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Teheran unter Druck

Der Iran fährt fort , sich in einer Art und Weise zu verhalten, die allen amerikanischen Interessen entgegenläuft.

Ali Sadrzadeh |
    Ein kurzer aber klarer Satz . Was die mächtige Sicherheitsberaterin des US- Präsidenten Condoleezza Rice unmittelbar vor der Reise von George Bush nach Europa und dem Nahen Osten sagt, ist mehr als nur die Beschreibung einer Beziehung, die seit über 23 Jahren von Feindseligkeiten geprägt ist. Es ist eine Positionsbestimmung und ein Programm zugleich .

    Zwischen Teheran und Washington herrscht längst ein verbaler Krieg , an dem sich die Sicherheitsberaterin im Ton noch zurückhaltend beteiligt , doch die Vorwürfe gegen den Iran , klingen wie vor Beginn des Irak- Krieges . Iran arbeite an der Entwicklung der Massenvernichtungswaffen , gewähre den Al Kaida Terroristen Zuflucht und Iran wolle Irak destabilisieren.

    Kein Wunder , dass die Notwendigkeit eines Regimewechsels in Teheran inzwischen zum festen Bestandteil des diplomatischen Wortschatzes der US- Administration gehört . Der einzige Unterschied zwischen den sog. Falken und den Tauben besteht nur darin , wie man diesen Regimewechsel herbeiführt .

    Sollte man , wie die Gemäßigten um den Außenminister Collin Powell vorschlagen , einen Volksaufstand anzetteln und die Islamische Republik aus dem Inneren heraus zur Explosion bringen , oder ist es längst es zu spät , wie Hardliner um den Verteidigungsminister Donald Rumsfeld argumentieren , denn die Mullahs würden bald im Besitz der Atomwaffe sein. Von all den Anschuldigungen gegen Teheran rückt deshalb in der Tat mehr und mehr das iranische Atomprogramm in den Mittelpunkt der Diskussion . Es gibt ernstzunehmende Beobachter in Washington aber auch im Nahen Osten , die meinen , die Machthaber in Teheran wollten den Beispielen Nordkorea , Indien und Pakistan folgen . Denn alle diese drei zeigen , dass eine Atommacht , einmal etabliert , immensen Respekt erzeugt und einen Angriff aus dem Ausland verhindern kann . Dass der Iran selbstständig und mit Nachdruck an der Atomtechnologie arbeitet , das hat zum ersten mal und überraschender Weise der reformorientierte Präsident Khatami Anfang Februar dieses Jahres in einer Ansprache erwähnt. Sechs Wochen später , am 20 März 2003 , also genau an dem Tag , als die ersten amerikanischen Bomben auf Bagdad fielen , meldete sich der Revolutionsführer Ali Kahmenei , der als Sprachrohr der Reformgegner gilt, zu Wort :

    Das alles ist reine Lüge. Die Islamische Republik ist weder hinter den chemischen Waffen noch der Atombombe her. Die Feinde mögen aus Neid blind werden , aber wir haben selbst und aus eigener Kraft die Atomtechnik entwickelt. Denn obwohl wir Mitglied der Internationalen Atomenergiebehörde sind und obwohl wir den Vertrag der Internationalen Atomenergiebehörde unterschrieben haben und man gemäß diesem Vertrag uns helfen müsste , haben diese einflussreichen Zionisten in den USA der ganzen Welt gesagt , helft denen nicht . Deshalb haben unsere jungen Wissenschaftler , diese glänzenden Talente es versucht und geschafft, aus eigener Kraft die notwendigen Einrichtungen zu bauen. Aber ich wiederhole, wir wollen keine Atombombe , wir wollen keine Chemiewaffen. Selbst zu der Zeit , als Saddam Hussein uns mit chemischen Waffen angriff , haben wir keine Chemiewaffen produziert. Alles ist Lüge , was gegen uns in die Welt gesetzt wird . All das ist nur ein Vorwand . Das eigentliche, wovor die Zionisten und die Amerikaner Angst haben, das ist der Islam , das seid Ihr.

    Was meint der Revolutionsführer mit den notwendigen Einrichtungen, die die jungen und glänzenden Talente der Islamischen Republik gebaut hätten und wie weit ist das iranische Atomprogramm tatsächlich fortgeschritten ? Ein Programm , über das sich sogar der russische Präsident Putin am vergangenen Sonntag im Beisein des US-Präsidenten in Sankt Petersburg besorgt zeigte.

