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Tennis
Klassenkampf im Amateur-Bereich

Leistungsklassen im Tennis sind vergleichbar mit dem Handicap beim Golf-Sport. Sie sollen vor allem Aufstellungen bei Liga-Spielen fairer machen. Nebenbei sorgen sie für einen Boom in der nationalen Turnier-Szene, denn immer mehr Hobby-Spieler wollen ihre persönliche Leistungsklasse verbessern.

Von Daniela Müllenborn | 09.06.2019
Zwei Tennisspieler geben sich am Netz auf dem Tennisplatz die Hand
Das "Handicap" hat den Ehrgeiz an der Basis geweckt - nicht nur bei Medenspielen, auch bei bestimmten Turnieren kann man seine Leistungsklasse verbessern (Deutschlandradio / Daniela Müllenborn)
Jörg, 60, spielt gegen Bernd, 67: "Er spielt mir die Bälle halt ständig zurück und ich schlag sie in die Walachei."
Beide Spieler haben Leistungsklasse, kurz LK, 13. Die Leistungsklasse ist vergleichbar mit dem Handicap im Golfsport, erklärt Veit Heller, Tennistrainer und Turnier-Veranstalter: "Es geht darum, jedem Spieler, jeder Spielerin eine Spielstärke zuzuweisen. Und das passiert über das LK-System, eins als beste und 23 als schlechteste LK."
Die Besten sollen gegeneinander spielen
Der saarländische Tennisverband war der erste, der das LK-System einführte - bereits 1993. Erst sehr viel später zogen andere Verbände nach. Seit ein paar Jahren gilt es flächendeckend und es soll verhindern, dass sich Mannschaften im Ligaspielbetrieb einen Vorteil verschaffen, indem sie taktisch aufstellen. Stattdessen sollen die Leistungsklassen garantieren, dass der beste Spieler einer Mannschaft auch tatsächlich an Position eins eingesetzt wird, und auf die Nummer eins des Gegners trifft -und nicht zum Beispiel an Position vier oder fünf spielt, um einen vermeintlich schwächeren Gegner zu bekommen.
Um im Mannschafts-Ranking zu steigen, muss man seine Leistungsklasse verbessern, indem man Punkte sammelt, erklärt Heller: "Das kann man in den Mannschaftsspielen, den klassischen 'Medenspielen', so heißen sie im Tennis ja, in dem man besser eingestufte Spieler schlägt, erhöht sich automatisch der Punkte-Wert, was dann zu einer besseren LK führt. Und das kann man aber auch in vielen inzwischen angebotenen Turnieren, sogenannten LK-Turnieren, Tagesturnieren oder Runden-Turnieren."
Medenspieler sind populärer geworden
Das LK-System hat zum einen die Medenspiele fairer und attraktiver gemacht, da ist man sich bei den Landesverbänden einig. Die ohnehin beliebt gewesenen Punktspiele für Mannschaften seien noch populärer geworden. Zum anderen beobachtet Sebastian Müller, Geschäftsführer des Tennisverbandes Mitterhein, aber eben auch einen Ansturm auf Tennis-Turniere: "Inzwischen haben wir etwa 500 Turniere auf Verbandsebene, insofern kann man schon von einem Boom sprechen."
Alleine über das Pfingstwochenende stehen auf dem Internet-Turnier-Portal des Tennisverbandes Mittelrhein 22 Turniere zur Auswahl. Zum Beispiel die "Aggertal Open" auf der Anlage des TC Rot-Weiß Overath, wo Ralf, 55, vom TC Rot-Weiß Hangelar gerade sein zweites Match verloren hat. "Die Turniere sind ja auch deshalb so am boomen, weil natürlich die Möglichkeit besteht, sich neben den Medenspielen, sich zu verbessern. Ich sag mal gegen Saisonende ist immer besonders viel los."
Auch Ralf spielt Turniere, um seine Leistungsklasse zu verbessern. Aber nicht nur aus diesem Grund: "Leistungsklassen-Turniere spiele ich, weil die paar Medenspiele im Sommer sind einfach zu wenig, wenn man sich mal messen will, und es ist doch was Anderes, wenn's zählt, als wenn du nur so ein paar Trainings-Spielchen machst."
Tagesturniere boomen
Überhaupt: Ausschließlich Trainingsspiele nach Feierabend im heimischen Verein gegen anderen Klub-Mitglieder? Und dazu vielleicht auch noch eine Klubmeisterschaft pro Jahr? Das war gestern. Heute wollen viele Tennisspieler mehr. Mehr Spiele, mehr Abwechslung, mehr Flexibilität und genau dieses veränderte Sportverhalten bedienen die Turniere, weiß Sebastian Müller vom Tennisverband Mittelrhein:
"Was im Moment boomt, sind die Tagesturniere der Leistungsklassen. Und dort ist es so, man sucht sich einen Termin raus, an dem man Zeit hat, bekommt in der Regel seine zwei Matches und es ist eine sehr ungebundene Art zu spielen, von daher passt es in unsere Zeit in das Freizeitverhalten der Menschen."
Zwei Tennisspieler ruhen sich auf einer Bank auf dem Tennisplatz aus
Um im Mannschafts-Ranking zu steigen, muss man seine Leistungsklasse verbessern, indem man Punkte sammelt (Deutschlandradio / Daniela Müllenborn)
Von diesem Angebot, das dem heutigen Lebensalltag entspricht, fühlt sich auch die Generation 40 angesprochen, also Tennisspieler: "Die in den 80ern, den Becker-Graf-Zeiten, in den Boom-Zeiten, gespielt haben, dann irgendwann aufgehört haben, dass sie sagen, boah, das gab's früher nicht, dass erleichtert uns ungemein den Wiedereinstieg. Das Zweite ist, wir haben unheimlich viele Leute, die von anderen Ball-Sportarten kommen, klassisch Fußball, Handball, die dann aufgehört haben mit 30, 40 und aber weiter eine Ballsportart machen wollen. Da ist Tennis eine perfekte Sportart und auch für Anfänger absolut geeignet, sie sich mit anderen Anfängern messen können. Das macht den Reiz aus."
Voraussetzung für die Teilnahme an einem Leistungsklassen-Turnier ist die Mitgliedschaft in einem Tennisverein. Und die Anmeldung zu einem LK-Turnier ist nicht ganz billig, kostet in der Regel zwischen 30 und 45 Euro, 5 Euro davon gehen an den Deutschen Tennisbund, dem die Leistungsklassen-Turniere eine siebenstellige Summe in die Kasse spülen. Geld, das am besten Teil in die Nachwuchsarbeit und damit in den Leistungssport fließen sollte, wünscht sich Hobby-Spieler Bernd, der das Match auf Platz sieben verliert, weil Jörg den ersten Matchball verwandelt: "6:0, 6:3. Dafür hab ich am Donnerstag einen auf die Hose bekommen. So gleicht sich das wieder aus."