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Teenager auf Verbrecherjagd

Umweltsünder in Florida und Drogenbarone in Rio - in Krimis für Jugendliche werden längst nicht nur spannende Geschichten erzählt, sondern auch gesellschaftliche Probleme thematisiert: Fünf aktuelle Beispiele von den Krimi-Autoren Christoph Wortberg, Klaus-Peter Wolf, Andreas Steinhöfel, Ingvar Ambjörson und Carl Hiaasen.

Von Karin Hahn | 15.08.2009
    Krimis beginnen in der Regel damit, dass ein Verbrechen geschehen ist und die aufklärenden Kräfte auftreten. Ein Rätsel wird geboten - und eine logische Aufgabe zum Mitdenken. In Geschichten für jüngere Leser, und das kann schon beim Bilderbuch beginnen, werden Torten geklaut oder Elstern observieren ein Haus, um es später auszuräumen. Es geht um Diebstahl und die schlichte Frage: Wer war es?

    Den Älteren wird schon mehr zugemutet: Entführung, Totschlag, Erpressung, gefährliche Brandstiftung oder Mord. Die Autoren des heutigen Features Christoph Wortberg, Klaus-Peter Wolf, Andreas Steinhöfel, Ingvar Ambjörnsen und Carl Hiaasen kombinieren die begrenzten formalen Gattungsbausteine des Krimis immer wieder neu und wollen doch viel mehr.

    "Es gibt keine Literaturform, die so sehr uns Wirklichkeit erzählt, wie ein Krimi. Sie spielt auch mit ganz archaischen Dingen. Zum Beispiel dieses Gefühl, falsch beschuldigt zu werden, das ist etwas, das begleitet viele Menschen durchs Leben. Allen passiert das irgendwann mal. In Krimis wird dann erzählt: Wie geht man damit um? Wo entscheidet sich Freundschaft? Wie kann ich was widerlegen? Wie kann ich herausfinden, was die Wahrheit ist? Ich erzähle die richtig harten Dinge des Lebens, die existenziellen Fragen."

    Krimis für Kinder und Jugendliche unterscheiden sich in ihren spezifischen Herausforderungen an Figurenzeichnung, Plotkonstruktion und Erzählstruktur kaum von denen für Erwachsene. Allerdings ermitteln in den heute vorgestellten Krimis keine alternden, mit der Welt im Clinch lebende Kriminalkommissare, sondern Kinder und Jugendliche. Rico und Oskar decken in Berlin einen Betrug auf, Robert durchlebt eine Entführung in den Schweizer Bergen, Kinder werden in Florida in einen Fall von Umweltzerstörung verwickelt, Franzi klärt in Rio de Janeiro ein schweres Verbrechen auf und Fillip wird in Norwegen mit zwei Mordfällen konfrontiert.

    Alle Romane, die in den unterschiedlichsten Milieus spielen, thematisieren - und das ist auffällig - unabhängig von der Krimihandlung immer sehr reale Familienprobleme.

    "Die richtigen Krimileser sind nie apathische Leute, die sich mit allem zufriedengeben, sondern sie sind immer auf der Suche danach, wie man etwas besser machen kann, was nicht stimmt. In den Krimis steht zwischen den Zeilen: Lass dir nichts vormachen. Das ist eine Art, die Welt zu sehen, mit der man in der Welt dann auch ganz gut klarkommt","

    .... sagt Klaus-Peter Wolf. Auch der Kölner Autor Christoph Wortberg vertraut auf den eigenständig denkenden Leser, den man nicht unterschätzen sollte.

    ""Wenn ich einen Jugendkrimi schreibe, der in Berlin spielt, ist der naturgemäß härter, als wenn ich einen Jugendkrimi schreibe, der in Rosenheim spielt oder in Pforzheim. Wobei ich glaube, dass Jugendliche mehr vertragen, als ihnen von unseren pädagogisch orientierten Medien, Verlagen und so weiter zugestanden wird. Ich bemühe mich vor allem in meinen Darstellungen von Gewalt, wenn es sie denn gibt, so realistisch wie möglich zu sein. Ich versuche, Jugendliche nicht zu schonen. Ich versuche aber auch nicht, sinnlos einfach draufzuhauen. Es kann nie darum gehen, dass Gewalt für sich selber spricht oder durch sich selber wirkt. Gewalt muss eine Funktion haben. Gewalt muss das widerspiegeln, was in der Realität, jedenfalls in meiner Wahrnehmung, da ist."

