüber technischen Berufen. Ingenieure sind meistens die Männer. Und an den Hochschulen sind Frauen in technischen und naturwissenschaftlichen Studiengängen in der Minderheit. Mit einem Frauenpraktikum und speziellen Tutorien für Frauen, versucht eine Fraueninitiative des Landes Sachsen-Anhalt und der Deutschen Angestellten Akademie (DAA) gegen zu steuern. Und das schon seit fünf Jahren recht erfolgreich.

Von Mark Michel |
    Anke Heinold will nicht irgendein Studium beginnen, sondern eins, dass sie auch interessiert und an dem sie Spaß hat. Sie hat auch schon klare Vorstellungen, doch konkrete Eindrücke fehlten. Deswegen macht die 18-Jährige jetzt nach dem Abitur ein Praktikum. Anke Heinold ist eine von über 100 Schülerinnen aus Sachsen-Anhalt, die am "Frauenpraktikum" teilnehmen, einer Frauen-Initiative des Landes Sachsen-Anhalt und der Deutschen Angestellten Akademie.

    Ich wollte eigentlich seit der zehnten Klasse Chemie studieren, allerdings war einfach nicht klar, wo und ob ich es überhaupt schaffe. Ich war mir total unsicher. Ich habe dann viele Unis besucht, bis ich dann von diesem Projekt erfahren habe. Dann habe ich das gemacht, dadurch hat sich der Wunsch Chemie zu studieren sehr bestärkt. Ich bin jetzt schon voll im Lernen drin. Das habe ich in der Schule, muss ich ehrlich sagen, nie gemacht. Das ist toll, dass man doch sieht, du kannst was und du wirst von jemandem auch gefordert. Das wird auch nicht belächelt, wenn du sagst, hier ich mache Mädchenpraktikum. Das finde ich schön.

    Anders als bei einem Schnupperstudium erlebt Anke Heinold hier den wirklichen Uni-Alltag. Sie assistiert bei Experimenten, besucht Seminare oder arbeitet an eigenen, ganz kleinen Forschungsprojekten. Den Kaffee kochen und das Kopieren übernehmen andere. Schließlich geht es beim Frauenpraktikum darum, bei den Mädchen das Interesse für Technik und Naturwissenschaften zu wecken.

    Betreut werden sie von Dozenten, Studenten und Professoren. Das alles zahlt sich aus. Schnell verfliegt bei den Mädchen die Angst vor physikalischen Gesetzen oder chemischen Formeln. Nicht wenige beginnen nach dem Praktikum ein Studium im selben Fachbereich der Hochschule. Auch Anke Heinold hat sich für Chemie an der Uni in Halle eingeschrieben. Allein gelassen wird sie auch dort nicht. Denn was vor fünf Jahren mit dem Frauenpraktikum begann, hat sich weiter entwickelt. Christiane Rietz, die Projektleiterin:

    Da man jetzt nach dem Abitur ansetzt und das jetzt studienorientierend unterstützen möchte, ist das natürlich nur ein Bestandteil. Was passiert denn im Studium? Und aus diesen Gedanken heraus, hat sich das Tutorienprojekt entwickelt, dass man dann im Studium selbst die Studentinnen unterstützt, von Frauen für Frauen. Ältere Studentinnen für jüngere Studentinnen. Aber nicht nur inhaltlich, sondern in jeglicher Art wie man einfach nur Nutzen in solch einem Studienfach kriegen kann.

    Eine der studentischen Tutorinnen ist Kathi Friedrich. Sie studiert Zahnmedizin in Halle und leitet Seminare, die nur für junge Frauen sind.

    Frauen haben ein anderes Verständnis in der Vermittlung von technischen Dingen, würde ich meinen. Man muss manchmal sehr verbildlicht reden und man muss vor allen Dingen immer wieder mal erklären. Vor allem immer wieder versuchen noch einmal anders zu erklären. Die Studentinnen öffnen sich. Sie fangen an ganz offen zu werden. Und das ist natürlich auch geschuldet dass wir nur Frauen sind. Ja, dass zwar manch einer dann sagt Kaffeeklatsch, aber so ist es in gar keinem Fall. Sie sind in dieser Gruppe eher bereit, mal zu sagen "oh, dass habe ich nicht verstanden", "nochmal" oder so ein "Brett vor dem Kopf" zuzugeben, was sie vielleicht in einer anderen Gruppe nicht tun würden.

    Den Frauen in technischen Dingen zu helfen, ist das eine. Das andere ist ihnen das Gefühl zu geben, in einer Männerwelt nicht allein da zu stehen.

    Dass man sich nicht einigelt, dass fördert dieses Projekt von innen heraus. Es wird sich ausgetauscht über die verschiedenen Assistenten, über die verschiedenen Vorlieben und das ist einfach so. Und auch wie man im Studium zu Informationen kommt. Das ist ein sehr nettes Miteinander.

    Das gesamte Projekt wird wissenschaftlich begleitet. Jedes Jahr befragt man die Schülerinnen und Studentinnen, was man noch besser machen könnte. Die Vorschläge fließen dann sofort in die neuen Projektanträge mit ein. Die Gelder müssen beim Europäischen Sozialfonds und beim Land jedes Jahr neu beantragt werden. Die gesammelten Erfahrungen kann man so schnell umsetzen.

    Einfach ist die Arbeit aber nicht, und der Organisationsbedarf ist groß, meint Christiane Rietz. Alles muss mit den Mentoren und Mitarbeitern an den Hochschulen abgestimmt werden. Aber scheinbar ist genau dieses Miteinander der Grund, warum das Projekt erfolgreich ist und sich ständig weiter entwickelt.

    Und dann haben wir uns zusammen gesetzt und gesagt, natürlich ist das auch noch nicht das Letzte. Und da ist seit letztem Jahr eine komplette Landesinitiative entstanden die junge Frauen und Mädchen bereits im Schulalter, achte, neunte, zehnte Klasse interessieren möchte für technische Berufe oder für ingenieurwissenschaftliche Studiengänge. Arbeitsgemeinschaften - die Girls Technik Clubs heißen, werden gegründet. Und das ist die Orientierung, dann kommt das Frauenpraktikum, dann das Tutorienprojekt und dann geht es natürlich auch darum, den Bogen dahin zu schaffen, dass Absolventinnen ins Arbeitsleben springen können.

    Genau dafür gibt es jetzt ein neues Projekt. Es heißt double step zwei. Dabei werden junge Absolventinnen auf Führungspositionen in der Wirtschaft vorbereitet. In diesem Praktikum gehen die Frauen dann für ein halbes Jahr in ein Unternehmen, um direkt in der Praxis Erfahrungen zu sammeln. Vielleicht kann man auch so die jungen Frauen im Land halten, denn Sachsen-Anhalt hat mit Abwanderung zu kämpfen. Die meisten Menschen, die dem Land den Rücken zu kehren sind junge, gut ausgebildete Frauen.