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Technik und Versicherungen gegen Hochwasser

Thailand erlebt eine Jahrhundertflut, die Schweiz kämpft gegen schwere Hochwasser. Wissenschaftler rechnen damit, dass extreme Wetterlagen mit Fortschreiten des Klimawandels zunehmen. Vorbeugung tut not und ist zentrales Thema des "aqua alta"-Kongresses in Hamburg.

Von Verena Herb |
    Zu Beginn dieser Woche gab es in der Schweiz, vor allem im Berner Oberland und dem Kanton Wallis starke Unwetter: Der Grund: drastische Wetterwechsel. Vorige Woche fiel auch in niederen Lagen bis zu 70 Zentimeter Schnee. Als das Wetter umschlug, ließ das Schmelzwasser die Bäche zu reißenden Flüssen anschwellen. Außerdem: Starkregen.

    "Und das Wasser kam dann relativ schnell. Also da hatte man sehr, sehr wenig Zeit sich zu schützen. Und zum guten Glück ist keine Person, zumindest nicht meines Wissens zu Schaden gekommen. Aber dann geht´s halt ans Lebendige."

    … weiß Andreas Roos. Er ist Gründer der Beaver AG, einem Schweizer Unternehmen, das Schlauchsysteme für den mobilen Hochwasserschutz herstellt. Er macht deutlich: Der Klimawandel kommt nicht, er ist schon längst da. Und zeigt sich weltweit durch steigende Überschwemmungs- und Hochwassergefahr.

    "Wir haben aber in Ländern gerade alpine und voralpine Charaktere. Die sprechen dann mehr von Unwetter. Das kommt sehr schnell. Keine Reaktionszeit. Man weiß im Vornherein nicht, wo die Systeme aufgestellt werden. Und dann haben wir die klassischen Hochwasserschutzgegenden, wie zum Beispiel in den neuen Bundesländern in Deutschland. Aber auch die benachbarten Regionen in Polen, Tschechien. Dann haben wir wieder Meeressituationen. Sprich: Rückstau vom Meer, weil das Wasser von der Donau zum Beispiel in Rumänien nicht groß abfließen kann."
    Und deshalb müsse es auch vielfältige Wasserschutzmaßnahmen geben, um auf sämtliche Gegebenheiten reagieren zu können. Auf der Fachmesse und dem Kongress "acqua alta" treffen sich Wissenschaftler und Unternehmen sowie Vertreter von Kommunen und diverse Hochwasserschutzexperten, um sich auf diesem Feld auszutauschen.

    Das Thema "Bürgerbeteiligung" ist ein Schwerpunkt der diesjährigen "acqua alta". Der sich gerade gegründete Europaverband Hochwasserschutz e.V. macht in erster Linie die Politik dafür verantwortlich, dass es an vielen Stellen hapert. Christian Wirz, Vorstandsvorsitzenden des Verbandes:

    "Die Politik lässt den Bürger allein. Die Politik sagt: Ja, Klimawandel wird kommen. Dabei ist der Klimawandel schon längst da. Die Politik sagt: Wir haben kein Geld. Also schütze Dich selber, Bürger. Das ist auch, wenn ich mich am Wasser ansiedle und weiß, dass da ein Hochwasser droht, sicher richtig."

    Doch nur selten sind die Menschen, die in Überschwemmungsgebieten leben, sich der Gefahren bewusst. Nach wie vor wird in Deutschland die Verantwortung für den Hochwasserschutz häufig auf Städte und Gemeinden abgeschoben, weiß auch Reinhard Vogt, Geschäftsführer des HochwasserKompetenzCentrums (HKC) in Köln. Was aber auch daran liegt, dass Deiche oder Hochwassermauern auf Verwaltungsebene geplant und verabschiedet werden. Viel zu selten sind auch die direkten Anwohner in die Planungen eingebunden. Zumal bereits 2007 eine europäische Richtlinie zum Hochwasserrisiko-Management erlassen wurde, wonach die einzelnen Länder Europas für besonders gefährdete Gebiete Risikokarten erstellen, einen Maßnahmenplan erarbeiten und bis spätestens 2014 in den Gemeinden vorstellen sollen. Die Schweiz ist diesbezüglich schon weiter, sagt der Schweizer Unternehmer Andreas Roos:

    "Der Schweizer Bürger hat tendenziell mehr Eigenverantwortung. Der sagt: Wenn ich mich schütze, weiß ich wenigstens, dass ich was habe. Ist auch bereit, etwas auszugeben. Und die Schuldzuweisung ist bei mir zu Hause etwas anders als im benachbarten Ausland."
    Zukünftig wird es, so sagen es die Klimaforscher, häufiger zu drastischen Wetterwechseln kommen. Kräftige Regenfälle, gar Starkregen, Gletscherschmelzen werden zu Überschwemmungen und Hochwassern führen. Deshalb müssen Hochwasserschutzvorrichtungen zum einen präventiv eingerichtet werden – doch aufgrund der Vielfältigkeit der Katastrophen, die passieren können, muss auch der Hochwasserschutz als solcher vielfältig ausgerichtet sein. Andreas Roos:

    "Der moderne Hochwasserschutz wird in Zukunft aus der Vogelperspektive ganze Regionen betrachten. Wird raumplanerisch Einfluss nehmen. Wird renaturalisierungsmäßig Einfluss nehmen. Wird mit baulichen Maßnahmen, mit mobilen ortsunabhängigen, ortsabhängigen Systemen Einfluss nehmen. Es ist kein System überall gut."
    Und auf den Sandsack wird wohl auch künftig nicht verzichtet werden können.

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