    Buchausschnitt - "Keine Wahl"

    "Es war widerlich. Er rieb sich sein Ding. Dann drehte er den Ton des Fernsehers lauter. Und die ganze Zeit grinste er."

    "Und du hast dich nicht gewehrt?"

    "In so einer Situation wehrst du dich nicht. Da bist du stocksteif. Wie gelähmt."

    Franzi muss schlucken. "Und dann?", fragt sie leise. Valerias Blick versinkt im Nichts. "Es war als hätte er alle Gefühle in mir gelöscht. Einfach rausgerissen. Ich wollte tot sein, verstehst du, einfach nicht mehr existieren."

    "Wie alt warst du?" fragt sie. "Vierzehn."


    Eine Ebene in den Romanen ist die Klärung des Kriminalfalles, eine zweite, viel spannendere, der Blick ins Innenleben der handelnden Personen.

    "Für mich ist maßgeblich, dass Figuren zu sich selber finden, dass sie den Mut finden, für das was ihnen wichtig ist einzustehen, und dass sie dafür auch Opfer in Kauf nehmen."

    Franzi, die Hauptperson in Christoph Wortbergs Jugendkrimi "Keine Wahl", wird im Laufe der Handlung eine Achterbahn der Emotionen durchleben. Schauplatz der bedrückenden Romanhandlung ist Rio de Janeiro - eine Metropole voller Gegensätze, wild und fantastisch. Die 16-jährige Franziska reist von Hamburg zu ihrem Onkel Mike nach Brasilien. Der bewunderte Architekt lebt mit seiner Familie in einem Penthouse hoch über der Stadt unweit einer Favela. Franzi geht in Rio zur Schule und arbeitet am Nachmittag als Au-pair-Mädchen für Mikes zweijährige Tochter Clara.

    "In dem Moment, wo man in eine solche Stadt kommt und dort angebunden ist, durch Familie, durch Wohnung und so weiter, nimmt man die Gefahr nicht mehr als Gefahr wahr, sondern man arrangiert sich unglaublich schnell damit - und hat dann auch gar keine Angst mehr. Ich habe mir bei der Figur Franzi überhaupt keine Gedanken gemacht ehrlich gesagt darüber, ob dieses Mädchen nun in Rio sich selber als gefährdet erleben muss oder nicht, sondern ich habe einfach gedacht, dass die Franzi jemand ist, der unbelastet auf Situationen zugeht."

    Durch Franzis argloses Verhalten wird ihr Schützling Clara von zwei Unbekannten mitten am Tag von der Straße weg entführt. Franzi fühlt sich schuldig und sucht nach den Entführern. Schnell führen Vermutungen, Zufälle und dann gezielte Nachforschungen das Mädchen in die nahe gelegene Favela, einem Armenviertel, auch "Stadt in der Stadt" genannt, in denen die Drogenkartelle alles überwachen. Eine Spirale der Gewalt setzt sich in Gang, und sie schraubt sich unaufhaltsam in die Abgründe des heutigen Brasiliens.

    Bereits von Anfang an ist klar, dass es in diesem Roman um alles geht. Gleich zu Beginn schaut Franzi dem Entführer in die Augen. In einer langen Rückblende erfährt der Leser von den vorangegangenen Geschehnissen, die dann zu dieser entscheidenden Szene führen.

    Buchausschnitt - "Keine Wahl"

    Der Zeigefinger seiner rechten Hand spannt sich um den Abzug, das Grinsen in seinem Gesicht gefriert. Nur noch Kälte. Eine eisige Maske. Ihre Hoffnung sinkt auf null. "Das ist Mord", sagt sie. "Du hättest dich nicht einmischen sollen".