    Putin kann sicherlich nicht das iranische Atomkraftwerk Bushir am Persischen Golf gemeint haben. Denn dieser Leichtwasserreaktor war ursprünglich Mitte der siebziger Jahre von der Siemens Tochter KWU begonnen worden. Und als sich dann das Unternehmen nach dem Sieg der Islamischen Revolution 1979 aus dem Projekt zurückzog , war der Bau unvollendet , so sprang 1992 Russland ein . Seitdem kam es zwar immer zu Verzögerungen , doch Ende Dezember 2002 sicherte der russische Atomminister Alexander Rumjanzew bei einem Besuch in Teheran zu, die Bauarbeiten zu beschleunigen. Vereinbart wurde ein Abkommen , das die Lieferung und die Rückgabe der Brennstäbe für zehn Jahre regelt. Der erste Block dieses Reaktors soll im Dezember dieses Jahres angefahren werden . Das russische Atomministerium versichert , dass der Bau des auf 1000 Megawatt ausgelegten Kraftwerks von der Internationalen Atomenergiebehörde kontrolliert wird . Doch der IAEO - Direktor Mohamnmad Al Baradei zeigte sich nach einem Besuch in Teheran Ende November höchst beunruhigt . Die nuklearen Ambitionen des Iran lassen in der Tat die Alarmglocken schrillen. Denn seit Mitte Dezember vergangenen Jahres weiß man , dass der Iran an zwei Orten geheime Atomanlagen baut, die der Produktion von waffenfähigem Nuklearmaterial dienen könnten . Eine Anlage in der Stadt Natanz im Zentraliran soll der Anreicherung von Uran dienen . Und in der Nähe der Stadt Arak, ebenfalls im Zentraliran entsteht ein Schwerwasserreaktor. Diese Projekte in Natanz und Arak dienten ausschließlich dem Zweck , die Energiebedürfnisse des Landes zu befriedigen , sagt der Leiter der iranischen Atmenergieorganisation. In den nächsten 20 Jahren werde Iran 6000 Megawatt Strom brauchen , den die Kraftwerke liefern sollten .

    Doch es gibt in Washington Experten , die behaupten , der Iran kann spätestens bis Ende dieses Jahrzehnts zur Atommacht aufsteigen. Als Bestätigung dieser These wird die Ankündigung des reformorientierten Präsidenten Khatami von Anfang Februar gewertet, Iran werde künftig den gesamten Kreislauf von Uranabbau über die Herstellung des nuklearen Brennstoffs bis zur Entsorgung selbst übernehmen. Ob dann das Land die Möglichkeit und die Fähigkeit zur Produktion von waffenfähigem Spaltmaterial besitzt ist umstritten . Nach Angaben der IAEO gibt Teheran jährlich etwa 5 Millionen Dollar für Uranförderung aus . Eine Uranmine bei Sarand im Zentraliran wird bereits ausgebeutet. Unbestätigten Informationen zur Folge sollen zwei weitere Anlagen für Urananreicherung und die Herstellung von Kernbrennstäben in der Nähe der Städte Isfahan und Kaschan bereits fertig sein. Wie auch immer .

    Es gibt schwerwiegende und ernste Fragen , die die Verantwortlichen in Teheran beantworten müssen . Zuerst die nach dem Sinn nuklearer Elektrizitätsgewinnung in einem Land , das Tag für Tag mehr Erdgas abfackelt als ein ganzes Atomkraftwerk an Energie erzeugen kann. Dann die Frage , warum Teheran enorme Summen in einen eigenen Brennstoffkreislauf investiert, obwohl Russland zugesichert hat, für die Lebensdauer des Atomkraftwerks von Bushir allen Brennstoff zu liefern.

    Der Streit um das iranische Atomprogramm wird sich in den nächsten noch weiter verschärfen . Mitte Juni soll die Internationale Atomenergiebehörde in Wien auf Druck der USA einen Bericht über den Iran vorlegen und das Land auffordern, alles über sein Atomprogramm offen zu legen . Dann wird der internationale Druck auf Teheran mit Sicherheit zunehmen. Denn auch die Europäer scheinen besorgt zu sein . Die Süddeutsche Zeitung zitierte am vergangenen Samstag einen EU-Beamten:

    Wir haben jetzt Grund zu glauben , dass Iran Atomwaffen entwickelt , wir würden uns belügen, wenn wir dächten, dass es sich um etwas anderes handelt.

    Der Iran soll daher gezwungen werden , das Zusatzprotokoll zum Vertrag über die Nichtverbreitung von Atomwaffen zu unterzeichnen. Dieses Protokoll sieht vor, dass die Wiener Atomenergiebehörde ohne vorherige Ankündigung auch Stellen inspizieren kann, die nicht als nukleare Anlagen deklariert worden sind.

    Die Art und Weise , wie der Iran künftig mit den Inspektoren der Atomenergiebehörde umgeht , wird zeigen , ob die Vorwurfe gegen Iran berechtigt sind.

