
Manfred Kloiber: Es funktioniert noch immer - das gute alte analoge Telefon - ob mit Wählscheibe oder Ziffernblock. Und auch die Mimik hinter dem Telefon arbeitet hierzulande und auch in den meisten anderen Ländern immer noch nach den alten Regeln. Für ein Gespräch zwischen zwei Telefonen wird eine freie Leitung vermittelt. Doch moderne Datennetze funktionieren anders - nämlich Paketvermittelt - auf Basis des Internet-Protokolls. Überall auf der Welt wollen die Telekomfirmen das alte leitungsvermittelte Netz abbauen und durch Internet-Technologie ersetzen. Die amerikanische Regulierungsbehörde FCC hat jetzt in den USA den Weg dafür frei gemacht. Voice-Over-IP soll der Standard werden. Thomas Reintjes in New York, ist denn Voice Over IP bei Ihnen noch nicht verbreitet?
Die amerikanische Regulierungsbehörde FCC hat jetzt in den USA den Weg dafür frei gemacht. Voice-Over-IP soll der Standard werden. Thomas Reintjes in New York, ist denn Voice Over IP bei Ihnen noch nicht verbreitet?
Thomas Reintjes: Es gibt viele Voice-over-IP-Produkte, einerseits von den klassischen Telefongesellschaften, andererseits von Kabelanbietern und natürlich von Skype und Google. Aber was es nicht oder kaum gibt, sind flexible Produkte ohne lange Vertragslaufzeiten, wo man sich beliebig Accounts und Telefonnummern anlegen kann, fast wie E-Mail-Adressen. Das gibt es in Deutschland, hier in den USA habe ich es noch nicht gesehen. Und das Unternehmen Sipgate beispielsweise hat den amerikanischen Markt gerade wieder verlassen.
Kloiber: Woher kommt jetzt der Vorstoß, das alte Telefonnetz abzuschalten und auf IP umzusteigen? Wer hat ein Interesse daran?
Reintjes: Das größte Interesse daran haben zunächst die klassischen Telefonanbieter wie Verizon und AT&T. Das Unternehmen AT&T war es auch, das auf die Aufsichtsbehörde FCC zugegangen ist und gesagt hat: Wir wollen das alte Netz abschalten. Unter welchen Bedingungen dürfen wir das tun?
Kloiber: Über die Rahmenbedingungen und die Interessenlage bei diesem Umstieg auf ein All-IP-Netz, darüber sprechen wir gleich weiter mit Ihnen, Thomas Reintjes. Doch zuvor hören wir noch ein paar Hintergrund-Informationen:
Reintjes: Das größte Interesse daran haben zunächst die klassischen Telefonanbieter wie Verizon und AT&T. Das Unternehmen AT&T war es auch, das auf die Aufsichtsbehörde FCC zugegangen ist und gesagt hat: Wir wollen das alte Netz abschalten. Unter welchen Bedingungen dürfen wir das tun?
Kloiber: Über die Rahmenbedingungen und die Interessenlage bei diesem Umstieg auf ein All-IP-Netz, darüber sprechen wir gleich weiter mit Ihnen, Thomas Reintjes. Doch zuvor hören wir noch ein paar Hintergrund-Informationen:
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Das Telefonnetz in den USA ähnelt in seiner Funktionsweise immer noch der von Graham Bell vor mehr als 100 Jahren erfundenen Technik. Die Geräte, die die Anbieter zum Betrieb des Netzes einsetzen, sind zwar nicht ganz so alt, aber Auslaufmodelle. Es gebe keine Ersatzteile mehr, Wartung und Betrieb seien teuer, sagt etwa Hank Hultquist von AT&T.
"Vor zehn Jahren gab es in den Vereinigten Staaten noch fast 200 Millionen Festnetzanschlüsse. Jetzt sind wir bei weniger als 100 Millionen. In manchen Staaten haben nur noch 20 Prozent der Haushalte einen Anschluss. Wir wollen deshalb diese ganze Plattform über einen vernünftigen Zeitraum hinweg auslaufen lassen."