    "Ich hatte keine Wahl".


    Christoph Wortberg erzählt assoziativ zum einen aus Franzis Blickwinkel und zum anderen aus der Sicht der Entführer. Nuno, Junior und Ederson unterstehen dem Diktat Gugus, er ist der stets freundliche wie äußerst brutale Herrscher in der Favela. Die Chance, an eigenes Geld zu gelangen, der Welt der sozialen Ungerechtigkeiten und Abhängigkeiten zu entkommen, ergreifen die jungen Männer und fällen damit unweigerlich ihr Todesurteil.

    "Mir ist beim Schreiben dieser Figur Nuno - und auch von diesen anderen Figuren Junior und der Begleiter von Nuno -, ist es mir so gegangen, dass ich ungeheure Sympathie für die empfand. Der Titel des Buches 'Keine Wahl' ist für mich auch ein bisschen ein Leitfaden. Der Satz 'Keine Wahl' kommt eigentlich in jedem meiner Bücher mindestens einmal vor. Wie wir doch alle mehr oder minder kontaminiert sind und uns immer nur in engen Grenzen frei bewegen können."

    Christoph Wortberg, der für diesen Jugendkrimi in Rio de Janeiro recherchiert hat, sorgt für Spannung, von der buchstäblich ersten bis zur letzten Seite. Dem jugendlichen Leser ist es geschuldet, so Christoph Wortberg, dass er trotz Realitätsnähe nicht noch deutlicher vom wahren Leben in den Favelas berichtet. Erst am völlig überraschenden Ende, das so schmerzvoll und ernüchternd ist wie ein Schlag in die Magengrube, erscheinen die gesellschaftlichen Gegensätze Brasiliens in einem völlig anderen Licht.

    "Ich glaube, dass die Tatsache, dass es keine Sicherheit gibt, auch immer ein großes Maß an Freiheit beinhaltet. Mir ging es auch darum, ein bisschen zu zeigen, dass die Franzi, indem sie mit der Unsicherheit konfrontiert wird, in sich selbst eine größere Sicherheit gewinnt."

    Christoph Wortberg und Klaus-Peter Wolf arbeiten beide auch als Drehbuchautoren für Fernsehkrimi-Serien. Sieht Christoph Wortberg seine fiktive Handlung immer auch als Abfolge von Szenen, so konzentriert sich Klaus-Peter Wolf eher auf das perspektivische Schreiben aus der Figurensicht.

    "Bei vielen Diskussionen mit Jugendlichen habe ich gemerkt, die sind überhaupt nicht so oberflächlich, wie zum Beispiel viele Lehrer mir vorher noch erzählen, bevor ich in die Klasse hereinkomme. Die diskutieren am Ende mit mir nicht nur über Gut und Böse, sondern auch über Leben und Tod - und stellen sehr existenzielle Fragen. Und ich habe mich bemüht, so eine existenzielle Frage ernst zu nehmen und nicht gleich mit dem religiösen Knüppel drüberzuhauen, sondern es einfach ernst zu nehmen, was geschieht mit uns nach dem Tod. Und so spielt in 'Licht am Ende des Tunnels' im Kopf von Robert Sonntag, einem Jungen, der glaubt, dass sein toter Opa immer zu ihm spricht, die Seele seines toten Opas."

    Buchausschnitt - "Licht am Ende des Tunnels"

    Es war, als würde ich über mir schweben. Dann trat ich wieder in die Dunkelheit, in eine Welt, in der es nur noch Stimmen gab. Opa und mich. Diese Welt war ohne Zeit. Ohne Hunger, ohne Schmerzen und ohne Angst. Der Tunnel tat sich auf. Er war rund, spiralförmig, sehr lang und führte am Ende zum Licht. Ich fand diesen Tunnel ungeheuer verlockend.