    Doch wie immer der Atomstreit auch ausgehen mag , Washingtons Liste gegen den Iran ist noch lang, z. B. in puncto Terrorismus. Condoleezza Rice formuliert es so :

    Der Iran ist ein Hauptsponsor des Terrorismus und der Iran kann damit nicht weiter machen , während wir versuchen im Nahen Osten Frieden zu erreichen.

    Dass der Iran die libanesische Hisbollah und die palästinensischen Organisationen Hamas und Djihad seit Jahren finanziell und ideologisch unterstützt , das ist hinlänglich bekannt. Doch nach den Selbstmordattentaten in der saudischen Stadt Riad am 12. Mai, bei denen mindestens 34 Menschen getötet wurden , hat sich die amerikanische Haltung zu Iran weiter verschärft . Seitdem sind auch die informellen Kontakte zu Teheran abgebrochen. Denn die US-Sicherheitskräfte haben den Verdacht, die Anschläge in Saudi Arabien seien von einer iranischen Al Kaida Zelle organisiert worden. Als diese Anschuldigungen gegen den Iran bekannt wurden , meinte der iranische Geheimdienstminister Ali Junessi , Iran habe bis März 500 Terrorismus-Verdächtige , die von Afghanistan oder Pakistan ins Land gekommen seien, zurückgeschickt. Zwei Wochen später bestätigte das iranische Außenministerium die Festnahme von Hunderten mutmaßlicher Mitglieder der Al Kaida , doch unter ihnen befänden sich keine Führungsmitglieder des Terrornetzwerks, so das Ministerium . Doch nach Angaben aus den Geheimdienstkreisen halten sich weiterhin verdächtige Al Kaida- Leute in einer abgelegenen Gegend im Nordosten Irans, nahe der afghanischen Grenze, auf . Ein Gebiet , das als ein Hort für Drogenschmuggler und Terroristen gleichermaßen gilt. Sie würden von den iranischen Revolutionsgarden toleriert. Laut amerikanischen Medienberichten sollen darunter Seif Al Adil , der an dritter Stelle der Befehlshierarchie steht , sowie Saad Bin Laden , ein Sohn des verschwunden Chefs der Organisation, sein.

    Doch wie viele und welche Mitglieder von Al Kaida sich tatsächlich im Iran aufhalten bleibt im Dunkeln . Der iranische Aussenminister hat in den letzten Tagen signalisiert , der Iran sei bereit , diese Al Kaida-Verdächtigen sogar an die USA zu übergeben , doch dafür fehlen derzeit die notwendigen Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Doch die Liste der Vorwürfe der USA gegen den Iran ist mit dem Thema Terrorismus keineswegs zu Ende .

    Die USA haben handfeste Beweise , dass der Iran den Irak destabilisieren will. Denn der schiitische Gottesstaat hat vielfältige Beziehungen zu den Glaubensbrüdern im Irak . Der Oberste Rat der islamischen Revolution im Irak, die inzwischen als größte schiitische Organisation des Irak gilt, ist praktisch ein Kind der iranischen Mullahs . Der geistige Führer dieser Organisation, Ayatollah Mohammad Bagher Al Hakim, war 2o Jahre im iranischen Exil.

    Hakim selbst ist zwar momentan darum bemüht, sich als ein gemäßigter Führer zu präsentieren , doch seine Milizen , die sog. Bad Brigaden, bereiten den amerikanischen Streitkräften im Irak Kopfschmerzen . Diese etwa 15.000 Mann starke bewaffnete Truppe , die im Iran ausgebildet und indoktriniert worden ist, weigert sich, ihre Waffen abzugeben .Deshalb hat der amerikanische Verteidigungsminister Donald Rumsfeld in den letzten Wochen mehrfach dem Iran vorgeworfen, das Land setze seine Feindseligkeiten gegen die USA fort und mische sich in die inneren Angelegenheiten des Irak ein. Mit zwei Fernsehsendungen und mehreren Radioprogrammen auf Arabisch , rufen die Propagandisten aus Teheran die irakische Bevölkerung täglich zum Widerstand gegen die Besatzungsmächte auf. Doch damit nicht genug, die schiitischen Aktivisten betätigen sich im ganzen Land nicht nur als Propagandisten , sondern auch als Wohltäter . In den irakischen Städten Karbala ,Nadjaf und Basra organisieren sie die Lebensmittelverteilung , Wasserversorgung oder treten sogar als Ordnungskräfte auf . Also überall dort , wo der Staat abwesend ist, versuchen sie als Ordnungskraft aufzutreten . So wird die amerikanische Planung für eine Neuordnung des Irak konterkariert . Deshalb warnt der US-Verteidigungsminister den Iran von einer Einmischung im Irak :

    Der Iran sollte wissen , dass wir Versuche, den Irak nach dem Vorbild des Iran zu gestalten mit allen Mitteln unterbinden werden.