Modernes Datennetz statt herkömmliches Telefonnetz
AT&T hat deshalb bei der Regulierungsbehörde FCC beantragt, das herkömmliche Telefonnetz durch ein modernes Datennetz zu ersetzen, ein vollständig IP-basiertes Netz. Henning Schulzrinne von der FCC weiß um die Vorteile eines solchen All-IP-Netzes.
"Anstatt eben ein separates Netzwerk zu betreiben, das nur für Sprache gebraucht wird, nur für Telefondienste, kann man dann Daten- und Telefondienste in ein einheitliches Netz integrieren."
Doch die FCC ist vorsichtig. Im Mai sollen die Anbieter zunächst Pilottests beginnen, um mögliche Probleme zu identifizieren.
Doch die FCC ist vorsichtig. Im Mai sollen die Anbieter zunächst Pilottests beginnen, um mögliche Probleme zu identifizieren.
"Zum Beispiel Geräte, die Kreditkarten annehmen, die benutzen im Prinzip so ein altes Modem über das Telefonnetz. Faxmaschinen, dann gibt es noch so Monitore, Alarmanlagen: Alle diese Geräte benutzen auch das Telefonnetz, eben hauptsächlich für niedrigratige Datenübertragung. Und wir wollen sicherstellen, dass diese Dienste funktionieren, auch in den neuen Netzen."
Auch manche Bürger sind skeptisch. Sie fürchten, dass die Telefonanbieter das alte Netz abschalten und mit dem neuen Netz nur den Minimalanforderungen der Regulierungsbehörde nachkommen. Und die, sagt der Aktivist Bruce Kushnick vom New Networks Institute, beziehen sich nicht auf Datenleitungen.
"Wenn wir über den Wechsel zu IP reden, müssen wir fragen: Bedeutet das Wechsel zu Breitband? Und die Antwort ist: nein. Die wollen nur alle abschalten und eine schöne Buchhaltung haben. Das Internet, IP, ist nicht gleichermaßen reguliert wie Telekommunikation. Und deshalb wollen die Telefongesellschaften auf IP umsteigen, um der Regulierung zu entgehen."
Viele US-Haushalte müssen auf drahtlose Technik umsteigen
Tatsächlich werden viele US-Haushalte keinen Festnetzanschluss mehr angeboten bekommen und auf drahtlose Technik umsteigen müssen. Verizon stellt in ländlichen Gegenden bereits auf eine Voicelink genannte Technik um - und stößt damit teilweise auf heftigen Gegenwind. Denn Voicelink überträgt nur Sprache. Kreditkartenterminals und Faxgeräte lassen sich daran nicht betreiben. Hank Hultquist von AT&T macht kein Geheimnis daraus, dass auch sein Unternehmen in Zukunft einem Viertel der Kunden nur noch drahtlose Dienste anbieten wird - mit entsprechend geringerer Bandbreite. Gleichzeitig bestreitet er aber, dass man der Regulierung entkommen wolle.
"Ich glaube, es gibt breite Zustimmung, dass wir bestimmte Grundprinzipien schützen müssen. Dazu gehört, dass jeder einen Anschluss bekommen können muss. Außerdem Verbraucherschutz und öffentliche Sicherheit: Einerseits, dass man den Notruf erreichen kann, andererseits dass die Rettungskräfte selbst kommunizieren können. Und Wettbewerb ist wichtig. Alle Fragen der Regulierung drehen sich um diese Werte."
Die Strategie von AT&T scheint nicht zu sein, der Regulierung entkommen zu wollen. Stattdessen soll sich eine modernisierte Regulierung auch auf Anbieter erstrecken, die keine klassischen Telefonanbieter sind. Kabelfernsehanbieter oder Voive-over-IP-Dienstleister zum Beispiel.
"Am Ende wird es vielleicht so aussehen, dass manche, die in der Vergangenheit stark reguliert wurden und andere, die gar nicht reguliert wurden, alle auf einem geringen Level reguliert werden."
Unterdessen läuft die Umstellung auf IP an. AT&T will in zwei Netzknotenpunkten mit 50.000 Anschlüssen seinen Pilotversuch starten. 2020 soll die Umstellung komplett sein.