Denn der Ort adelt das Kunstwerk, die Ruetli-Wiese, angeblich Ort des Schwurs der Kantone Uri, Schwyz und Unterwalden - und wenn dann die kühle Nacht herniedersinkt über See und Alpen, melancholische Synthesizer-Schwaden über den Wald wabern, Schafe blöken und drunten auf der Wiese kleine Menschlein, Schauspieler, wie Ameisen an Baumstämmen entlangkrabbeln, dann kann man sich vorstellen, dass hier auch im 13. Jahrhundert der Berg und das Wetter die Hauptrolle spielten und böse, imperiale Habsburger-Vögte die gottgewollte Zwiesprache von Mensch und Natur nur störten.
Wir sitzen zusammen mit 2600 Zuschauern auf einer Art Fußballtribüne hoch über dem See und blicken auf weit entfernte Schauspieler, die mikrophonverstärkt Schiller sprechen und sich alle Mühe geben, halbwegs elegant über die hubbelige Wiese zu kommen. Mehrmals hat man uns über Lautsprecher einen "unvergesslichen Theaterabend" gewünscht, was offenbar darauf anspielt, dass der Bösewicht Geßler heißt und von dem fiesen Luk-Perceval-Mimen Thomas Thieme gespielt wird. Der logistische Aufwand des Freiluft-Unternehmens ist immens - ja, man hat sich das etwas kosten lassen, aber da man bis Ende August ensuite spielt, werden schon ein paar Räppli Gewinn übrig bleiben.
Das Stück wirkt immer noch ein bisschen altbacken, und der Regisseur Stephan Märki hat das einzig Richtige getan, wenn man halbwegs modernes Theater machen und, wegen der zu überbrückenden großen Räume, nicht völlig im Karl-May-Bad-Segeberg-Duktus hängen bleiben will: Er hat choreographiert und stilisiert. Manchmal ein bisschen viel, da wird dann Text zerhackt und gleich wieder naturalistisch verflüssigt, ein strenges Wechselspiel von Protagonisten und Chören soll Halt geben, und die drei Kantone sind schon farblich auszumachen wie Fußballmannschaften.
Vor allem aber hat Günther Uecker, der Nagler vom Dienst der bundesdeutschen Kunstszene, die Wiese vollgestellt mit projektil-artigen, pfeil-artigen Baumstämmen, die wie abstrakte Chiffren, aber auch wie Geschütze oder Zeltstangen im Raum stehen. An den langen Stämmen hängen riesige Steine, Felsbrocken, die wohl auch zur sozialrevolutionären Lawine werden könnten und die nach Tells Schuß auf Geßler, nach dem Erringen der Freiheit dann geschwungen werden wie die Glockenklöppel zum Jubelgeläut.
Dieser Wald von Bühnenskulpturen bringt einen reflexiven Ton in die oft ganz konventionelle Aufführung und zeigt, dass hier beides bedient werden soll: Tradition und Moderne. Allerdings will die Verbindung manchmal nicht recht glücken, die dezent tänzerischen Einlagen, die das Kniebeugen vor dem Geßlerhut persiflieren sollen, wirken manchmal nur wie Gymnastik, und das Trommel-Ensemble, das bedrohlich-dumpfe Rhythmen von sich gibt, will uns wahrscheinlich klarmachen, dass die Schweizer die Afrikaner Europas sind.
Regisseur Stephan Märki gibt dem Volk, was es sehen will, Tells Apfelschuss, aber er will vor allem zeigen, wie schwierig Solidarität zu organisieren ist. Seine Schweizer sind empörte, aber auch vorsichtige Männer, die doch sehr skrupulös nachdenken, bevor sie sich zum Aufstand entschließen. Der Tell, der Einzelgänger, Eigenbrötler, Quertreiber, der aus eher persönlichen Motiven sich auflehnt, ist bei Roland Koch zwar jugendfrisch, aber auch sehr moralisch reflektiert. Er will sich und seinen Tyrannenmord an Geßler unterschieden wissen vom eitlen Königsmörder Johannes Parricida.
