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Technisch bestens, aber nicht passend

Verkehr. - Immer mehr Lkw transportieren Güter über Deutschlands Straßen. Als Lösung wollen Fachleute das zulässige Gesamtgewicht der Brummis von derzeit 40 Tonnen auf 60 Tonnen erhöhen. Doch schon die Pilotversuche mit den so genannten Giga-Linern sind in Deutschland umstritten. Abgesehen von verkehrspolitischen Erwägungen, sprechen auch technische Probleme dagegen.

Von Mirko Smiljanic |
    Giga-Liner sind rollende Riesen! Man kann sie sich vorstellen als normale 40-Tonner mit einem zusätzlichen Anhänger, die Gesamtlänge beträgt 25 Meter, statt wie bisher 16 Meter 50. Acht bis zehn Achsen tragen den Superbrummi – bisher waren es fünf – was durchaus positive Konsequenzen hat. Giga-Liner sind mit 60 Tonnen zwar monströs schwer, trotzdem wird die Straße zunächst einmal nicht stärker belastet – sagt Ulf Zander, in der Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch Gladbach, zuständig für alle technisch-wissenschaftlichen Fragen rund um die Zulassung von 60-Tonnern. Zander:

    "So lange die 60-Tonner mehr Achsen haben, und das wäre so vorgesehen, verteilt sich die Last auf diese Achsen sogar leicht besser bei diesen Fahrzeugen, sodass wir mit einer geringen Schädigungen rechnen, das heißt eine Spurrinne würde etwas später entstehen."

    Ganz anders sieht es bei Brücken aus. Dort zählt die Gesamtbelastung, und die liegt bei 60-Tonnern um 50 Prozent über dem normalen Wert. Zander:

    "Wenn so ein 60-Tonner auf der Brücke steht zwischen zwei Trägern, dann biegt sie sich entsprechend mehr durch, dafür sind die meisten Brücken in Deutschland nicht dimensioniert worden."

    Nach internen Berechnungen kostet es etwa vier bis acht Milliarden Euro, nur die Autobahnbrücken tauglich für 60-Tonner zu machen. Würde man dies nicht tun, gäbe es schon deshalb kaum noch Fahrstrecken für die Supertrucks, weil Deutschlands Fernstraßennetz vor Brücken nur so wimmelt. Ganz anders sieht es in den Niederlanden und Schweden, dort sind Brücken selten. Aber selbst wenn das Brückenproblem gelöst würde, sehen Verkehrsexperten ein anderes Hindernis: Giga-Liner sind mit einer Länge von 25 Metern einfach zu lang für normale Straßen. Zander:

    "Auf den Autobahnen könnten sich die langen Fahrzeuge, sie sind ja immerhin 25 Meter lang und haben auch einen Drehpunkt mehr, könnten sich relativ problemlos dort bewegen, sie kommen auch noch von der Autobahn runter, aber an der ersten Ampel oder an der ersten Kreuzung bekommen wir aber in vielen Fällen schon Probleme, weil die Fahrzeug nicht so gut um die Kurven kommen, das heißt es gibt irgendwo eine Schnittstelle im Netz, wo diese Fahrzeuge nicht weiterfahren dürften, sei es auf irgendwelchen Bundesstraßen, die zu klein sind oder in die Landesstraßen hinein und in die Städte schon gar nicht."

    Mit der Konsequenz, dass an diesen Schnittstellen die Ladung auf 40-Tonner umgeladen werden müsste: Ein gewaltiger finanzieller und logistischer Aufwand, der zudem den erhofften Vorteil von Supertrucks wett macht: Statt weniger Verkehr, würde mehr Verkehr entstehen. Ungelöst sind zudem Fragen zur Verkehrssicherheit. Lkw sind bei Autofahrern unbeliebt, Giga-Liner erst recht. Niemand würde sich besonders wohl fühlen, wenn ein rollender Riese neben ihm auftaucht. Zander:

    "Das höhere Gewicht ist sicherlich dramatisch, 50 Prozent mehr Gewicht bedeuten bei einem Aufprall einen erheblich höheren Schaden, man muss nur dran denken, wenn ein 60-Tonner ungebremst auf eine Stauende fährt oder auf eine Schutzeinrichtung, entsteht dann erheblich mehr Schaden. Die größere Länge wiederum macht uns bei Kreuzungen Probleme und beim Überholen, das kennt man von Bundesstraßen, die nur einbahnig sind, so ein Fahrzeug zu überholen, das jetzt 50 Prozent länger ist, das macht schon Probleme, bei Dunkelheit erst recht."

    60-Tonner hätten allerdings eine weit höhere passive Sicherheit. Achswäge-Systeme machen ein Überladen der Riesentrucks unmöglich, außerdem wäre jeder Wagen mit Fahrerassistenzsystemen der neuesten Generation ausgestattet worden. Techniken, die Fachleute seit langem schon für 40-Tonner fordern. Ulf Zander von der BAST:

    "Man wird in Zukunft sicher darauf drängen, dass diese Technik jetzt europaweit vorangetrieben wird, dass wir die in bestehende Nutzfahrzeuge mit installiert bekommen."

    60-Tonner fahren zukünftig nicht auf Deutschlands Straßen – sieht man mal von den Pilotversuchen in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg ab. Diese Tests laufen planmäßig bis zu ihrem Ende weiter, anschließend werden 40-Tonner aber wieder die schwersten Brummis sein.