    Zu Beginn des Krimis befindet sich der zehnjährige Robert auf der Beerdigung seines Opas. Er war der wichtigste Mensch in seinem Leben, ein Selfmademan und bodenständiger Unternehmer. Ob sich Robert nur erinnert oder tatsächlich mit dem toten Opa in einen Dialog treten kann, wird nicht geklärt. Nach dieser ersten Grenzerfahrung erleidet Robert einen Reitunfall und liegt über sechs Monate im Koma. Seine Eltern trennen sich, schieben ihn in ein Schweizer Internat ab und er wird das Opfer einer brutalen Entführung.

    In scheinbar ausweglosen Momenten sehnt sich der Junge in die Nähe des Lichts, des Todes. Die innere Stimme des Großvaters lenkt ihn ab und hilft ihm, nicht aufzugeben. Trotz geglückter Geldübergabe ahnt Robert, dass am Ende der Entführung der Tod auf ihn warten könnte, denn einen Kidnapper kennt er.

    "Ich nutzte einerseits das Grauen und die Angst, die man verspürt, als Fallhöhe, um dann ein Lachen zu erzeugen, das uns erleichtert und wieder Boden unter die Füße gibt. Und aus dem Lachen heraus, lass ich dann wieder dieses Grauen entstehen. Das ist schon eine Achterbahnfahrt der Gefühle, durch die man da jagt."

    Buchausschnitt - "Licht am Ende des Tunnels"

    In dem Moment brach etwas in mir völlig zusammen. Es war nicht der Schuss. Es war die Tatsache, dass ich zum ersten Mal im Leben keine Dusche zur Verfügung hatte. Was für ein gottverdammter abgelegener Ort musste dies hier sein, wenn es nicht mal eine Dusche gab. Unsere Firma produzierte Toiletten.

    Wir hatten zig Läden auf der ganzen Welt. Aber ich wurde ausgerechnet in einer Hütte festgehalten, in der es weder eine Dusche gab noch ein Klo.


    Glaubwürdig ist, wie Robert die Entführung überlebt. Innerlich stark fühlt er sich nicht durch eine übersinnliche Kraft, sondern durch seine unvergessenen Erfahrungen und Erlebnisse mit dem Opa. Der Roman "Licht am Ende des Tunnels" schließt mit einem Verdacht. Der Junge erfährt nicht, wer der wahre Drahtzieher seiner Entführung war. Ein Tabu gerade im Kinderbuch, aber auch eine Anregung für den Leser, eigene Lösungen zu durchdenken. Hier wird klar, auch in der Literatur müssen nicht alle Fragen beantwortet werden. Klaus-Peter Wolf baut auf einen Leser, der bereit ist eigene Theorien zu entwickeln.

    Auch in Andreas Steinhöfels Kinderbuch "Rico, Oskar und das Herzgebreche" verbergen sich hinter der vordergründigen Krimihandlung zwischenmenschliche und soziale Konflikte. Dem langsam denkenden, tiefbegabten Rico mit dem großen Herzen offenbart sein einziger, hochbegabter Freund Oskar eine niederschmetternde Beobachtung. Ricos so flotte Mutter betrügt auf gerissene Weise mit Hilfe einer Komplizin beim Bingospiel im Rentnerclub. Irgendwie gehörte es schon zum Alltag, dass Ricos Mutter immer die richtigen Zahlen wählt und ihre erworbenen, billigen Plastikhandtaschen dann bei eBay verkloppt. Das Vertraute wird plötzlich zum Tückischen. Die angeblich so geschmacklosen Taschen sind aus wertvollem Schlangenleder - offenbar illegale Ware.

