Donnerstag, 16. Mai 2024

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Teilchenphysik im Sushiland

Katrin Goldammer und Konrad Urlichs verbindet nicht nur die wissenschaftliche Disziplin der Physik und das große Vorhaben der Promotion, sondern auch die Tatsache, dass sie beide im vergangenen Jahr für zwei Monate in Japan waren. Ermöglicht hat ihnen das ein Stipendium der Deutschen Physikalischen Gesellschaft und der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Moderation: Kate Maleike | 02.02.2007
    Kate Maleike: Die DPG hatte heute zum Nachbereitungsseminar nach Bonn eingeladen, wo wir die beiden Japanstipendiaten nun auch erreichen. Frau Goldammer, fangen wir mit Ihnen an, inwieweit ist Japan für Physiker, wie Sie einer sind, sozusagen ein Eldorado?

    Kathrin Goldammer: Japan ist ein Land, was sehr viel Wert legt auf Wissenschaft und Forschung und bei dem viele Forschungsbereiche auch mit großen Geldern ausgestattet sind und sehr eng einhergehen mit Wirtschaft und Industrie, und deswegen ist es für uns alle interessant gewesen, da hinzufahren und einfach in den Bereichen zu lernen, in denen die Forschung einen großen Stellenwert hat. Also ich hatte zum Beispiel die Möglichkeit, in einem Institut zu arbeiten, was ähnliche Forschung macht wie in meinem Institut zu Hause, aber mit einem großen Budget und einer großen Mitarbeiterzahl eben in der Lage ist, noch in ganz andere Bereiche vorzudringen.

    Maleike: Und Sie haben dort schon was kennen lernen können, was bei Ihnen noch gebaut wird?

    Goldammer: Genau, ich habe das Glück gehabt, dass ich an einem Projekt arbeiten konnte, von dem wir im Moment nur träumen können. Wir haben ein Design geschaffen und wir haben einen Antrag geschrieben, und wir warten im Moment auf die Bewilligung und möchten gerne einen Freieelektronenlaser bauen, das ist eine Art neuartiger Beschleuniger, der als Lichtquelle genutzt wird für andere Experimente, und in Japan gibt es diesen Beschleuniger schon, und ich war in der Lage, von deren Erfahrung, von deren Betrieb zu lernen.

    Maleike: Jetzt müssen wir natürlich noch sagen, was wir heißt, also von wo aus Deutschland sind Sie nach wo in Japan gestartet?

    Goldammer: In Deutschland arbeite ich bei BESSY, das ist die Abkürzung für Berliner Elektronenspeicherring und Synchrotron. Das ist eine Synchrotron-Strahlungsquelle, die sich in Berlin befindet. Wir erzeugen Licht in einem breiten Wellenlängenbereich, was dann Forscher anderer Disziplinen nutzen können für ihre Experimente.

    Maleike: Jetzt waren Sie als einzige der Gruppe in einer Gastfamilie untergebracht, und zwar haben Sie sich das selber organisiert, haben Sie mir im Vorgespräch erzählt. Das ist recht ungewöhnlich dann für Japan. Wie kam es?

    Goldammer: Für mich war wichtig, nicht nur das Arbeitsleben kennen zu lernen, sondern auch das Leben der Menschen, mit denen ich da zusammen in dem Land bin. Die Japaner haben ein ganz anderes Privat- und Familienleben, als wir es kennen. Aber unbedingt das wollte ich kennen lernen. Deswegen habe ich am Anfang versucht, mir eine Gastfamilie zu suchen und einen Kontakt aufzubauen zu Privatleuten, und habe es dann eben geschafft, eine Familie zu finden, die mich aufgenommen hat und bei denen ich dann in ihrem Haus, in ihrem japanischen Haushalt leben durfte die zwei Monate.

    Maleike: Und waren Sie begeistert von Japan?

    Goldammer: Ich war sehr begeistert von Japan. Ich hatte im Vorhinein schon viele Vorstellungen und Träume damit verbunden, und im Endeffekt war ich nachher wirklich begeistert von dem, was ich da gefunden habe, von der Freundlichkeit auch der Menschen, von der Gastfreundschaft, die mir entgegengebracht wurde, und auch von dem großen Interesse, was die Japaner eben allem Fremden gegenüber haben.

    Maleike: Auch fremden Wissenschaftlern gegenüber?