    Viel unterbinden können die USA nicht , denn die schiitischen Gruppen im Irak haben sich inzwischen dermaßen organisiert , dass ohne sie eine politische Neuordnung des Irak unmöglich ist. Doch welche Kräfte aus dem Iran mischen sich im Irak ein, welche Gruppe innerhalb des Machtapparates steckt hinter dem Atomprogramm, und wer unterstützt am effektivsten die Terroristen, und wie wollen die Amerikaner dagegen vorgehen ? Auch über Iran haben offenbar die Amerikaner ein sehr einfaches Bild von Gut und Böse. So sagt der Republikanische Abgeordnete Pater Guss, der sich angeblich mit dem Iran beschäftigt hat:

    Die Guten wollen Reformen und die Bösen sitzen an den Schalthebeln der Macht.

    Die sog. Guten , also die Reformisten im Iran sind unter sich zerstritten. Man streitet sich über die Innen- und Außenpolitik, während die Konservativen täglich ihren Druck auf kritische Journalisten verstärken . Das Land befindet sich in einer Sackgasse , während der reformorientierte Präsident Khatami in den Augen der Mehrheit der Iraner als gescheitert gilt . Khatami, dem 70 % der Wahlberechtigten vor drei Jahren ihre Stimmen gaben, hatte der Bevölkerung ein besseres Leben , der Jugend mehr Freiheit und den Frauen Gleichberechtigung versprochen . Man erwartete von Khatami , dass er der "Mafia der Macht" , wie die ultrareligiösen Ayatollahs genannt werden, die Stirn bieten würde. Doch er vermied jegliche Auseinandersetzung , die möglicherweise in eine echte Krise des Staates münden könnte . Auch als scharenweise Dissidenten und kritische Journalisten im Gefängnis landeten, hat er geschwiegen . Ob die islamische Republik mit ihrer eigenartigen Verfassung überhaupt reformierbar ist , das bezweifeln viele. Auch außenpolitisch hat er die Isolation des Iran nicht überwinden können . Und darüber, wie weit man den amerikanischen Forderungen nachgeben soll, darüber gibt es vor allem im Lager der Reformisten Meinungsverschiedenheiten. Denn sollte die islamische Republik ihre bisherigen Positionen über den Nahost Konflikt , über den Irak aber auch über die eigene Innenpolitik ändern , dann müssten sich die Macht-Strukturen dieser eigenartigen Republik von Grund auf verändern . Es würde eine andere Republik sein . Kein Wunder , dass die Mehrheit der jungen Iraner , die mit der Situation höchst unzufrieden sind , sich einen gewissen Druck aus dem Ausland wünschen. Vor allem nach dem erfolgreichen Krieg der Amerikaner im Irak , so glauben diese Jugendlichen , könnte sich auch im Iran die Lage verbessern. Deshalb sind sie mehrheitlich für eine Wiederaufnahme der Beziehungen zwischen Teheran und Washington.

    ... gleichwertige Ebene stattfinden.

    Dass die Supermacht Amerika und der krisengeschüttelte Iran sich nie gleichwertig gegenüber treten können , das wissen viele im Iran . Trotzdem haben sich mehr als 70 % der Iraner vor zwei Jahren in einer Umfrage für die sofortige Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen dem Iran und den USA ausgesprochen . Das Ergebnis dieser Umfrage schlug damals wie eine Bombe ein . Daraufhin wurden die Meinungsforscher , die diese Umfrage durchgeführt hatten, verhaftet . Sie sitzen seit zwei Jahren im Gefängnis. Ihnen wird unter anderem Spionage vorgeworfen . Kein Wunder , dass einige Reformer kaum wagen , offen und laut für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Teheran und Washington zu plädieren . Elahe Kulaii , die Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses des iranischen Parlaments , die selbst zu den Reformern gehört , hält eine Normalisierung der Beziehungen zu den USA momentan für unmöglich oder , wie sie sagt unangebracht.

    Ich persönlich finde , dass es momentan keine gute Zeit ist, Beziehungen zwischen den USA und dem Iran aufzunehmen, wenn wir uns auf gleicher Augenhöhe begegnen wollen.

    Doch bleiben die Verhältnisse so , wie sie sind , dann werden die USA verstärkt auf einen Regimewechsel hinarbeiten. Ob sich diese Feindschaft inzwischen für die Machthaber in Teheran auszahlt , ist sehr zweifelhaft .

    Selbst wenn man viele Freunde hat , hat man nie genug . Aber wenn man einen solchen Gegner hat , ist es mehr als genug. Wir wollen aber mehr Freunde haben.