    Buchausschnitt - "Rico, Oskar und das Herzgebreche"

    Wenn jemand ständig beteuert, das alles in Ordnung ist, kommt ja wohl sogar ein Tiefbegabter mit kleinen Löchern im Kopf schnell auf die Idee, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Mama wollte sich etwas einreden, an das sie selber nicht glaubte. Und ich auch nicht mehr,

    … schreibt Rico in sein Tagebuch. Ricos so mühselig geordnete kleine Welt gerät in eine Schieflage. Doch keine Sekunde zweifelt der Junge an der Unschuld seiner Mutter. Als Oskar das Wort anrüchig fallen lässt, und damit auf den doch nicht ganz sittenstrengen Nachtclub, in dem Ricos Mutter arbeitet, vorsichtig hindeuten will, denkt Rico natürlich nur an die Duftfläschchen von Douglas. Sein sonniges Gemüt lässt nicht zu, dass etwas Schlechtes über seine Mutter behauptet wird. Für Oskar ist dieses bedingungslose Vertrauen fremd. Oskars alleinerziehender Vater scheint seinen Sohn gern abzuschieben - und so sucht der Junge Schutz, hinter seiner überdimensional großen Sonnenbrille und einem korrekten, unkindlichen Verhalten.

    Buchausschnitt - "Rico, Oskar und das Herzgebreche"

    "Gibt's nur Weißmehlbrötchen mit Schokocreme?"

    "Es gibt auch Müsli, wenn du willst?" "Aus dem Bioladen?"

    Na toll, so was hatte ich ja schon geahnt! Er war also tatsächlich eins von diesen supergesunden Kindern, die keine Süßigkeiten und keine Hamburger oder Fischstäbchen essen dürfen, weil ihre Eltern Angst haben, dass sie davon tot umfallen. Sie dürfen auch kein Fernsehen gucken, jedenfalls keine Krimis und dergleichen, in denen es ordentlich scheppert und kracht, weil aus ihnen sonst später womöglich Verbrecher werden, wegen denen andere tot umfallen. Wenn das stimmt, nimmt es mit mir nur wegen ein bisschen Nutella und Miss Marple mal ein böses Ende.


    Mit feinsinnigem Humor im unfreiwillig komischen Erzählton berichtet Rico von Oskars Kombinationsgabe. Beide Jungen verfolgen die Betrüger und geraten mitten ins Berliner Nachtleben. Doch alles wird gut. Die einfach gestrickte Krimihandlung täuscht nicht darüber hinweg, dass es Andreas Steinhöfel um mehr als um Unterhaltung geht. Er hinterfragt, wie auch schon in seinem ersten Band "Rico, Oskar und die Tieferschatten", das widersprüchliche Verhalten der Erwachsenen. Nicht länger kann Oskar seinen Seelenkummer über seinen abwesenden Vater verbergen. Dem behüteten Rico verschweigt seine Mutter aus falscher Scham die Wahrheit über seinen Vater und macht sich dadurch erpressbar.

    Vom Aussterben einer bedrohten Spezies und der gedankenlosen Zerstörung der Natur durch den Menschen handelt der Umweltkrimi "Panther" von Carl Hiassen. Im Mittelpunkt der spannenden Geschichte stehen die Kinder Nick und Marta, die sich um ihre radikale Biologielehrerin Mrs. Stark sorgen. Während einer gemeinsamen Exkursion in die Schwarzrankensümpfe Floridas ist ein Brand ausgebrochen, Nick und Marta glauben einen durchdringenden Klagelaut eines Panthers zu hören und Mrs. Stark verschwindet spurlos.

    In schnellen Szenenwechseln erzählt Carl Hiaasen nun von der Suche nach der Lehrerin und dem Brandstifter. Schnell ist der 16-jährige Duan, der sich Smoke nennt, unter Verdacht. Der Naturschützer Twilly, der mit nicht immer ganz gesetzestreuen Methoden Umweltsünder bestraft, weiß, dass der Junge unschuldig ist. Er hat schon länger die Red Diamond Energy Corparation und deren Inhaber Drake McBride im Visier. Die Firma will auf einer Parzelle im Naturschutzgebiet illegal nach Öl bohren.

    Buchausschnitt - "Panther"

    "Irgendwas zu sehen von dem verdammten Katzenvieh?", fragte Drake
    McBride Jimmy Lee Bayliss. "Nein, Sir. Die Schüsse in die Luft dürften es endgültig vertrieben haben." Jimmy Lee Bayliss kramte in seiner Hosentasche nach Magentabletten.