    Goldammer: Auch im Wissenschaftsbereich sind die Japaner sehr aufgeschlossen. Wenn man die ersten Kommunikationsprobleme überwindet, die natürlich an der fehlenden gemeinsamen Sprache liegen - denn auch Englisch, was ja im Allgemeinen die Sprache aller Wissenschaftler ist, wird eben vielleicht teilweise nicht so gut gesprochen -, findet man schnell die Möglichkeit gut zusammen zu arbeiten.

    Maleike: Dann wollen wir jetzt mal hören, wie es dem Herrn Urlichs ergangen ist. Wir haben jetzt von der Frau Goldammer gehört, dass sie sehr begeistert war, was ihren Japanaufenthalt angeht. War das bei Ihnen auch so?

    Konrad Urlichs: Ja, auf jeden Fall. Also es war eine einmalige Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Ich habe in den zwei Monaten so viel gelernt und so viel Neues kennen gelernt und so viele Leute kennen gelernt wie hier in einem halben Jahr nicht, und das war auf jeden Fall eine sehr wertvolle Erfahrung.

    Maleike: Die Frau Goldammer ist relativ wenig gereist in Japan. Sie sind dagegen sehr viel gereist. Das Stipendium soll das ja auch ermöglichen. Was hat das für Ihre Promotion gebracht. Sie haben wahrscheinlich relativ viele Fragen dazu auch bekommen?

    Urlichs: Also ich bin ja theoretischer Physiker, deswegen ist meine Forschung nicht so sehr an eine Maschine gebunden, und deswegen fand ich es für mich wertvoller herumzureisen. Jetzt im Nachhinein würde ich sogar sagen, dass ich noch mehr andere Institute hätte besuchen sollen. Es hat für mich vor allen Dingen gebracht, dass ich den Stellenwert meiner Forschung in einem größeren Zusammenhang gesehen habe, also durch die Diskussion mit anderen kann man seine Ideen auch testen und herausfinden, was jetzt gut daran war und was schlecht und was eigentlich die Bedeutung dahinter ist, und auch Ansatzpunkte für weitere Forschung finden.

    Maleike: Demnächst müssen Sie ja Ihre Arbeit verteidigen, das Rigorosum steht bevor. Das hat dann doch sicher was gebracht, oder?

    Urlichs: Ja, auf jeden Fall. Also da bin ich auf jede Frage vorbereitet sozusagen.

    Maleike: Die DPG hat dieses Stipendium ja auch zusammen mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft deshalb im Angebot, um Jungwissenschaftlern, und jetzt zitiere ich mal aus der Ausschreibung, bereits zu Beginn ihrer Laufbahn die Möglichkeit zu geben, Kontakte mit der japanischen Forschungslandschaft zu knüpfen. Bei Ihnen allerdings wird es dazu gar nicht kommen, weil sie nach der Promotion aus dem Wissenschaftsbetrieb aussteigen wollen. Warum?

    Urlichs: Also in unserem Bereich ist die finanzielle Lage gerade nicht so gut, und ich habe dann für mich persönlich beschlossen, dass ich nicht so sehr an meiner Wissenschaft hänge, dass ich nicht auch etwas anderes ausprobieren könnte. Das hat sich so im Laufe des Japanaufenthalts dann auch herauskristallisiert, dass ich nicht mehr in der Forschung bleiben will.

    Maleike: Was werden Sie denn machen?

    Urlichs: Ich arbeite ab März bei einer Unternehmensberatung, die macht Risikomanagementsysteme für Banken und Versicherungen. Ich hoffe, dass ich da meine Fähigkeiten, die ich in der Physik gelernt habe, einsetzen kann, also natürlich nicht das Wissen über Quantenfeldtheorie, sondern eher die Denkweise und auch die Techniken.

    Maleike: Dann wünschen wir Ihnen dafür viel Glück. Schade, dass Sie nicht im Wissenschaftsbetrieb bleiben, aber manchmal muss man auch diese Entscheidungen fällen.

    Urlichs: Ich werde es auf jeden Fall vermissen, ja.

    Maleike: Frau Goldammer, wie geht es bei Ihnen weiter nach der Promotion?

    Goldammer: Ich kann noch nicht sagen, wie es bei mir weitergeht, aber ich habe immer noch große Lust auf die Forschung und auf die Wissenschaft und kann mir auch im Moment gar nicht vorstellen, die zu verlassen. Aber ich weiß auch, dass es wieder andere interessante Optionen gibt, und ich denke, wenn ich erstmal meine Arbeit geschrieben habe, dann werde ich mir sie auch anschauen.

    Maleike: Dann auch Ihnen viel Glück und weiterhin viel Erfolg für Ihre Arbeit, wo auch immer das sein wird.