Der taucht in dieser Aufführung seltsamerweise in Gestalt einer Frau auf, an Anfang und Ende, und träumt von der Gesetzlosigkeit. Die ist der Schweizer Sache nicht - eher die Pünktlichkeit. Kaum war das letzte Wort gesprochen, stand die Mehrheit der Zuschauer auf in strebte im Schlussapplaus zu den Schiffen. Man will schon das National-Epos bejubeln; aber vor allem will man rechtzeitig zu Hause sein.
Wir sitzen zusammen mit 2600 Zuschauern auf einer Art Fußballtribüne hoch über dem See und blicken auf weit entfernte Schauspieler, die mikrophonverstärkt Schiller sprechen und sich alle Mühe geben, halbwegs elegant über die hubbelige Wiese zu kommen. Mehrmals hat man uns über Lautsprecher einen "unvergesslichen Theaterabend" gewünscht, was offenbar darauf anspielt, dass der Bösewicht Geßler heißt und von dem fiesen Luk-Perceval-Mimen Thomas Thieme gespielt wird. Der logistische Aufwand des Freiluft-Unternehmens ist immens - ja, man hat sich das etwas kosten lassen, aber da man bis Ende August ensuite spielt, werden schon ein paar Räppli Gewinn übrig bleiben.
Das Stück wirkt immer noch ein bisschen altbacken, und der Regisseur Stephan Märki hat das einzig Richtige getan, wenn man halbwegs modernes Theater machen und, wegen der zu überbrückenden großen Räume, nicht völlig im Karl-May-Bad-Segeberg-Duktus hängen bleiben will: Er hat choreographiert und stilisiert. Manchmal ein bisschen viel, da wird dann Text zerhackt und gleich wieder naturalistisch verflüssigt, ein strenges Wechselspiel von Protagonisten und Chören soll Halt geben, und die drei Kantone sind schon farblich auszumachen wie Fußballmannschaften.
Vor allem aber hat Günther Uecker, der Nagler vom Dienst der bundesdeutschen Kunstszene, die Wiese vollgestellt mit projektil-artigen, pfeil-artigen Baumstämmen, die wie abstrakte Chiffren, aber auch wie Geschütze oder Zeltstangen im Raum stehen. An den langen Stämmen hängen riesige Steine, Felsbrocken, die wohl auch zur sozialrevolutionären Lawine werden könnten und die nach Tells Schuß auf Geßler, nach dem Erringen der Freiheit dann geschwungen werden wie die Glockenklöppel zum Jubelgeläut.
Dieser Wald von Bühnenskulpturen bringt einen reflexiven Ton in die oft ganz konventionelle Aufführung und zeigt, dass hier beides bedient werden soll: Tradition und Moderne. Allerdings will die Verbindung manchmal nicht recht glücken, die dezent tänzerischen Einlagen, die das Kniebeugen vor dem Geßlerhut persiflieren sollen, wirken manchmal nur wie Gymnastik, und das Trommel-Ensemble, das bedrohlich-dumpfe Rhythmen von sich gibt, will uns wahrscheinlich klarmachen, dass die Schweizer die Afrikaner Europas sind.
Regisseur Stephan Märki gibt dem Volk, was es sehen will, Tells Apfelschuss, aber er will vor allem zeigen, wie schwierig Solidarität zu organisieren ist. Seine Schweizer sind empörte, aber auch vorsichtige Männer, die doch sehr skrupulös nachdenken, bevor sie sich zum Aufstand entschließen. Der Tell, der Einzelgänger, Eigenbrötler, Quertreiber, der aus eher persönlichen Motiven sich auflehnt, ist bei Roland Koch zwar jugendfrisch, aber auch sehr moralisch reflektiert. Er will sich und seinen Tyrannenmord an Geßler unterschieden wissen vom eitlen Königsmörder Johannes Parricida.
Der taucht in dieser Aufführung seltsamerweise in Gestalt einer Frau auf, an Anfang und Ende, und träumt von der Gesetzlosigkeit. Die ist der Schweizer Sache nicht - eher die Pünktlichkeit. Kaum war das letzte Wort gesprochen, stand die Mehrheit der Zuschauer auf in strebte im Schlussapplaus zu den Schiffen. Man will schon das National-Epos bejubeln; aber vor allem will man rechtzeitig zu Hause sein.