    Als hätte er glühende Kohlen verschluckt, so kam es ihm manchmal vor.

    "Hätte mir nicht das Herz gebrochen, wenn Sie das haarige Dings zerfetzt hätten", sagte Drake McBride. "Die Gesetze sind ganz schön strikt, was das Töten von Panthern angeht. Die Polizei kennt da keinen Spaß, Sir."

    "Panther - dass ich nicht lache!", schnaubte Drake McBride. " Im Westen heißen diese Viecher Puma, und du kannst sie abknallen wie Kojoten."

    "Wenn die Katze wieder auftaucht und irgendwer sie sieht, dann haben wir ein Problem", fuhr Drake McBride fort.


    Mit diesem Schuss haben die Männer das Pantherweibchen verjagt. Twilly begibt sich nun auf die Suche nach dem flüchtenden Tier. Er war es auch, der Mrs. Stark aus dem Brandgebiet gerettet hatte und sie um Hilfe bat, denn das Pantherweibchen hat ihr Junges zurückgelassen. Wenn das Muttertier nicht schnell genug gefunden wird, stirbt das Junge. Nick, Marta und Duan helfen Twilly in einem spannenden Showdown bei der Rettung des Panthers.

    Carl Hiassen erzählt schnell im Pingpong knapper Dialoge ohne moralischen Zeigefinger von Menschen, die sich vehement für den Erhalt der Natur einsetzen und von denen, die sie gedankenlos und aus reiner Profitgier opfern. Leider geraten die skrupellosen Umweltzerstörer zu holzschnitzartig und agieren wie Slapstickfiguren ohne Tiefgang. Ihr niederträchtiges Handeln wird dadurch verharmlost und scheint von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Neben all den schrägen Personen, für die Carl Hiassen offensichtlich eine Schwäche hat, ist ihm eine sehr real gezeichnete Figur besonders gelungen - Nicks lebensfroher Vater. Er gerät im Irakkrieg in einen Hinterhalt und verliert bei einer Explosion seinen rechten Arm. Auch hier klingt wie ganz nebenbei das Thema Zerstörung an und die Frage, wie man mit tiefen Verletzungen weiterleben kann.

    Tausende Kilometer entfernt von Florida in Norwegen spielt "Morde in Barkvik", ein Jugendkrimi von Ingvar Ambjörnsen. Auch hier agiert die Polizei nur an Nebenschauplätzen. Der Autor überlässt die Ermittlungsarbeiten dem 16-jährigen Fillip Moberg aus Oslo. An der Seite seines Onkels, der als Journalist für das Neue Kriminaljournal schreibt, schaut Fillip als exzellenter Beobachter und Zuhörer hinter die Fassaden der wohlanständigen Dorfbewohner im kleinen Barkvik am Meer.

    Nach dem grausigen Axtmord am Millionen schweren Reeder Wilhelm Kruuse scheint der Täter schnell gefunden: Hakon Leivrik, sein langjähriger Freund und Angestellter, hat den Toten nach einem gemeinsamen Saufgelage in seinem eigenen Haus blutüberströmt gefunden. Ein anonymer Anruf und die verschwundene Brieftasche von Kruuse wecken Fillips Neugier. Eloquent und respektlos berichtet der Ich-Erzähler von diesem Fall, in den offenbar drei Jugendliche aus Barkvik, die sich mit Pillen, Drogen und Alkohol zudröhnen, verwickelt sind. Hier werden aber nicht nur bewusstseinserweiternde Substanzen konsumiert, sondern es geht um systematische Selbstzerstörung.

