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Technische Hochschulen entdecken eine neue Einnahmequelle

Bundesweit werden derzeit nach und nach alle Signale für die Einführung von Studiengebühren auf Grün gestellt. Erst traf es Langzeit- und Zweitstudenten, dann waren die Seniorenstudenten dran und jetzt denken die Technischen Universitäten der Republik darüber nach, eigene Studiengebühren für ausländische Studierende einzuführen. Das wird nämlich durch etliche Landeshochschulgesetze ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Wie so ein Gebührenmodell konkret aussehen könnte, wird beispielsweise an der RWTH Aachen überlegt.

Von Armin Himmelrath |
    80 Studiengänge, 414 Professoren, 17 Sonderforschungsbereiche, 530 Millionen Euro Haushaltsvolumen. Keine Frage, die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule in Aachen gehört zu den großen und bekannten Universitäten in Deutschland. Und auch im Ausland hat sie einen exzellenten Ruf. Von den knapp 30.000 Studierenden in Aachen hat fast jeder Fünfte keinen deutschen Pass. Rektor Burkhardt Rauhut über die mehr als 5800 Gaststudenten:

    Es kommen eine ganze Reihe von Studierenden aus Nicht-EU-Ländern zu uns, weil wir keine Studiengebühren erheben. Weil aber die Betreuungsrelation so schlecht ist, studieren die so lange hier, dass sie letztlich höhere Kosten haben, als wenn sie bei besserer Betreuung durch Studiengebühren kürzer studieren würden.

    Zusammen mit seinen Kollegen von acht anderen technischen Hochschulen in Deutschland will Rauhut deshalb Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer einführen. Mit dem Geld soll einerseits eine bessere Betreuung der Gaststudenten finanziert und andererseits ein Stipendiensystem aufgebaut werden, um auch mittellose Ausländer nicht von einem Studium in Aachen auszuschließen. Burkhardt Rauhut will dabei nach dem Robin-Hood-Prinzip vorgehen: Die Reichen sollen zahlen, die Armen profitieren:

    Die Geldeliten, die das Geld haben, die geben das auch aus. Die gehen nach England, nach Amerika, und bezahlen sehr viel Studiengebühren. Wenn wir von denen so viel nehmen - und das machen die Amerikaner ganz massiv, dass sie Stipendien geben können - dann können wir ganz im Gegenteil Leute hier her holen, die noch nicht mal jetzt studieren können, obwohl es keine Studiengebühren gibt.

    Damit, sagt Burkhardt Rauhut, wäre allen geholfen. Denn wenn die ausländischen Studierenden für ihre Gebühren eine bessere Betreuung bekämen, würde sich auch deren Studienzeit spürbar verbessern. Bisher haben nämlich nach sechs Jahren Aufenthalt in Aachen erst zehn Prozent der Gaststudenten einen Abschluss in der Tasche. Doch während der Rektor die Idee von den Studiengebühren für Ausländer als Win-win-Situation verkauft, steht AStA-Vorsitzender Roufaou Oumarou dem Projekt sehr skeptisch gegenüber:

    Im Moment man sagt, man möchte das Geld für die Betreuung. Es gibt absolut kein Konzept, kein durchdachtes Konzept. Zum zweiten: Dieses Geld, dass man jetzt kassieren möchte, das wird man nur von den Ärmeren kassieren, weil die Studenten aus EU-Länder, nicht nur die klassischen, auch die Beitrittsländer, die 25, von denen kann man ja keine Beiträge kassieren, weil die werden einfach Deutschen gleichgestellt.

    Roufaou Oumarou stammt selber aus Kamerun und wäre von den geplanten Ausländer-Gebühren direkt betroffen. Er befürchtet auch eine Spaltung der Studierendenschaft in Gebührenzahler und Nicht-Zahler. Denn tatsächlich müssten längst nicht alle ausländischen Studierenden bezahlen: Von den 5800 Gaststudenten stammen gut 1600 aus EU-Mitgliedsländern oder Beitritts-Staaten. Sie sind rechtlich ihren deutschen Kommilitonen gleichgestellt und müssen deshalb kein Geld für ihre Betreuung mitbringen. Damit blieben nur 4200 zahlungspflichtige Ausländer übrig:

    Die klassischen Studenten, von denen man dann Geld kassieren will, werden dann Leute sein, die aus Südamerika, aus Afrika, aus Asien kommen, die auch nachweislich manchmal wenig haben.

    4200 seien doch schon eine ganze Menge, sagt Burkhardt Rauhut. In einer Modellrechnung hat er schon einmal nachgezählt, wie viel jeder einzelne bezahlen müsste, um die benötigte Anzahl von Mentoren, Tutoren und Sprachlehrern aufzubringen:

    Das würde bedeuten, um die 3000 Euro pro Semester. Wenn wir Stipendien mit einrechnen - das wäre nur für einen selbst - dann würden wir ungefähr auf 6000, 7000 Euro kommen. Da wäre die Unterbringung noch nicht drin und die Lebenskosten, das wäre wirklich die Betreuung, die dann ganz massiv ist, und ein Anteil für Stipendien dabei. Das ist so etwa die Größenordnung.

    Denkbar sind damit also Beträge von 10.000 Euro im Jahr und mehr. Macht rein rechnerisch bei 4200 Betroffenen in Aachen jährlich 42 Millionen Euro, die für eine bessere Betreuung zur Verfügung stünden. Für Studentenvertreter Roufaou Oumarou ist das jedoch eine Horrorvorstellung.

    Es werden natürlich die Wohlhabenden, die Söhne der Elite in dem jeweiligen Land - aus Indien, Kamerun, aus Marokko oder keine Ahnung, aus Südamerika, die Regierungsmitglieder, die Söhne der Wohlhabenden werden wir haben.

    Das sei doch gar nicht so schlimm, sagt Burkhardt Rauhut. Der in früheren Jahrzehnte gepflegte Gedanke von der Entwicklungshilfe durch kostenlose Studienplätze sei ohnehin längst überholt. Der Aachener Rektor plädiert statt dessen für einen Paradigmenwechsel: Die klammen Hochschulen müssten einfach neue Geldquellen erschließen. Und moralische Bedenken, sich dabei an die ausländischen Studierenden zu wenden, habe er nicht:

    Gucken Sie sich an: Wenn in China 0,001 Prozent reich sind, dann sind das zehn Millionen. Und die haben Geld. Und wenn wir von denen das Geld nehmen und andere unterstützen, die gar nichts haben, dann sehe ich überhaupt nichts Ehrenrühriges dran.