    Ein breiter Graben hat sich in Barkvik zwischen den Generationen aufgetan. Fillip beobachtet, wie verzweifelt die Eltern um ihre Kinder kämpfen, sie jedoch nicht mehr erreichen. Hinter den netten Gesichtern der Barkviker verbirgt sich etwas Dunkles, Unausgesprochenes:

    Buchausschnitt - "Morde in Barkvik"

    Mit anderen Worten, da saßen drei erwachsene Menschen und quatschten Pisse, dass es nur so spritzte. Und das wussten alle drei. Das Zimmer schien unter Strom zu stehen. Es gab etwas Unsichtbares, das vor Unruhe zitterte. Ich befand mich nicht zum ersten Mal in einem solchen Zimmer. Ich war bei meinen Eltern im Wohnzimmer gewesen. Und in der Küche. Und im Schlafzimmer. Ich war vor solchen Zimmern geflohen.

    Als sich herausstellt, dass das Mordopfer Kruuse nicht mehr lang zu leben hatte und der angebliche Täter eine beachtliche Summe erben sollte, wird klar, hier will jemand Leivrik opfern. Fillip recherchiert im Internet, erfährt, dass Kruuses Sohn sich umgebracht hat und findet in der Vergangenheit den Schlüssel für den begangenen Mord, dem noch ein zweiter folgen wird.

    Was in diesem Fall dann schonungslos ans Tageslicht tritt, ist allerdings heftig. Zu lang wurde geschwiegen, es geht um zerstörte Beziehungen, einen ausgeklügelten Racheakt, um sexuellen Missbrauch und illegale Pillengeschäfte. Ambjörnsens Antiheld Fillip handelt bei seinen Ermittlungen oft autonom. Etwas zu abgeklärt, klaut er Autos oder Fahrräder, steigt in fremde Wohnungen ein, behält den Überblick und enttarnt die in jeder Hinsicht hilflosen Erwachsenen. Das macht ihn zum Sympathieträger und zieht den jugendlichen Leser eindeutig auf seine Seite.

    Ingvar Ambjörnsen scheut sich nicht den Leser mit der harten Wirklichkeit zu konfrontieren. In seinem lakonisch-präzisen Sprachstil erzählt er direkt und leicht unterkühlt, verwendet jedoch keinen aktuellen Jugendslang. Auch Christoph Wortberg schielt in seinem Krimi "Keine Wahl" sprachlich nicht nach seiner Zielgruppe.

    "Ehrlich gesagt, tue ich das nicht, beziehungsweise, ich versuche, das sogar zu vermeiden. Wenn ich mich zu sehr einstelle auf eine Zielgruppe, dann verliere ich mich sozusagen selbst aus den Augen. Wenn ich mich selbst aus den Augen verliere, verliere ich mein Schreiben aus den Augen. Ich hoffe, dass ich dem Leser viel Raum überlasse. Ich versuche halt immer, mich in meiner Sprache der Geschichte oder den Figuren anzupassen. Das gelingt mal mehr - und das gelingt mal weniger."

    Neben Spannung versprechen aktuelle Krimis für Kinder und Jugendliche auch immer ein packend erzähltes Stück Lebenswirklichkeit. Christoph Wortberg, Ingvar Ambjörnsen, Carl Hiassen, Andreas Steinhöfel und Klaus-Peter Wolf wollen überzeugen, ohne zu insistieren, stellen moralische Fragen ohne Klischees zu bedienen und setzen auf überraschende Wendungen und einen jungen Leser, dem man viel zutrauen darf.

    Carl Hiaasen: Panther
    Beltz & Gelberg, 381 Seiten, 16,95 Euro

    Andreas Steinhöfel: Rico, Oskar und das Herzgebreche
    Carlsen Verlag, 272 Seiten, 12,90 Euro

    Andreas Steinhöfel: Rico, Oskar und das Herzgebreche
    Hörbuch gelesen von Andreas Steinhöfel
    HörbuchHamburg, Silberfisch 2009, vier CDs, 19,95 Euro

    Klaus-Peter Wolf: Licht am Ende des Tunnels
    ArsEdition,182 Seiten, 8,95 Euro

    Christoph Wortberg: Keine Wahl
    Thienemann Verlag, 253 Seiten, 9,90 Euro

    Ingvar Ambjörnsen: Morde in Barkvik
    Sauerländer Verlag, 264 Seiten, 14,90 Euro